In der HipHop-Musik wurde durch die Technik des Samplings eine völlig neue Perspektive auf Musik geschaffen. Produzenten sind nunmehr seit Dekaden auf der Jagd nach wenigen Sekunden Magie. In unserer neuen Rubrik »These Are The Breaks« erzählen wir die Geschichten hinter legendären Samples, die das Genre maßgeblich beeinflusst haben. Dieses Mal: Bob James – Nautilus (1974).
Wenige Songs bieten sich so sehr für den Start einer solchen Kolumne an wie der Outro-Track auf »One«, dem Debütalbum des Jazzpianisten Bob James. »Nautilus«, eine elektrisierende fünfminütige Fusion-Komposition zwischen Streichsektion, Bass, Schlagzeug, Synthesizer und Keyboard, wurde zum unerwarteten Star der LP und zum Grund dafür, dass James über die Grenzen des Jazz hinaus unsterblich wurde. Der Song war eigentlich ein Füller, eine vermeintlich versteckte Skizze auf den bassarmen inneren Rillen der B-Seite der Platte. Betitelt wurde »Nautilus« vom mehrfachen Grammy-Gewinner Creed Taylor, mit dem James an »One« arbeitete. Taylor assoziierte das schummrige Synthesizer-Arrangement zu Beginn des Tracks mit einem tauchenden U-Boot – und muss wohl Fan von Schriftsteller Jules Verne gewesen sein.
»’Nautilus‘ wurde mehr als 300 Mal geflippt.«
Außerdem unverwechselbar: die von Groove durchtränkte Bassline von Gary King. Neben dem Abtauch-Synthesizer-Effekt vielleicht DAS Element des Tracks, das am deutlichsten heraussticht. King spielte, damals noch untypisch im Jazz, einen E-Bass. Wie Bob James später feststellte, war dies dadurch inspiriert, dass viele seiner Studiomusiker zu dieser Zeit nebenbei in Rockformationen jobbten. Die Bassline wurde für Slick Ricks Magnum Opus »Children’s Story« auf dem Piano nachgespielt.
Doch »Nautilus« wäre nicht »Nautilus«, wenn das nicht nur die Spitze des Eisberges gewesen wäre – schließlich wurde der Track mehr als 300 Mal geflippt. Zum Beispiel bei Sekunde 45: Dort vereinen sich Schlagzeug, Keyboard und Bass für eine kurze, abrupt stotternde Sequenz, die spielerisch die Melodie des Songs aufzubrechen droht. Hier bedienten sich unter anderem 9th Wonder und MF DOOM, auch in Kombination mit Samples von anderen Stellen.
Spätestens aber ab Minute 3:15 schlagen Produzentenherzen seit über 40 Jahren eine BPM schneller. Zunächst emanzipieren sich die Drums, gespielt von Idris Muhammad (»Power Of Soul«), lediglich in Begleitung einiger Anschläge des E-Basses. Hier entlehnte RZA ein Break für »Daytona 500«, einem der Standout-Tracks auf Ghostface Killahs »Ironman«. Run DMC (»Beats To The Rhyme«) und Main Source (»Live At The Barbeque«) steigen mit ihren Samples von »Nautilus« etwa 15 Sekunden später ein, wenn der Synthesizer zu den Drums stößt. Wer es nicht weiß: »Live At The Barbeque« stellte der HipHop-Szene erstmals den jungen Nas vor. Der hat übrigens mal gesagt, er könnte ein Doppelalbum alleine mit Beats aus »Nautilus«-Samples machen – dem bleibt wenig hinzuzufügen.
Text: Max Hensch
Danke für die Info. Wirklich interessanter Artikel. Ich habe eine Playlist bei Spotify erstellt, die Dejavuemomente beim Hören erzeugt, da sie mit Liedern gefüllt sind, die Samples aus bekannten Rapstücken enthält. Das Stück fehlt noch. Werde das Lied gleich mal hinzufügen.
Ist. Das. Gut.
https://youtu.be/RzTgfqTLWPI