Takt32 – ID // Review

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(Kiezkunst / Universal Music)

Ein Leben in den USA, Frankreich und Ägypten: Was bei anderen Rappern nach Jetset und Highlife klingt, war bei dem Berliner Takt32 nicht nur kulturelle Erfahrung, sondern vor allem hilfreich dabei, seine politische Meinung zu schärfen. Sein zweites Album »ID« ist daher auch von Anfang bis Ende ein wütendes Manifest gegen Polizeiwillkür und soziale Ungerechtigkeit, ohne dabei mit der Fackel durch das Dorf zu ziehen und sich in ACAB-Rufen zu verlieren. Um der Dringlichkeit dieser Themen auch hierzulande genügend Druck zu verleihen, ist Produzent und Busen­freund Jumpa genau der Richtige. Immer wieder drängen sich melancholische Samples in den Vordergrund, bevor sich Drumrolls überschlagen und die Kickdrum dem Hörer den Brustkorb zerdrückt. Auf diesen Kraftmonstern reitet Takt32 durch die Berliner Nacht und zeigt mit dem Finger auf all die Kleinigkeiten, die abseits der Großstadtromantik stattfinden. Per Handschlag begrüßt er all die Abgehängten, denen täglich Diskriminierung widerfährt. Dafür peitscht er sich selbst immer weiter und macht höchstens mal einen Schritt in den Hintergrund, um anderen Hauptstadtrappern wie beispielsweise Chima Ede oder Lü Rique einen kurzen Moment der verdienten Aufmerksamkeit zu ­schenken. Diese danken es ihm ausnahmslos und platzieren ähnlich geladen ihren Absatz im Manifest. So interessant und vor allem wichtig es ist, den politischen Aussagen und persönlichen Geschichten zuzuhören, kann es aller­dings passieren, dass man einzelne Lines aus den Augen verliert, weil man bei dem hohen Tempo nicht mithalten kann. Dabei sollte man genau hinhören, denn Takt32 politisiert sich auf eine reflektierte und starke Art, die man sich von mehr Rappern in Deutschland wünschen würde. So wird mithilfe von Straßengeschichten ohne Glorifizierung (»Von mir/Von hier«) und Pop-Refrains ohne Peinlichkeit (»Bang Bang«) ein Album geschaffen, das Deutschrap definitiv gefehlt hat. Takt32 hat seinen Inhalt gefunden. Jetzt muss er nur noch an der perfekten Ausformulierung feilen.

Text: Arne Lehrke

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