Stereo Luchs – Lince // Review

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(Island Records / Universal Music Schweiz)

Wertung: Fünf Kronen

»Alles isch müglich hit!«, wenn ein ehemals sächselnder Dancehall Don jenseits der vierzig der gehypteste Deutschrapper der Stunde ist. Parallel zur Trettmann-Transformation machte Stereo Luchs, ein früher KitschKrieg-Kumpane aus Zürich, einen ähnlichen Autotune-Reboot durch. Als schwyzerdütscher Soundsystem-­Selector geisterte er ein Jahrzehnt lang durch die winzige Reggae-Nische und veröffentlichte Mundart-Tunes über seinen Indie Pegel Pegel!, bis er sich vor einem Jahr an seinem kreativen Endpunkt wiederfand. Und dann kam KitschKrieg: Das hauseigene Preset-­Paket, das in Tretti Berge versetzte und Haiytis Magnum Opus »Montenegro Zero« dominiert, liefert jetzt noch den Unterbau für 10. Neuer Tag. Neuer Sound. Neues Kush im Grinder – »Lince« ist in erster Linie eine Wiedergeburt. Stereo Luchs, der sein zweites Album wie auch den »Dumpling & Callaloo«-Riddim co-produzierte, setzt damit alles auf die Kunst. Der ehrwürdige Major-Ableger Island Records, der Bob Marley zum Weltstar machte, signte das Songwriting-Genie in weiser Voraussicht. Derweil verschläft die deutsche ­Medienmaschine das Phänomen, und man fühlt sich in den Januar 2016 zurückversetzt, als das »Skyline«-Video online ging und die deutsche Pop-Sprache nicht mehr dieselbe sein sollte. Eine weitere Parallele zu Trettmann, der auf »Alles OK« scheint, sind Stereos Alpena­nglizismen im Triolen-Flow und diese Melodien, die ins Stadion gehören. Vom Aufwach-Anthem »Sunne gaht uf« über die Schlussmach-Single »Sie seit« bis zur biografischen »Zitreis«, einem Back-in-the-days-Blues, der so nur einmal in einer Karriere gelingt. Im (un)heimlichen Hit »Ufe« und dem eigenen »Pronto Interlude« wird der ­angehende Solothurner Superstar Pronto in Szene gesetzt. Die 808s spenden Wärme im Winter, Ex-KitschKrieger Teka die Roots-Vibes und Offbeats. Alles für die Familie verkommt auf »Lince« nicht zur Phrase, das Schweizer-Patois nicht zum Joke. Außer den Stimmeffekten ist bei Stereo Luchs alles echt und soulful. Selbst die »Träne ufem Tanzbode«.

1 Kommentar

  1. Wahnsinnsplatte. hab die CD zuhause. War eine von 4 Rohlingen die ich 2017 gekauft habe (CD sind nMn Platzverschwedung geworden). Zurecht. Kein einziger Ausfall, durchgehend stark. Eines der rundesten CH-Alben die ich je gehört habe, auch mit sehr hohem Wiederspielwert.

    Favorit, seit Tag der Veröffentlichung.

    88000 PS
    (da wurde sehr detailreich den bogen zwischen hedonismus und kapitalismuskritik geschlagen, Lyrische Finesse)

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