SSIO vs. The Beats // Feature

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Ein Vorspiel, das längst überfällig war. Denn schließlich hat der Bonner Ssio gemeinsam mit Xatar und Schwesta Ewa dafür gesorgt, dass Boombap auf Deutsch nicht mehr nur die heimliche Leidenschaft von ein paar wenigen Beatnerds ist. Nein, auch die Jungs vom JuZe ordern fleißig Nackenschützer, fühlen sie sich doch an ihre Neunzigerjahre-Sozialisation zwischen East- und Westcoast zurückerinnert. Und als ob das noch nicht genug wäre, stand der 24-Jährige schon früher nachts zu sämtlichen New-Jack-Swing-Klassikern bös dreinblickend und mit verschränkten Armen in der Ecke des Clubs und pumpt tagsüber lieber den alten R. Kelly als David Guetta in seinem Auto. Und um nach einem langen Tag in Tannenbusch wieder runterzukommen, therapiert der Kanalreiniger sich mit gepflegtem Smooth Jazz. Da liegt es natürlich nahe, all diese musikalischen Komponenten auf Ssios dieser Tage erschienenem Debütalbum »BB.U.M.SS.N« zu vereinen. JUICE-Autor Jan Wehn reicht Kekse, Ssio legt den Nackenschutz an. Los geht’s.

2Pac feat. The Outlawz
Hit ’Em Up (1996)
(lacht) Klare Sache, ne? Das habe ich während meiner Schulzeit ständig gepumpt. Ist auf jeden Fall ein Klassiker, auch wenn ich nur 20 Prozent von dem, was er sagt, verstehe, spürt man den Diss in dem Song. Mein Bruder hatte sich das »Greatest Hits«-Album gekauft. Aber ich kannte das schon vorher. Jeder Kanake von draußen kennt dieses Lied.
JUICE: Hast du noch andere Lieblingslieder von 2Pac?
Ja, »Skandalouz«. Der Beat ist ja von Daz Dillinger und er verwendet da Rhodes, smoothe, live eingespielte Bässe und so eine Leadgitarre, die begleitend rhythmisch zu den Drums gespielt wird – das ist für mich einfach das Maß der Dinge, was Beats betrifft.

Notorious B.I.G. feat. Mark Curry, Snoop Dogg & Busta Rhymes
Dangerous MCs (1999)
Das kenne ich sehr gut. (lacht) Den Beat habe ich ja für »Ssio macht schlau« und das HDF-Video verwendet. Die Szene am Anfang mit dem »Kann ich dir ins Gesicht kacken?«-Dialog ist ja legendär. (lacht) In Sachen Flow trifft Biggie genau meinen Geschmack. 2Pac hat auch krass geflowt – wobei man das auch gar nicht miteinander vergleichen kann. 2Pac war smoother. Der hatte nicht so sehr dieses Bouncige, dieses extrem hiphoppige New-York-Ding. 2Pac war mehr jazzig und melancholisch, während Biggies Beats zwar auch auf Jazz-Samples basierten, aber immer sehr rhythmisch gechoppt waren. Aber diese zwei Songs, die du mir jetzt gezeigt hast, haben genau diese Gegensätze, auf die ich abfahre: Die Kombination aus tiefem Bass, Drums und einem hohen Element, das die ganze Zeit so rhythmisch und nicht zu melodiös spielt, liebe ich. Diese Masche zieht immer.

Craig Mack
Flava In Ya Ear (1994)
Easy Mo Bee hat ja den Beat gemacht. Und wenn man den hört, denkt man erst mal, dass er sehr einfach gestrickt ist. Aber er bekommt seinen Glanz erst, wenn darauf gerappt wird – das mag ich. Die Drums sind übertrieben, der Bass immer nur ganz kurz auf der Kick am Anfang des Taktes.
JUICE: Im Video zum Track »Märchenrapper«, für den Ewa und du diesen Beat benutzt habt, sind ja auch Breaker und DJs mit am Start. Wessen Idee war das?
Unsere. Es ging da halt um die Ästhetik. Wenn ich manche Lieder höre, stelle ich mir gewisse Bilder vor, die nicht mal Sinn ergeben müssen, aber ästhetisch oder emotional wirken. Und das war hier die Geschichte mit den Breakern und dem Graffiti. Wir haben nicht krampfhaft versucht, HipHop zu sein. Das wäre ja völlig lächerlich. Ich scheiß auf HipHop, wenn es sein muss. (lacht)
JUICE: Du sagst ja in dem Song auch: »Scheiß auf die HipHopper, ich mach dick Ot klar.« Bist du HipHop?
Was ist das denn für ’ne Frage? Die hat schon leichten Fremdschamfaktor, sage ich mal. (lacht) Ob ich HipHop bin? Keine Ahnung. Ich mache auf jeden Fall HipHop.

R. Kelly & Public Announcement
She’s Got That Vibe (1992)
Mein Lieblingssong. Den habe ich bis heute im Auto. Das ist ein Lied, das immer nachts um drei Uhr auf Partys läuft, wenn alle schon total den Hänger haben.
JUICE: Wie siehst du R. Kellys Entwicklung über die Jahre?
Er ist immer noch ein Top-Künstler, aber die Sachen von früher haben meinen persönlichen Geschmack eher getroffen. Das neue Zeug klingt mir zu erwachsen. Früher hat er noch über Sex und Frauen gesungen – Themen, mit denen Leute in meinem Alter noch etwas anfangen können. (lacht) Ich mag es allgemein nicht, so spirituell über das Leben zu reden. Der neue R. Kelly geht mir zu sehr in die Xavier-Naidoo-Richtung. (lacht)

Blackstreet
This Is How We Roll (1996)
So etwas vermisse ich. Nicht nur in Deutschland, sondern allgemein. Das waren Beats, die total im HipHop-Rahmen waren, aber die R&B-Sänger haben immer so krasse Akkordabfolgen gesungen. Wenn ich R&B-Sachen von heute höre, haben die immer so einen femininen Touch. Das hier ist unfassbar männlich. Richtige Player-Musik – unnormal! Ich stelle mir da einen Anzug oder schwarzes Hemd und blaue Jeanshose vor. Weißt du, was ich meine?

Bell Biv DeVoe
Breezy (2001)
Jetzt hast du mich. Das kenne ich auf jeden Fall von Partys. Ein unnormales Lied. Dieser Stil von R&B gefällt mir auch. Da kommt immer erst die Kick und dann die Kick gemeinsam mit der Snare. Das hat fast schon etwas von House, aber durch den bassigen Vibe verliert es den jazzigen Flavour nicht. Geil!
JUICE: Da drückt es untenrum auch wieder viel und klingt oben hoch.
Und die Hi-Hats sind dazu noch ganz leicht verschoben. Die zweite kommt eine Millisekunde vor der Kick. Das ergibt diesen holprigen, shufflenden Rhythmus.

Kool & The Gang
Summer Madness (1974)
Unnormal! Ich schwöre, das Lied ist so lecker. (lacht) Boah, die Stelle jetzt ist zu heftig. (hört zu, schließt die Augen) Das ist wie Heroin! Ich stelle mir gerade einen Schuss und so eine Farbspirale vor. (lacht) Wenn das Saxophon kommt, wird das nochmal emotional aufgepusht und läuft dann langsam aus. Das Besondere an diesem Song ist, dass er innerhalb von wenigen Minuten mit deinen Emotionen spielt. Das höre ich immer im Urlaub, wenn ich am Strand bin und mein Bier trinke.

Chieli Minucci
Night Grooves (2003)
Boah. Spul noch mal zurück, da war so eine ganz bestimmte Stelle. (hört zu) Unnormal! Ich sage das ja immer wieder: Leute, die House hören, brauchen das, um ihre emotionale Stimmung auszugleichen, da privat nicht so viel läuft bei denen.

A$AP Ferg
Dump Dump (2013)
(verzieht das Gesicht) Ich habe so eine Abneigung gegen Trap. Aber lass mal laufen. (Snare Rolls setzen ein) Da kommt ja gleich noch eine Kick, oder? (hört zu) Die will nicht kommen, ne? (Kick setzt ein) Ah, endlich! (lacht) Für das, was es ist, ist es gut – aber nicht mein Fall. Das ist quasi das genaue Gegenteil von dem, was wir am Anfang gehört haben. Da läuft im Hintergrund ja schon so atmosphärischer Psycho-Scheiß. Der Beat hat nicht mal eine richtige Melodie. Mir ist das zu düster. Das mag ich nicht. Und sobald die Snares und Claps so Rat-ta-ta-ta-ta-ta-ta reinkommen, kriege ich Herpes. Oder Ohrenkrebs. (lacht)

Joey Bada$$
Right On Time (2013)
Das gefällt mir gleich viel besser.
JUICE: Ist auch dieses Jahr erschienen.
(ungläubig) Echt?!
JUICE: Das ist Joey Bada$$.
Ah, krass – den kenn ich. Der macht ja auch so Mucke aus den goldenen Neunzigern. Finde ich gut. Nur die Drums sind mir zu lasch. Die Rim, die da kommt, ist sehr schwach. Ich warte immer auf eine patschige Snare, damit der Beat richtig losgeht. Aber das Sample ist geil.

KanaKonda
Kragen hoch (2006)
(lacht) Geil! Den Beat habe ich damals mit Logic gebaut. Da habe ich auch das gleiche Prinzip wie bei »Dangerous MCs« angewandt: Bass, Drums und eine hohe, rhythmische Melodie. Das sticht, da nickt man sofort mit dem Kopf. Als ich den Song gemacht habe, war ich 15 Jahre alt. Man hört das auch an meiner Stimme. Das klingt, als hätte ich mir gedacht: Weil ich jetzt rappe, muss ich meine Stimme so verstellen, wie es Rapper machen. (lacht)
JUICE: Sehr beliebt ist auch ein YouTube-Audioclip mit dem Namen »2 Baba Parts« von dir und Xatar.
Ja, das sind so Überbleibsel, die entstanden sind, bevor Xatar reingegangen ist.
JUICE: Da rappst du auch deutlich, sagen wir mal, deepere Sachen.
Man kann deep ja unterschiedlich interpretieren. Ich würde niemals über das Leben rappen. Aber auch auf »BB.U.M.SS.N« sind Songs wie »Das letzte Mal? Niemals« oder »Suchtfaktor«, die schon in die ernstzunehmende Richtung gehen, aber immer noch sehr straße sind. Schon deep, aber nicht homo-deep, dass man schon fast anfängt zu heulen. Wenn man so wie ich ein Album mit 18 Tracks macht, muss man schon versuchen, die Rundungen zu finden und dann braucht man auch diese Kontroverse. Aber im Großen und Ganzen ist »BB.U.M.SS.N« sehr stark aufs Kopfnicken fokussiert.

Xatar feat. Jetsett Mehmet
Intro (2008)
JUICE: Bist du das oder ist das Xatar?
Das ist Jetsett Mehmet. (lacht) Ah, ist das geil. Das kam 2008 raus – so etwas gab es in Deutschland bis dahin nicht. Da kann man schon ein bisschen stolz drauf sein.

Die unendlichen Gedichte
Der Weg (1998)
(lacht) Der Beat ist gut, etwas larifari, aber gut.
JUICE: Das sind D.U.G. aus Bonn, der Song ist von 1998.
Dafür ist der Beat auf jeden Fall nicht schlecht.

Fünf Sterne Deluxe
Willst du mit mir gehen? (1999)
Sehr hiphoppige Drums, aber die Herangehensweise ist zu deutsch. Natürlich kommen die nicht aus Brooklyn. Aber es gibt ja auch Leute, die es schaffen, diesen Vibe rüberzubringen. Es ist ein bisschen lauchig. Und flach.

Audio88 feat. Yassin
Die Erde ist eine Scheide (2011)
Das kenne ich irgendwoher, klingt super. (hört zu) Aber den Rapper kenne ich nicht.
JUICE: Das sind Audio88 & Yassin aus Berlin. Große Fans von dir.
Am Anfang war es mir ein bisschen zu wirr, aber find ich geil, was die da erzählen. Gefällt mir, schöne Grüße an die Jungs!

Huss & Hodn
Pornofilmkäse (2007)
Der kommt doch aus meiner Nähe, ne?
JUICE: Das sind Huss & Hodn.
Genau, aus Köln. Mir ist das auf Albumlänge einfach zu verkrampft. Das ist nur für 40 Leute gedacht, weißte? Ich kenne solche Rapper. Die versuchen halt, ihre Oldschool-Realness mit Turntables zur Schau zu stellen. (lacht) Das is läppsch. Okay, die Line mit der Messerstecherei war gut. Aber ansonsten ist mir das zu verbissen.

Sylabil Spill & DJ Ara
Konvektion (2013)
Nicht schlecht. Das Sample finde ich scheiße. (lacht) Und die Drums könnten etwas druckvoller sein. Aber die Stimme ist hammer.
JUICE: Das ist Sylabil Spill.
Ah, den kenn ich aus Bonn vom Sehen. Sehr schöne Stimmfarbe.

Betty Ford Boys
Westcoast Shizznit (2013)
Sehr starker Beat schon mal.
JUICE: Da wird jetzt auch nicht mehr gerappt. Das sind Dexter, Brenk und Suff Daddy.
Das sind alles gute Produzenten, aber bis auf Brenk ist auch hier oft das Problem, dass es zu sehr nach Europa klingt. Aber der Beat ist bombe.

Cro
Sunny (2013)
Das ist doch Cro! Ich mag den, der macht super Musik. Wie ich vorhin schon meinte: Es gibt Beats, die nur funktionieren, wenn man darauf rappt. Und das Gesamtprodukt ist hier echt stark.

Illmat!c
Ich & Du (FDS Remix feat. Franziska) (2006)
Der Beat ist von Ice Cube – übertrieben perfekt. (lacht) Das ist doch Kool Savas. Bei dem muss ich immer lachen. Er ist so hysterisch. (lacht) Ganz billig Dipset nachgemacht vom Flow. Nichts gegen Savas, zu »LMS«-Zeiten fand ich ihn hammer. Aber das hier geht schon in die Fremdschamrichtung.

257ers
Lisa (2012)
Cool, sehr cool! Unser Humor hat uns, glaube ich, zusammengebracht. Ich finde die Musik auch geil. Der Song mit denen ist auch etwas, das viele meiner Kumpels nicht verstehen werden. (lacht)

Weekend
Schatz, du Arschloch (2013)
Die Drums sind super. (Rap setzt ein) Aaahh, das ist schon wieder diese deutsche Interpretation. Wie kann ich das denn mal vernünftig erklären? Ich habe immer Angst, die Leute verstehen nicht, was ich damit meine. Wer ist das denn? Klingt sehr Cro-ig.
JUICE: Weekend, auch bei Chimperator.
Nicht meins, aber das ist auf jeden Fall ein guter Titel. (lacht)

Dragonball Z
Du wirst unbesiegbar sein Theme (2001)
Veltins-Werbung! (hört zu) Ah, Dragonball Z! Das war so krass. Ein Kampf ging manchmal über 20 Folgen und ein Schlag dauerte eine Folge! (spielt eine Kampfszene nach) Ich habe alle Teile von Dragonball Z und GT gesehen. Ach, ich habe alles geguckt früher: »Kickers«, »Die Killertomaten«, »Biker Mice From Mars«, »Chipmunks« und »Darkwing Duck«. Zwo, eins, Risiko!

Text: Jan Wehn
Foto: Tobias Hoffmann/PhyreWorX

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