Spotlight: Kommerz Records // Interview

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Bei »Spotlight« stellen wir euch Künstler*innen, Labels und Projekte jeglicher Art vor, die gerade am Anfang stehen oder noch unter dem Radar des Mainstreams stattfinden. Die erste Ausgabe widmet sich Kommerz Records, einem neuen Label aus Berlin, das die Welten von elektronischer Musik und HipHop zusammenbringt. Betrieben wird es von den Brüdern Lukas und Jonathan Nixdorff.

Kommerz Records steht gleich in mehrerer Hinsicht mit der Corona Pandemie in Verbindung, denn die Gründung fällt in eine Zeit, in der gerade die Bereiche House und Techno durch Clubschließungen hart getroffen sind. Im Interview erklärt Jonathan Nixdorff, dass das Label zwar nicht erst wegen der Pandemie gegründet wurde, durch die Einschränkungen aber mehr Zeit für die konkrete Umsetzung blieb: »Die generelle Idee haben wir eigentlich schon seit wir Teenager sind. Aber konkret haben wir Ende des letzten Jahres überlegt, dass wir eine Plattform schaffen wollen, wo wir uns ein wenig austoben können und mehr Freiheiten haben. Durch Corona wurde das krass verschnellert.«

Die musikalische Ausrichtung ist dabei nicht auf ein Genre beschränkt, sondern bleibt offen. »Wir wollten sowohl den elektronischen Background, den wir durch unsere ‚Paper Berlin‘-Partyreihe haben, und den Instrumental HipHop-Bereich einbauen. Wir finden es spannend, die elektronische Base und die HipHop-Base zusammenzubringen, weil das auch die Welten sind, in denen wir uns sonst bewegen. Das macht schon Bock, denn man muss sich nicht verstellen und es kann einfach beides stattfinden.«

Vorerfahrungen bringen die Brüder nicht nur aufgrund der Partyreihe »Paper Berlin«, die die beiden organisiert haben, sondern vor allem aus ihrer früheren Agenturarbeit mit Künstler*innen mit. »Als Agentur haben wir eher im Hintergrund agiert und Management oder Labelservices gemacht. Da war die Aufgabe, Visionen von anderen Leuten umzusetzen. Jetzt wollten wir etwas eigenes starten.«

Eine eigene Plattform bedeutet dabei auch, eigene kreative Ideen zu entwickeln und sie zusammen mit Künstler*innen umzusetzen. Hier ergibt sich der zweite Bezug zur Corona-Pandemie, denn das erste Release trägt den Titel »Kommerz Season 1: Anti​-​Virus« und enthält Tracks, die exakt für Zeiten gedacht sind, in denen Musik eher im eigenen Wohnzimmer als im Club stattfindet. Konkret heißt das, dass mehrere Techno und House-Produzenten für den Klang von sechs Downtempo HipHop-Instrumentals mit Jazz-Anleihen verantwortlich zeichnen. Passend zum Motto gibt es die Vinyl auch mit einer eigens angefertigten Maske zu kaufen.

Die kreative Aufgabenstellung, aber auch die Reflexion, wem man eine Bühne bietet, ist dem Label wichtig: »Wir haben verschiedene Formate. Eins davon ist ‚Kommerz Season‘, von dem jetzt Volume 1 erschienen ist. Bei dieser Reihe wollen wir immer themenorientiert Sachen suchen, zu denen wir Musik kuratieren. Die nächste Ausgabe ist schon in Planung und wird wieder in Richtung Instrumental HipHop gehen. Dieses Mal werden die Artists alle non-male sein, auch weil die erste Platte nur aus weißen Dudes besteht. Gerade wenn wir eine neue Plattform gründen, wollen wir darauf achten, divers zu sein und solche Bereiche zu unterstützen, in denen es noch viel zu tun gibt. Die Reihe ‚Kommerz Season‘ wird aus verschiedenen Richtungen Themen beleuchten, die wir spannend finden.«

Daneben wird es auch klassische Albumreleases geben, die den Katalog von Kommerz Records nach und nach erweitern. Obwohl die ersten Releases alle auf Instrumentalmusik zielen, bleibt die Auswahl von Musik in alle Richtungen offen: »Es hat sich so entwickelt, dass die ersten Sachen instrumental sind, aber das ist nicht die grundsätzliche Idee. Wir haben in diesem Bereich einfach ein Umfeld und auch eine Begeisterung dafür, aber perspektivisch haben wir genauso Bock auf Gesang, Rap oder Bands. Natürlich sollte sich die Musik auf dem Label nachvollziehbar weiterentwickeln, aber hauptsächlich geht es um Musik, die wir geil finden. Wenn ein*e Rapper*in auf uns zukommt und wir das Gefühl haben, mit ihm oder ihr könnte man etwas aufbauen, dann würden wir das auf jeden Fall machen.«

Bleibt noch die Frage, wie sich ein junges Label in wirtschaftlich angespannten Zeiten finanzieren kann. »Wir haben das Label nicht wegen eines finanziellen Gedankens aufgebaut. Es ist nur wichtig, dass es eine Perspektive hat und noch wachsen kann. Wir haben 300 Stück der ersten Platte gepresst und sind erstmal froh darüber, dass ein Interesse da ist und sich Plattenläden melden, die sie ins Programm aufnehmen wollen. Mit so einem kleinen Label wird man erstmal kein großes Geld machen, zumindest nicht am Anfang. Das kann sich ändern, wenn man mal ein Release hat, das einschlägt. Aber bevor wir davon leben können, vergehen bestimmt noch ein paar Jahre. Oder es klappt halt nicht. Dann haben wir immerhin ein Hobby, das sehr viel Spaß macht.«

Kommerz Season 1: Anti​-​Virus ist am 21.08.2020 erschienen. Ihr könnt es bei Bandcamp oder im Plattenladen eures Vertrauens kaufen.

Beitragsbild: Till Wilhelm

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