Vom Jurist zum HipHop-Radiomoderator: Die Geschichte von »say say« // Interview

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Ein Mann fährt allmorgendlich um 5:50 in der aufgehenden Sonnen auf seinem Fahrrad durch die Straßen Hamburgs. Der Mann heißt Frederick Staudacher und ist Radiomoderator bei »say say • soulful hip-hop radio«. Dass es besagten Radiosender vor einem Jahr noch nicht gab, ist eine kleine HipHop-Geschichte. Den Sessel seiner Kanzlei hat der ehemalige Anwalt vor gut einem Jahr getauscht – gegen das Mic seines neuen Radio-Senders. Aus Dr. jur. Frederick Staudacher ist Radiomoderator Freddy geworden. Sein Hamburger Radiosender legt den Fokus auf englischsprachigen HipHop und bietet als einziger Internet-Radiosender eine vierstündige Morningshow. Mit ihm haben wir über seine berufliche 180-Grad-Wende, seinen Bezug zu HipHop und »say say« gesprochen.

Freddy, du warst erfolgreicher Jurist in einer Großkanzlei. Wie sah dein Alltag vor »say say« aus?
In der Kanzlei war alles auf Deals ausgelegt. Ich war im Umfeld von Unternehmen tätig, die große Kredite aufgenommen haben. Dabei habe ich als Anwalt eine beratende Tätigkeit eingenommen. Ich war demnach nicht einmal vor Gericht, habe also nicht das gemacht, was sich die meisten Menschen unter dem Anwalts-Beruf vorstellen. Es war eher ein Berater-Job.

Woher kommt deine Liebe zu HipHop?
Durch meine zwei älteren Brüder bin ich bereits ziemlich früh – in den 80er-Jahren – zu HipHop gekommen. Die beiden haben die Beastie Boys, Run DMC, Public Enemy oder Ice-T gehört, da habe ich viel aufgeschnappt – und irgendwann angefangen, mir die Musik selber zu kaufen. »Yo! Bum Rush the Show« von Public Enemy und »Homebase« von DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince waren meine beiden ersten Platten. Mit 16 habe ich dann hier und da auf Partys aufgelegt, professionell wurde das aber nie. In der Schulzeit war ich zudem zweimal Gast-Moderator bei dem Sender HRXXL gemacht, den es damals in Frankfurt gab. Das war ein ziemlich cooler Sender. Ich bekam dort die Erlaubnis, meine Platten mitzubringen und live zu spielen. Schon damals fand ich die Idee eines HipHop-Radiosender spannend. Ich habe das dann aber zur Seite geschoben und den klassischen Ausbildungsweg gewählt.

»Ich habe keine Lust meinen Kindern irgendwann zu erzählen: ‚Ich wollte eigentlich immer was anderes‘.«

Du bist dann Jurist geworden. Wie passt das mit HipHop zusammen?
(lacht) Die Frage ist, ob du Beruf und Hobby verbinden willst. Ich habe das lange Zeit versucht. Im Studium war mein Schwerpunkt Urheberrecht, also habe in meiner Doktorarbeit über das Kopieren von Musik geschrieben – damals noch ein neues Ding. Ich habe mein Praktikum auch bei einer Plattenfirma gemacht. Der Plan, mit meiner Juristerei in der Musikwelt zu landen, stand. Aber schlussendlich bin ich in der Finanzwelt gelandet.

Vor einem Jahr hast du entschieden, diese Welt für HipHop aufzugeben. Woher kam der Mut?
Mir ging es vor allem darum, etwas zu machen, wo mein Herz liegt – und das war einfach nicht Jura. Der Job hatte spannende Aspekte, war aufregend und vor allem gut bezahlt, aber eben nicht meine Leidenschaft. Irgendwann habe ich verstanden: Wenn ich nicht jetzt das mache, was mich erfüllt, dann nie. Ich habe keine Lust meinen Kindern irgendwann zu erzählen: »Ich wollte eigentlich immer was Anderes«.

»Man kann Radio besser machen, als es derzeit ist«

Dein Radiosender heißt »say say • soulful hip-hop radio« und wirbt damit, dass er HipHop mit Seele spielt. Was bedeutet das für dich?
Unsere Musik ist sehr Soul-Sample-lastig. Nicht ausschließlich, aber vornehmlich. Lil Pump und Migos zum Beispiel finden bei uns weniger statt. Innerhalb der HipHop-Welt sind wir aber von ganz alten Sachen bis zum aktuellen Sound breit aufgestellt. Insgesamt überwiegen aber definitiv die neuen Sachen – über die Hälfte unserer Tracks sind in 2019 rausgekommen. Wir spielen fast ausschließlich englischsprachigen bzw. US-Rap.

Was ist die Mission mit »say say«?
Ich habe den Sender gegründet weil ich gesagt habe: »Es gibt keinen Sender der diese Musik spielt! Und so wie ich derzeit in Deutschland Radio höre – das ist nicht mein Ding!«. Meine Erkenntnis war, dass man Radio besser machen kann als es derzeit ist. Zudem kämpfen wir gegen das Missverständnis des Begriffs »Internetradio« an. Viele hören dieses Wort und denken, das sei kein richtiges Radio – das stimmt nicht. Wir haben ebenfalls eine Morningshow, Nachrichten, Wetterbericht, Beiträge und quasi alles, was man auch von einem »klassischen« Radiosender kennt.

Welche Zukunft prophezeist du dem Medium Radio? Siehst du eine Entwicklung hin zum Internet?
Das Radio hat weiterhin eine Zukunft, das wird es noch sehr lange geben. Schau doch nur mal, wie oft Radio bereits totgesagt wurde und wie stark es sich hingegen behauptet hat. Mit einem Knopfdruck bist du dabei, zudem hast du durch die Moderation eine Begleitung. Ich bin schon immer Fan von Radio gewesen und war entsprechend auch sehr enttäuscht von der Entwicklung des Mediums in den letzten zehn Jahren – nämlich zu reinen Abdudelstationen, wo immer nur der kleinste gemeinsame Nenner gespielt wird. Das versuchen wir mit »say say« anders zu machen.

Text: Lukas Hildebrand
Foto: Eric Anders

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