Samy Deluxe »Ich kenne keine bessere deutsche Rapperin [als Nena].« // Interview

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Genug von Deutschland. Sprechen wir über »Berühmte letzte Worte«, Samys elftes Studioalbum, wenn man den Katalog von Dynamite Deluxe und ASD mitzählt, einen ganzen Stapel Mixtapes aber außer Acht lässt. Es ist ein Album, das eine Mitte wiederzufinden scheint, nachdem in den letzten Jahren die Extremedurchgespielt wurden. Kein autogetunter Herr Sorge, keine großen Popgesten und auch nur vereinzelte Spuren der schnodderigen Freestyle-Ästhetik, die »Männlich« prägte. Dafür Wut, Liebe, Ego und vor allen Dingen: Rap. Sozusagen vom Fan für den Fan.

Samy Deluxe: Ich war erpicht auf ein Album, wie ich es gerne von Nas oder Jay Z hören würde: fette Beats, richtig HipHop, nicht zu experimentell. Mein Lieblingsrapper soll nicht zu viel singen, sondern seine Rapstimme so nutzen, wie ich sie mag. Und er soll was erzählen. Das war der Flash hinter dem Album. Viele Songs, die dem nicht gerecht wurden, die inhaltlich schwach oder zu poppig waren, flogen wieder raus. Das ist auch etwas, das keiner von uns Rappern verleugnen kann: Man hat die Rapwelt als Käuferschaft und will trotzdem immer mit ein, zwei Songs noch mehr Leute erreichen. Dann kann man sich entscheiden, wie real man es keept. Macht man die Poisel- und Bourani-Nummer, gibt ’nen Scheiß drauf, was die Rapper sagen, lässt einen gerade sehr beliebten Popsänger drei Drittel des Songs singen und rappt dann noch das nullte Drittel…(lacht) Nein, aber du weißt, was ich meine. Ein gesungener Song, auf dem du ein bisschen rappst, das ist die Single. Oder du machst es, wie’s ist, und hast eben keinen Erfolg. Eine garantierte Radiosingle habe ich nicht. »Haus am Meer« ist die einzige, die wir ans Radio bemustern, »Klopapier« und »Mimimi« können wir uns sparen. Das habe ich bewusst so gemacht. Bei »Männlich« waren die Single-Entscheidungen nicht meine. Universal hat mir nichts aufgezwungen, die meinten nur: »Mach doch lieber das« und ich dachte, okay, dann mache ich eben das. Die sind ja Marktführer und werden schon wissen, was sie tun. Das war mein erstes Album mit denen, und von meinen letzten paar Alben war es das gefloppteste. Nach zwei Videos habe ich die Kampagne eigentlich aufgegeben. Diesmal wollte ich wieder mein Ding durchsetzen, weil ich wusste, dass ich durch dieses TV-Ding die breite Masse eh schon habe. Aus HipHop-Sicht habe ich also etwas Positives daraus gemacht.

Dieses »TV-Ding« mag tatsächlich wie eine kleine Anomalie in einer Zeit wirken, in der Samy Deluxe keinen gesteigerten Wert auf Mainstream-Prominenz, Talkshows und Hitsingles legt. Für die dritte Staffel der VOX-Reihe »Sing meinen Song« spielt sich Samy musikalische Stichworte mit Xavier Naidoo, dem kölschen Altrocker Wolfgang Niedecken, Annett Louisan und Nena zu – das Pop-Yin zum Rap-Yang von »Berühmte letzte Worte«?

Samy Deluxe: Was in der Show von mir gecovert wurde, war echt ’ne große Bandbreite. Da macht einer »Weck mich auf«, dann singt aber Wolfgang Niedecken »Bis die Sonne rauskommt« und lässt das genau so, wie ich’s gemacht habe. Er hat mir sogar die Ehre erwiesen, zum ersten Mal hochdeutsch zu singen. Nena rappt »Fantasie«, einen unglaublich komplexen Song, den sie richtig krass performt. Ich kenne keine bessere deutsche Rapperin. Der Sprung von »99 Luftballons« zu »Fantasie« ist schon sehr weit, aber sie ist eben ’ne krasse Alte, die sich gerne ’ne Challenge gibt. Ich habe die Sendung zuerst abgesagt, dann aber doch zugesagt, weil mir in den letzten Jahren keine andere Plattform geboten wurde, um die Bandbreite meines Könnens so gut zu präsentieren und zu erklären, warum ich was an welchem Punkt meiner Karriere gemacht habe. Das hat für mich gegenüber dem Nachteil des vielleicht-wieder-mehr-Promi-Seins überwogen.

Mit Bazzazzian liefert ein Produzent außerhalb des Kunstwerkstadt-Kollektivs den Löwenanteil der Musik auf »Berühmte letzte Worte«. Das hätte man nicht unbedingt erwartet.
Von den 14 Songs sind sechs richtige BennyBeats. Da habe ich nur noch Instrumente gesammelt, DJ Rocky hat die Talkbox am Ende von »Papa weint nicht« gespielt. Und sechs Songs sind ursprünglich Kunstwerkstadt-Produktionen, die Benny ausproduziert hat. Die beiden Skits sind von mir, zwei Dinger kommen noch von Farhot. Ich wollte mal wieder mehr Rapper sein und in erster Linie die Textebene füllen. Benny war der Produzent, aber ganz stark auch A&R. Wenn ich ihm was geschickt habe und er nicht sofort euphorisch zurückgeschrieben hat, habe ich gemerkt: Das ist es noch nicht. Benny hatte viel Einfluss, Vito auch, der hat mich zum Beispiel daran erinnert, dass es »Klopapier« gibt – also den Song. (lacht) Ich habe schon mit vielen geilen Leuten gearbeitet, aber Benny ist ein krasser Arranger, ein krasser Producer und auch ein krasser Reducer. Der ist so stilsicher! Unsere Roughmixe klangen besser als jedes Deutschrap-Album. Deswegen der letzte Satz in den Credits: »Bazzazzian ist der beste Produzent der Welt.«

Die Kunstwerkstadt ist aber nicht untätig und geht mit Releases von Bengio und Appletree endgültig den Schritt vom Kreativcamp zum Label, der eigentlich nie vorgesehen war. Wieso?
Man muss mit dem Flow gehen. Ich stehe immer noch dazu, dass ich kein Raplabel mit typischen Rappern mit riesengroßen Egos möchte, die am Anfang ihrer Karriere meist noch ziemlich unreflektiert sind. Ich liebe es, mit Rappern Sachen zu machen, aber ich will nicht für sie verantwortlich sein. Ich habe es damals mit allen gut gemeint und ich glaube, ich könnte mit zwei von den neun Leuten, die bei Deluxe Records gesignt waren, heute noch reden. Ein paar sind sauer, ohne dass ich mir irgendwas Schlimmes vorzuwerfen hätte, außer dass ich unglaublich viel Geld von meinen verkauften Mixtapes in deren nicht so gut laufende Platten gesteckt habe. Das ist einfach schade.

Während du die nächste Generation in Stellung bringst, ziehst du »Karriere-Resümee« und sagst: »Die Zeit läuft ab.« Müssen wir uns jetzt verabschieden?
Je nachdem, ne (schmunzelt) In der Theorie wollen das doch alle von mir. Wenn’s nicht klappt, kann ich wirklich aufhören zu rappen, ich kann’s eh nicht allen recht machen. Und wenn’s durch die Decke geht, dann bin ich so reich, dass ich nicht mehr rappen muss. Aber seit ich das Album abgegeben habe, habe ich bereits zwei neue Albumkonzepte, an denen ich arbeite. Ich habe zu viele Ideen, um direkt aufzuhören. Es ist auf keinen Fall der Jigga-Move mit Karriere beenden und zurückkommen. Ich dachte: Wenn es die letzten Worte wären, wie sollte sich das anhören? Das allein war der Flash.

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