Samy Deluxe »Ich kenne keine bessere deutsche Rapperin [als Nena].« // Interview

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samy deluxe
»Warum Promi sein? Ich war happy als Underground-Rapper«, erinnert sich Samy Deluxe. Dabei ist seine Karriere kein Entweder-Oder. Jede anprobierte Persona und jede in Musik umgesetzte Laune erweitert nur sein Repertoire. Der »One Take Wonder«-Samy von 2016 steht in einer Traditionslinie mit dem 19-jährigen Eimsbusher Freestyle-Monster. Der mal optimistisch, mal bitterböse über sein Verhältnis zu Land und Leuten referierende Samy ist seit »Weck mich auf« Deutschrap-Inventar. Und selbst der Paradiesvogel Herr Sorge, so scherzt Samy heute, bleibt zumindest als Drohung in der Hinterhand – wenn nicht mit Rap, dann vielleicht doch wieder mit Autotune. »Berühmte letzte Worte« könnte jetzt alle Samys vereinen, den Talkshow-Gast, die Sechzehner-Geheimwaffe, den Vater und den, nun ja, aufgebrachten Bürger. Beginnen wir mit Letzterem.

Du bist gerade ein bisschen abgefuckt von Deutschland, kann das sein?
(lacht leise) Ich bin vor ein paar Tagen aus Afrika zurückgekommen und hatte direkt am Flughafen einen krassen Deutschland-Clash: In einem engen Gang von einem Gate zum anderen kommen mir zwei Bullen entgegen, die ja heutzutage auf deutschen Flughäfen so richtig charmant Riesenmaschinengewehre tragen. Und wäre ich nicht ausgewichen, hätten die mich einfach umgerannt. Der Typ hat nicht mal was gesagt, sondern nur gegrunzt und mit seinem hässlichen Kopf genickt: Welcome back to Germany. An der Passkontrolle wiederum war neben mir ein muslimisches Paar, die Frau mit Burka, und ein richtig hart respektloser Bulle meinte nur: »Sie soll das Ding hochnehmen!« Ich kam aber gerade aus Südafrika, wo ich auch eine andere Perspektive hatte – dagegen war Deutschland für mich ein Traum. Wenn ich in Kapstadt essen gehe, bin ich der einzige dunkelhäutige Mensch im Restaurant. Die anderen Schwarzen sind alle Bedienstete. Das ist schon krass.

Deine Stimmung Deutschland gegenüber ist aber nicht erst in den letzten Tagen gekippt.
Der Song »Klopapier« vom neuen Album, ein zynischer Kommentar auf Deutschlands Selbstzufriedenheit als vermeintliches Vorbild in der Flüchtlingskrise, ist bereits zwei Jahre alt. »Mimimi« [der Titel steht für »Mitbürger mit Migrationshintergrund«; Anm. d. Verf.] wiederum ist aus dem letzten Jahr und reflektiert meine Geschichte als Einwandererkind: auf Englisch angesprochen werden, danach gefragt werden, wo ich herkomme – das alles. Die Songs sind beide älter als das Deutschland, über das wir heute reden. Denn Deutschland hat sich verändert.

Bist du in Deutschland nicht eher Promi als »Mimimi«?
Promimimi. (lacht) Klar, das hat geholfen. Als ich drei Jahre lang ein Einfamilienhaus in Sasel hatte, einer spießigen Gegend, war ich der Rapper in der Straße, nicht der Schwarze in der Straße. Aber es ändert nichts an der Situation. Gerade standen wir hier draußen zum Smoken [im Innenhof eines Hamburger Designhotels; Anm. d. Verf.] und eine Frau fing sofort an, mit Vito und mir Englisch zu reden. Ich dachte zuerst, dass sie Ami ist: »What’cha smokin’ there?« Ich wollte ihr gerade was anbieten und habe etwas auf Deutsch zu Vito gesagt, da fing sie an: »So geht das ja nicht, ich muss jetzt hier die Tür zumachen!« Das ist nicht nur paranoider Scheiß, der mir mal mit 14 passiert ist. Ich werde jeden Tag damit konfrontiert.

 

In einem taz-Interview hast du einmal gesagt: »Seit meinem Statement, dass Deutschland gar nicht so schlimm sei, merke ich oft, dass viele Sachen hier falsch laufen. Pauschal zu sagen, Deutschland ist scheiße, das kann ich aber nicht.« Jetzt hast du schwarzrotgoldenes Klopapier.
Ich finde es nicht wichtig, sich als Künstler die ganze Zeit treu zu bleiben, indem man immer zu einem Statement steht und das über die Jahre nur verifiziert. Für mich ist viel authentischer, wie es auch in einer Beziehung läuft: Manchmal liebe ich dich, manchmal hasse ich dich. Wenn ich irgendwann bei »Die Auswanderer« mitmache, wird relativ klar sein, wie ich wirklich zu Deutschland stehe. Aber ich setze mich ja dem Konflikt aus. Nachdem ich meinen Verein [DeluxeKidz; Anm. d. Verf.] gegründet und sehr aktiv Jugendarbeit betrieben habe, hatte ich das Gefühl, die Leute kennen mich eher als Deutschlands hipsten Sozialarbeiterdenn als Rapper. Ich habe so viel Backlash gekriegt für das, was ich am positivsten gemeint hab. Als ich »Weck mich auf« geschrieben habe, dachte ich noch nicht, dass ich damit etwas bewegen werde. Ich mag einfach diese Art Musik zu machen, sehe das aber nicht politisch. Erst »Dis wo ich herkomm« war wirklich politisch und hatte den Ansatz, etwas zu ändern. Und dann hatte ich die Antifa vor meinen Shows. Da habe ich auch ein bisschen Liebe verloren. Wieso soll man Leuten helfen, die keine Hilfe wollen?

Anstatt über Zusammenhalt und Positivität und »Wir schaffen das« zu sprechen, denkst du jetzt laut über brennende Autos im Regierungsviertel nach.
Obwohl »Klopapier« soundmäßig wahrscheinlich der wütendste Song auf dem Album ist, ist es für mich so eine Tourette-Syndrom-Satire. Ich hab am Ende noch meinen Beats-by-Dre-300-Euro-Kopfhörer hingeschmissen, was jetzt supertoll klingt, aber der Kopfhörer ist natürlich kaputt, das darf man mit den Dingern nicht machen. Ich sehe derbe viel Humor darin, das ist überhaupt nicht so verbittert. Du kannst ja auch nicht mutmaßen, dass jemand, der ein dunkles Bild malt, den Sonnenschein nicht zu schätzen weiß. Ich glaube, durch das Gesamtbild meiner Karriere schon Hoffnung zu vermitteln, da muss nicht jedes Wort für sich stehen. Wenn man sich wirklich mit mir auseinandersetzt, meine Interviews hört und liest, merkt man, dass ich nicht resigniert habe. Aber die Texte auf dem Album sind sehr von der Musik diktiert. Ich schreibe nicht Poesie in mein Büchlein, sondern Texte über Beats, und die Texte wollen den Beats gerecht werden. Die spiegeln meine Meinung schon wider, aber man kann ja differenzieren. Bei den brennenden Autos vorm Parlamentsage ich nicht »Mach das!«, sondern dass ich am 1. Mai auf St. Pauli Autos brennen sehe, vor den Häusern von türkischen Gemüsehändlern und Leuten, die sich das alles erarbeitet haben. Das wird dann von Leuten zerstört, die denken, sie tun etwas gegen das Establishment. Aber eigentlich schaden sie dem kleinen Mann.

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