Seitdem sich Run The Jewels in Marvel-Monster mit Blade-Runner-Ästhetik verwandelten und ein eigenes Comic spendiert bekamen, ist die Bucketlist des Odd Couple – Def-Jux-Dekonstrukteur trifft auf ATLien-Adel – vervollständigt. Die Türen, die nun offen stehen, rennen Jamie und Mike mit dem dritten Teil endgültig ein. Parallel zu den äußeren Bedingungen und Bösewichten, wirkt die Antiheldensaga mit jedem Sequel bombastischer und bedrohlicher, die Mittel und Sprache direkter: »No more arms in the air/We put firearms in the air/Molotov cocktails thrown in the air.« Bewaffnet und ready. Die Revolution ist real. El-P und Killer Mike töten ihre Master nicht nur, sie besitzen sie auch. Zu Weihnachten verschenkten sie »RTJ 3« im Voraus und rollten drei Wochen später trotzdem mit dem progressiven Panzer in die Top 15 ein. Die zwei Indie-Intellektuellen fahren mit ihrem Geschäftsmodell goldrichtig: Mit limitierten Vinylauflagen, aberwitzigem Merchandise und einer ausverkauften, zweimonatigen Welttournee, rangieren sie in der oberen Pop-Mittelschicht und strahlen von hippen Magazincovern. Das Feuilleton ahnt längst die Hochkultur, spannt den bitter benötigten Politrap-Karren auf und lässt die beiden ziehen. Die Workaholics sind weniger zynisch als K.I.Z, trotzdem wird auch hier die Katastrophe zum Künstlermodell: »Hurra, die Welt geht immer noch unter!« Killer Mike und El-P gehören zum radikalsten, was die US-Zivilgesellschaft, vor allem aber der Pop, im Kampf gegen Trump anzubieten hat. Was man dabei gerne vergisst: Jamie und Mike sind nicht nur politisierte Aushängeschilder und routiniert kiffende Ehrenmänner über vierzig, sondern vor allem grandiose Rapmusiker. El-Producto legt seinen düster verzerrten E-Gitarren-Teppich aus, lässt Synthies übersteuern, Sirenen aufheulen und hat als Rapper zu Mike deutlich aufgeholt. Run The Jewels sind zu einem eingespielten Team aus Punchline-Biest und Side-Kick erwachsen, in dem jederzeit die Rollen gewechselt werden. Dungeon-Family-Diva Joi, der rehabilitierte Druffi Danny Brown und, wieder, Zack de la Rocha, der Posterboy aller Globalisierungsgegner, schließen sich dem Aufstand an. »Run The Jewels 3« ist ein Manifest. Der konsequenteste und expliziteste Teil der (bis dato) Trilogie, die zu einer der stärksten Erzählungen der Genre-Geschichte anwächst.
(Run The Jewels, Inc.)
Vorheriger ArtikelSoufian – Allé Allé // Review
Nächster ArtikelSam – Kleinstadtkids // Review
grim104 – Imperium // Review
»Imperium« ist eine große Reflektion über Veränderung und Vergänglichkeit aus der Perspektive einer Person, die sich selbst kaum kennt.
Kendrick Lamar – Mr. Morale & The Big Steppers // Review
Kein Erlöser, sondern nur ein fehlerbehafteter Mensch. Kendrick Lamar hat sein letztes Album bei TDE veröffentlicht.
Haiyti – Mieses Leben // Review
Haiyti dropt ihr Album »Mieses Leben« als Überraschung und stellt den Rest der Szene mit ihrem Output in den Schatten.
Disarstar – Deutscher Oktober // Review
Disarstar spricht auf »Deutscher Oktober« ohne sichtbaren Hang zur Selbstverstellung. Politischer Deutschrap war selten so ehrlich und gut.