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RIP Sylvia Robinson

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Ende der siebziger Jahre gründete Sylvia Robinson das einflussreiche Label Sugar Hill Records und stellte grundlegende Weichen für das Genre HipHop. Zu einer Zeit, als ein Großteil Amerikas die junge Subkultur noch als kurzweiligen Trend abtat. Sylvia Robinson ist verantwortlich für Sugarhill Gangs »Rapper’s Delight« und mitbeteiligt an Grandmaster Flash & The Furious Fives »The Message« – zwei der wichtigsten Songs in den Gründerjahren des Genres. Sylvia Robinson war HipHops erste Geschäftsfrau. Sie ist gestern im Alter von 75 Jahren in einem Krankenhaus in New Jersey gestorben.

Sylvia Vanderpool Robinson hatte selbst eine Karriere als Musikerin. Als Duo Mickey & Sylvia feierte sie 1957 mit »Love Is Strange« (geschrieben von Bo Diddley) einen großen Hit. 1973 belegte sie mit »Pillow Talk« – einem für Al Green getexteten Song – Platz eins der Charts. Bereits fünf Jahre zuvor gründete sie mit ihrem Mann Joe Robinson All Platinum Records. Eine reine Künstlerin wollte sie nie sein. Sylvia Robinson war eine Business-Frau. Auch wenn das Business es nicht immer gut mit ihr meinte. Rückblickend könnte man auch sagen, dass es vielleicht andersherum war.

Mitte der Siebziger lag Sylvias Karriere brach. Auch das Geschäft lief mehr schlecht als recht. Doch in den Straßen New Yorks machte ein Musikphänomen die Runde, das sich, aus den Armenvierteln des Big Apples kommend, gegen den omnipräsenten Disco-Trend platzierte. Die Robinsons waren pleite und suchten verzweifelt nach einem Weg, daran etwas zu ändern. Sylvia Robinson sah das Potential und hatte in den All Platinum Studios die besten Voraussetzungen, musikalisch neue Wege zu gehen. Es mussten nur diese HipHopper her.

Keine leichte Aufgabe. Die Robinsons waren als strenge Chefs und eiskaltes Business-Paar bekannt, die ihre Künstler nicht wie Stars, sondern eher wie Arbeitstiere behandelten. Dennoch gelang es ihnen eine Truppe zusammenzustellen, die der unwissenden Außenwelt die Geschichte mit dem Sprechgesang auf simpler musikalischer Untermalung erklärte: »Now what you hear is not a test/I’m rapping to the beat. And me, the crew, and my friends are gonna try to move your feet.« Man nahm mit der Sugar Hill Gang den Song »Rapper’s Delight« auf. Über die erste Rap-Radioshow der Welt – »Mr. Magic’s Disco Showcase« – verbreitete sich der Song wie ein Lauffeuer und bald standen Joe und Sylvia einer Nachfrage von 50.000 Records pro Tag gegenüber. »Rapper’s Delight« wurde 1979 zur bis dato meistverkauften 12″-Single aller Zeiten. In Deutschland stieg der Song bis auf Platz 4 der Charts. Die Geldsorgen der Robinsons waren vergessen und das junge Genre nicht nur der coolste, sondern auch lukrativste Scheiß überhaupt. Alle wollten Rap hören. Und Sugarhill Records war – etwa mit The Sequence, Grandmaster Flash & The Furious Five, Funky Four Plus One, etc. – das einzige Label mit einem ausschließlich mit Rap-Acts besetzten Roster. Die Hartnäckigkeit von Sylvia und Joe zahlte sich aus. Sugarhill Records wurde zu einem der größten Independent-Labels der USA.

Sylvia war dabei nicht zuständig für die Bücher, sondern brachte sich direkt in den kreativen Prozess ein. Sie war der Typus A&R, wie er von Künstlern gehasst wird: Sie schrieb mit an den Songs, brachte Musiker ins Studio, um ihnen zu erzählen, wie und was sie zu spielen hatten und sagte den Rappern, wann sie einsetzen sollten. So tauchte sie als Produzentin und Texterin in den Credits auf – oft als alleinige, was die Stimmung der Künstler nicht sonderlich hob. Dennoch war Sugarhill Records über die Zeit von fünf Jahren ein echtes Powerhouse. Auch weil sie Grandmaster Flash & The Furious Fives »The Message« an die Spitze der Charts brachten und mit ihren unkonventionellen Business-Moves die Szene anführten. Doch irgendwann rebellierten die Künstler gegen den Umstand, dass die Familie Robinson den Großteil der Einnahmen nicht den Künstlern den Großteil der Einnahmen zukommen ließ, sondern sich in die eigene Tasche steckte. Auch, weil es etwa mit Enjoy oder Tommy Boy mittlerweile echte Alternativen gab.

Im Jahr 1984 wurde der Einfluss von Sugar Hill Records von den Erfolgen einer neuen Label-Generation von kleinen Unternehmen geschmälert. Die Ära Sugar Hill neigte sich dem Ende zu. Die Gründe waren vielschichtig. In erster Linie lag es wohl an der strikten und selbstbewussten Ablehnungshaltung Sylvia Robinsons gegenüber neuer Geschäftspartner und dem Unvermögen, nicht nur einen Wandel im Genre zu sehen, sondern ihn auch mitzumachen. Die Episode, als Sylvia Robinson das Angebot eines blutjungen Spike Lee ablehnte, der ihr kostenlos mit dem genauso jungen Schauspieler Laurence Fishburne ein Video für Melle Mels »White Lines« drehen wollte, spricht Bände. Sugar Hill Records – und damit einmal mehr Sylvia und Joe Robinson – waren pleite. HipHop machte sich auf von der Old in die New School und Sugar Hill war nur noch eine Episode, die man im hyperkommerzialisierten Genre schnell vergessen konnte.

Sylvia Robinsons Biografie hat etlichen Vertretern des Genres einiges vorweg genommen: die durch und durch strebsame Hartnäckigkeit, den Hustle, den überbordenden Erfolg, den tiefen Fall. Und die Erkenntnis, dass die frühen Motoren einer Subkultur nach ihren Taten oft ein vergessenes und vor allem armes Dasein fristen. Hätte Sylvia Robinson in einer anderen Zeit gelebt, hätte sie vielleicht in Reality Shows werbewirksam und irgendwie doch sympathisch-arrogant nach Praktikanten gesucht, mit der richtig großen Industrie Deals über Vitaminwasser, Turnschuhe oder Kopfhörer abgeschlossen und wöchentlich mit Obama und Oprah telefoniert. Sie wäre ein echter Boss gewesen. Kein Businesswoman, sondern ein Business, woman! Was Sylvia Robinson für HipHop geleistet hat, wiegt weit mehr als das Bild, das von ihr existiert. Ohne Sylvia Robinson wäre HipHop heute nicht hier, wo HipHop heute ist. Rest in peace.

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