Du scheinst dir Gedanken über Sound zu machen.
Ich habe auch bei jedem einzelnen Song auf »Eros« an der Produktion mitgewirkt – vom Beat bis zum Mix war ich immer dabei. Bei »Doverstreet« war das zum Beispiel ein ewiges Hin und Her, weil ich mit dem Mix unzufrieden war. Am Ende waren wir bei vierzig Versionen, bis der Song fertig war.
Neben dem Rappen hast du dich also auch mit dem Produzieren beschäftigt?
Ja, ich wollte mir ein musikalisches Know-how aneignen, um selbstständig zu arbeiten. Ich habe gelernt, Piano zu spielen, um Tonlagen zu erkennen und mein Autotune richtig einzustellen. Der erste Produzent, mit dem ich nach dem Soundcloud-Generde richtig gearbeitet habe, war Lex Lugner. Und mit dem habe ich neben Minhtendo den anderen großen Teil von »Eros« produziert.
Ich würde behaupten, »Eros« ist das erste Deutschrap-Album mit einem richtig guten House-Beat: »Sag mir wenn du high bist«.
Dankeschön. Der ist von Alexis Troy, ein unfassbar musikalischer Produzent. Ohne arrogant zu sein, aber: Ich habe Minhtendo, Lex Lugner und OZ an meiner Seite – für das, was ich mache, kann ich mir keine Krasseren vorstellen. Doch mit Alexis komme ich noch mal auf ganz andere Dinger. Mit dem kann ich stupid shit machen. Nicht im Sinne von gechoppten, heruntergepitchten Samples, aber wir testen einfach geile musikalische Sachen aus. Lex Lugner ist dagegen eher für die Oldschool-Influence zu haben, der ist ja auch riesiger Dungeon-Family-Fan. Und er ist einer der letzten Produzenten, die analog Drums machen. Der sitzt da mit seiner AKAI S900 und sampelt sich den Arsch weg. Bei »Blackout« hört man das: Im Grunde sind das Trap-Drums, nur mit viel mehr Drive als der totkomprimierte Kram aus Sample-Packs. Ich bin eh riesiger Analog-Fan: Ich liebe analoge Kompression und analoges Mixing. Diese Liebe für den Sound findet man immer seltener. Das deutsche Mixing ist oft so überblasen. Die wenigsten setzen sich überhaupt damit auseinander. Ich habe Rapper kennengelernt, die einen Mix am Handy abhören und sagen: »Ist cool, noch bisschen lauter.«
»’To Pimp A Butterfly‘ war der Tolstoi der Rapalben, so übles Kunstgewurstel, das mir nicht verständlich ist.«
Noch mal zu »Sag mir wenn du high bist«: Der Beat-Wechsel erinnert mich an »Life of Pablo«.
Echt? Wahrscheinlich, weil es Kanye mit den abrupten Switches auf dem Album komplett übertrieben hat. Deswegen hat mir das Album übrigens nicht so gefallen. Ich bin kein Fan von diesem Über-Verkünsteln. Es soll besonders revolutionär wirken – in dem Moment geht für mich aber das Organische verloren. Ich finde auch »To Pimp A Butterfly« unhörbar. »Good Kid, m.A.A.d City« war ein unfassbar nahbares Album, das du tausend Jahre am Stück hören kannst. »To Pimp A Butterfly« war der Tolstoi der Rapalben, so übles Kunstgewurstel, das mir nicht verständlich ist. Dafür musst du alleine in deinem Holzstuhl sitzen, mit super teuren Sennheiser-Kopfhörern, die Musikjournalistenplatte einlegen und dann heißt es: »Oh, ja, krass. Uhh, die Geige!« Aber eingängige, simple und trotzdem deepe Songs – das sind für mich Meisterwerke! »DAMN.« fand ich dahingehend wieder viel besser.
Auf »Sag mir wenn du high bist« und auch an anderer Stelle gibt es ein paar Sex-Lines wie »Ich benutze kein Kondom, denn ich liebe dich«, die für mich an die Schamgrenze gehen.
Echt? Ich kann mir vorstellen, was du meinst. Aber ich würde auch nicht explizit so was rappen wie: »Ich steck dir mein Ding rein.« In diesem Fall hat das für mich den House-Vibe eingefangen. Vielleicht ist es dir unangenehm, weil du weißt, dass das, was ich sage, echt ist. Wenn du das einen Proll-Rapper sagen hörst, ignorierst du das wohl eher.
Wenn du mit deiner Musik so viele Emotionen preisgibst: Ist dir das nie unangenehm?
Nein, ich denke darüber gar nicht nach. Was ich mache, ist immer roh. Wenn ich das Gesagte in dem Moment gefühlt habe, ist mir egal, was das ist. Klar, auf der Bühne ist das noch mal eine andere Situation als im Studio, aber wenn die Tracks ehrlich sind, kann ich auch dahinterstehen.
Apropos Bühne: Wie hast du deinen splash!-Auftritt erlebt?
Unfassbar. Da standen wirklich 20.000 Menschen oder so. Ich konnte das Ende der Menge gar nicht sehen. So viel Publikum und so viel Liebe. Ich habe zwar draufgezahlt mit dem Licht und so, aber das war es mir wert. Ich wollte, dass die Leute mit dem gleichen Gefühl nach Hause gehen wie ich bei einem Travis-Scott-Auftritt. Und ich hoffe, das war das Signal, dass ich im nächsten Jahr auf der Mainstage spiele. (lächelt)
»Es geht da nicht mehr um Rap. Es geht um Gefühle – zwanzigtausend Menschen in Ekstase.«
Musstest du danach über Playback diskutieren?
Nein. Wenn, dann würde man mir vielleicht nachsagen, dass ich mich hinter dem Playback verstecke, aber für mich ist das hundert Mal echter als irgendein Spast, der meint, perfekt live zu rappen und den krassesten Backup-Rapper zu haben. Das ist für mich das eigentliche Verstecken: Nicht zu wissen, wie man die Leute zum Tanzen bringt und echte Gefühle zu haben – stattdessen hat man alles sauber gerappt und wurde richtig gedoublet. Cool, dass fünf Spasten mit Rucksack in der ersten Reihe standen und dachten, das war krass! Ich fand es bei dieser Art von Musik schon immer geiler, wenn noch Vocals laufen. Warum also alles live rappen? Die tanzen doch alle und haben Spaß. Es geht da nicht mehr um Rap. Es geht um Gefühle – zwanzigtausend Menschen in Ekstase.
Du wohnst noch immer in Bietigheim. Hast du nie überlegt, mal in eine größere Stadt zu ziehen?
Nein, keine Sekunde. Diese Stadt ist alles, was ich bin: Meine Kneipe, meine Freunde, meine Liebe, meine Geschichte. Ich feiere Tattoos überhaupt nicht, aber würde ich mir eins stechen lassen, dann wäre es »Bietigheim-Bissingen«.
Shindy, Bausa, Caz, du – eine ganz gute Rapper-Quote für eine Stadt mit gerade mal 40.000 Menschen. Was machen die dort mit euch?
Es gab niemanden, der auf uns geschaut hat. Es gab keine Szene. In einer Stadt wie Berlin machst du vielleicht eine halbgare Sache und zwanzig Leute lutschen dir den Schwanz. Dann verlierst du dich in Partys und Blabla. Wenn du bei uns Dinge machst, bekommst du kein Schulterklopfen. Wenn ich was gemacht habe, dann nicht, weil ich irgendwo dazugehören wollte. Ich habe auch Klamotten gesammelt, bevor ich jemanden kannte, der das macht.
Wann hast du angefangen, für Klamotten viel Geld auszugeben?
So vor sieben Jahren. Ich habe sehr früh angefangen, im Internet zu hustlen. Wenn du klug bist, leihst du dir Geld, damit du das gleiche Teil viermal kaufen kannst. Dann verkaufst du drei und hast noch ein bisschen Gewinn. So häufst du Kapital an, das du wieder investierst. Wenn du kein Geld hast, musst du halt neun Stunden am Tag im Internet verbringen. Früher habe ich keinen Job bekommen wegen meines Aussehens. Ich konnte nicht in nem coolen Hipsterladen arbeiten, für die Leute war ich ein Freak. Aber das hat mich nicht gejuckt. Und das ist der Schlüssel, der Leute aus Bietigheim so einzigartig macht: Man musste für das kämpfen, was man wollte. Man könnte denken, dass ich der übelste Berliner bin, der nur auf Fashionpartys hängt. Aber ich chille einfach nur in meiner Kneipe. ◘
Foto: Vitali Gelwich
Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #182 – hier versandkostenfrei bestellen.