Wenn man Musik von Audio88 hört, fühlt man sich irgendwie an die Szene im Film »American Beauty« erinnert, als der intelligente Außenseiterjunge gefragt wird, warum er einen toten Vogel filmt und darauf antwortet: »Weil er schön ist.« Wenn man selbst Audio88 wäre, könnte man ein grandioses Lied darüber schreiben, das die Frage klärt, ob Audio88 in diesem schiefen Bild wohl eher der intelligente Außenseiterjunge oder der tote Vogel ist. Um auf den Punkt zu kommen: Auf »Der letzte Idiot« kennt Sperrigkeit keine Grenzen, und Audio88 sprengt sie alle. Aber was ist denn nun eigentlich auf »Der letzte Idiot« zu hören? Im schönen JUICE-Interview erklärt Audio88, dass er Battlerap mache, und das stimmt zweifellos. Das Beeindruckende jedoch ist, dass er dabei kampflos als Sieger vom Feld geht. Denn Audio88 führt auf seinen Tracks keine verbalen Direktangriffe aus, seine Punchlines erwachsen aus gewöhnlichen Alltagsbeobachtungen – und deren gesellschaftskritische Trefferquote liegt bei nahezu hundert Prozent. Wie sagt er doch im Song »Schicksalsschlaegereien« selbst so schön: »Die Wahrheit kann keinen beleidigen, nur bloßstellen.« Und so keept Audio88 es einmal mehr real und packt Wahrheit um Wahrheit in seine hochintelligenten Nicht-Reime, die – gespickt mit den üblichen Zutaten aus sackschwerem Sarkasmus, Ironie und weltraumschwarzem Humor – durchaus das Potenzial hätten, im Musik-, Kultur- oder sozialwissenschaftlichen Kontext an Universitäten näher beleuchtet zu werden. Macht aber keiner. Die wunderbar krepeligen Rumpelbeats von Yannic sowie die rambomesserscharfen Cuts von Breaque tun ihr übriges, um denjenigen zum letzten Idioten zu machen, der sich »Der letzte Idiot« als letzter besorgt. Wobei derjenige, der sich »Der letzte Idiot« besorgt, per se eigentlich kein Idiot sein kann. Oder doch? Muss man mal Audio88 fragen. Eventuell kann er zu dem Thema sogar mal ein Lied machen kann. Für »Normaler Samt« vielleicht.
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