»Ich hasse es, wenn Leute in ihrer Musik und dann auch noch in ­Interviews nur über sich reden« // Prinz Pi im Interview

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Kreuzberg, Graefe-Kiez. Ein Mann auf der Straße verkauft ­schreiend Teigtaschen. Bei Burger und Bier gibt es eine Menge zu erzählen: Über das Scheitern von »Neopunk« und des Major-Deals bei Universal, reichlich Fanschelte inklusive. Über die ­Trennung von No Peanuts. Über Depressionen, über Vaterfreuden und, nicht zuletzt, über Barbara Schöneberger. Prinz Pi ist wieder bei sich angekommen. Der Vorhang zur »Teenage Mutant Horror Show II« wird gelüftet.

Es gibt einen Song auf deinem neuen Album, da heißt es: »Ich habe einen Fehler gemacht, vielleicht hätte ihn jeder gemacht, doch ein Fehler bleibt ein Fehler, bleibt ein Fehler…«
Das ist halt der Song, in dem ich das letzte Album verarbeite, beziehungsweise den Umstand, dass wir es beim Major rausgebracht haben. In der ­Vergangenheit war es so, dass ich immer richtig viel Glück hatte. Ich habe nur positive Resonanzen auf meine Alben bekommen. Es gab kein Album, das die Leute gespalten hätte.

Damit wären wir bei »Neopunk« und Universal.
Allerdings. Ich erkläre mir dass durch die Verbindung von einem ungewohnten Sound und dem Deal mit Universal. Das ist vielen Leuten sauer aufgestoßen. Aber ich hatte meine Gründe. Als langjähriger Untergrundkünstler hatte ich geglaubt, dass ich mit einem Major an meiner Seite einfach mehr machen könnte. Ich dachte mir: Nur dieses eine Mal, lass es doch einfach probieren. Außerdem waren meine Partner bei Universal nicht diese Major-Idioten, wie man sie sich immer vorstellt. Die hatten Bock, ­waren begeistert und teilten meine Ideen.

Stand 2009: Universal hat dich gedroppt.
Ja, die haben uns rausgeschmissen. Das ist aber auch okay. Wir reden hier ja nicht von engen Freunden, die einen aus der WG werfen, sondern von Geschäftspartnern, die halt keine Miesen machen wollen und können.

Das letzte Mal, als wir miteinander gesprochen haben, warst du noch ganz froh über deine neue Mannschaft namens Universal. Woran hat es denn gehakt?
Die Mannschaft allein war es sicherlich nicht. Für »Neopunk« habe ich mir richtig viel ausgedacht: Artwork, Ausstellung, »Tourette«-Tour, das Video »Schädelficken«, die Affen. Diese Tools haben wir dann nach und nach aus unserer Wundertüte rausgeholt. Die Fans haben sich darüber aber nicht gefreut, sondern haben sich jedes Mal an den Kopf gefasst. Ich glaube, sie waren angepisst, weil ich sie nicht an dieser Entwicklung habe teilhaben lassen. Und ich dachte mir, dass es scheißegal ist, für einen Künstler wie mich, ob da jetzt ein kleines Logo unten rechts auf der Platte steht, oder eben nicht. Das sahen die alten Prinz Pi-Fans anders.

Sind die alten Fans jetzt dauerhaft weg, oder hast du die Hoffnung, dass sie dir diesen ­Fehler verzeihen?
Ich weiß nicht. Ich glaube allerdings, dass meine Fans wegen meiner Musik und nicht wegen des Labels Fans geworden sind. Und das ist jetzt meine Chance.

Um den Umbruch komplett zu machen – No Peanuts und du sind ebenfalls Geschichte. Wer hat da wen verlassen?
Mein Vertrag war an beide Labels gekoppelt. Wir haben für das neue Album keinen gemeinsamen Nenner gefunden. Aber da ist kein böses Blut im Spiel. Ich habe gemerkt, dass ich in gewissen Dingen einfach nicht mehr der Teamplayer bin, sondern mich alleine wohler fühle.


Jetzt kommt »Teenage Mutant Horror Show II«. Wo sind die Parallelen zur ersten Ausgabe zu sehen?
Die erste Ausgabe ist entstanden, nachdem ich eine ganze Weile keine Musik gemacht habe, weil mich alles angekotzt hat. In dieser Frust-Situation befinde ich mich wieder. Für mich war »Neopunk« das krasseste Album, was ich jemals gemacht habe. Ich habe da so unfassbar viel Energie reingesteckt. Und dass das dermaßen abgestraft wurde, hat mich hart getroffen, bis hin zu einer anständigen Depression. Ich kam einfach nicht mehr klar.

 

Wie lange warst du in diesem Loch drin, und wie kamst du wieder raus?
Viel Arbeit, was sonst? Und auch auf Tour habe ich gesehen, dass das alles schon funktioniert. Wenn auf dem Frauenfeld bei »Gib dem Affen Zucker« 50.000 Leute komplett ausrasten, dann kann das nicht so falsch gewesen sein. Forenmeinungen hin oder her. Das hat mir geholfen. Und dann macht man das, was man als Künstler macht: Ich verarbeite mein Leben.

 

Musikalisch ist »Teenage Mutant Horror Show II« eigentlich alles – nur keine Electro-Abfahrt. Geschickte Vermeidungsstrategie?
Vermeidung weiterer Prügel? Nein. Guck mal: Die »Neopunk«-Songs sind teilweise zwei Jahre vor Release entstanden. Das war die Musik, die man hier in Berlin vor zwei Jahren gehört hat. Ein Jahr vor Release kamen plötzlich ganz viele Alben in diesem Stil raus. Was ja irgendwie klar ist, weil mehrere Menschen diesen Sound in den Clubs gehört haben. Für mein Album war das natürlich ein kleiner Nachteil. Und nur weil es gehatet wurde, werde ich jetzt nicht meine musikalische Vision umstellen. Aber ja, das neue Album klingt anders als »Neopunk«.

Im Interview für das »Splash! Mag« hattest du keinen Bock auf die klassischen Rap-Fragen und wolltest lieber über den Iran, Welthunger und Sonstiges sprechen. Was war da los? Schlechte Laune, zu viel Alkohol oder wird ab sofort nicht mehr über Rap gesprochen?
Das war kein Ausrutscher, das mache ich andauernd. Klar, wenn ein neues Album kommt, dann muss man auch darüber sprechen. Aber ich finde, es gibt unfassbar viele Dinge, über die man auch reden muss. In meiner Musik mache ich das ja auch, also warum nicht in Interviews? Ich hasse es, wenn Leute in ihrer Musik und dann auch noch in ­Interviews nur über sich reden. Ich hasse diese Oberflächlichkeiten. Ich mache da nicht mit. Und das ist in diesem Moment einfach rausgekommen.

Du bist vor kurzem Vater geworden. Ich höre auf dem Album trotzdem keinen klassischen »Papa-Song«…
Auf keinen Fall. Allerdings habe ich auf diesem ­Album viele Songs darüber gemacht, wie ich mir die Zukunft vorstelle. Vielleicht setze ich mich auf diese Art und Weise mit meiner Vaterrolle auseinander. Weil ab jetzt Zukunft plötzlich nicht mehr nur für mich relevant ist. Natürlich kümmere ich mich um mein Kind und meine Familie, aber ich bin nicht der typische Biedermann, der jetzt alles unter dem Eindruck des Vaterseins macht.

Drei Songs, die dir auf »Teenage Mutant Horror Show II« besonders wichtig sind?
Als Erstes »Der Regenmacher«. Da beschäftige ich mich mit einer Endzeit nach einem Atomkrieg. Nenn mich paranoid, aber es gibt diese Sprengköpfe. Die sind da. Und es gibt diese roten Knöpfe, die man drücken kann. Dann muss ich hier »Druck« ins Rennen schicken. Darauf verarbeite ich meine Depression. Dieses Gefühl, dass die ganze Welt auf deiner Brust liegt, und du kannst nicht mehr atmen. Ich habe für diesen Song vermutlich 100 Takes ­gebraucht, bis er im Kasten war. Den Take, den du auf dem Album hörst, ist auch der letzte gewesen. Ich habe da auch zwei Mikros dafür verwendet, ­darunter auch ein uraltes SM-58. Ich wollte, dass man – wie bei Soulmusik – das Atmen, die Brüchigkeit meiner Stimme, die Müdigkeit und jedes Knacken im Raum hört. Der dritte Song ist »Du Hure 2009«. Es geht um eine kaputte Beziehung. Das ist aktuell zwar nicht meine Geschichte, denn ich bin glücklich in meiner Beziehung, aber das musste noch verarbeitet werden.

Auf deinem iPod, mit dem ich das Album hörte, befanden sich auch weitere Playlisten. Ich war so frei und habe mir mal die Playlist »Tour Jogging« angehört. Und was finde ich da: Barbara Schöneberger. Erkläre dich.
Ach, ich fand die eigentlich immer hässlich und affektiert. Meine Freundin schleppte irgendwann das Album an, und ich habe es weiter gehatet. Aber dann musste ich feststellen, dass es gut ist: Instrumentierung, Arrangement, Melodien, Text, Gesang. Alles gut. Richtig geil. Hätte ich ihr nicht zugetraut.

Da geht doch ein Feature, oder?
Auf keinsten. Die ist viel zu anstrengend. Aber trotzdem: Barbara Schöneberger, ich feiere dein Album.

 

Text: Daniel Köhler

 

 

 

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