In unserer Reihe »Overlooked« legen wir euch Musik ans Herz, die bisher keine Berücksichtigung auf juice.de gefunden hat, aber sehr hörenswert ist. Sei es, weil die Releasewoche zu voll war, weil andere Termine anstanden oder weil ein Release schlicht unter dem Radar geblieben ist – während man aufgrund des Coronavirus Zuhause bleibt und versucht, physische Interaktionen zu meiden, bleibt genug Zeit, diese Versäumnisse aufzuholen.
Princess Nokia hat Ende Februar nicht nur ein, sondern gleich zwei Alben auf die Welt losgelassen. »Everything Sucks« und »Everything is Beautiful« stellen die gegensätzlichen Gedankenwelten der New Yorkerin plakativ zur Schau und sorgen für eine weites Spektrum an Themen.
Schon die beiden Albencover könnten unterschiedlicher kaum sein und deuten trotzdem an, dass Princess Nokia nicht in ein plattes »traurig vs. glücklich«-Denken verfällt. Auf »Everything Sucks« posiert sie zwar im schwarzen Dress mit Neonelementen, trägt zu diesem Look aber auch einen schneeweißen Teddybären unterm Arm. Das Outfit auf »Everything is Beautiful« mag mit hellem Hintergrund und ordentlicher Blue Jeans auf den ersten Blick freundlich wirken, wird aber von einer blutigen Nase und einer dicken Ratte in den Händen aufgebrochen. Denn Princess Nokia zeigt auf den Alben nicht nur zwei verschiedene Seiten, sondern ein ganzes Spektrum von den Facetten ihrer Persönlichkeit, die sich gegenseitig ergänzen und einen Eindruck davon vermitteln, warum Princess Nokia so ist wie sie ist.
Musikalisch lässt sich die die Teilung der beiden Alben deutlich nachvollziehen. »Everything Sucks« besticht mit In-Die-Fresse-Trap, ist aggressiv und ballert. Princess Nokia rappt direkt und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten, wird explizit und macht sich sprichwörtlich dreckig. Dabei darf der Titel nicht darüber hinwegtäuschen, dass Princess Nokia ihre roughen Seiten nicht bedauert, sondern offensiv zelebriert. »Bitch, I’m gross/Yeah, I’m grosser then you hoes and it shows/I got stains on my teeth and my clothes« unterstreicht ihre Haltung, sich den gesellschaftlichen Erwartungen an sie als Person niemals anpassen zu wollen und zu müssen.
»Everything is Beautiful« schlägt sanftere Töne an, verbindet Trap nicht mit Horrorcore, sondern mit Soul, R’n’B und lässt instrumentale Elemente zum Beispiel mithilfe der New Yorker Jazzband Onyx Collective in den Vordergrund rücken. Die heiteren und lebensfrohen Facetten der Princess Nokia werden mal smooth mal schwungvoll inszeniert, leben von Zuneigung zu Mitmenschen, fangen das unbeschwerte Gefühl guter Laune ein und machen gleichzeitig klar, dass diese Launen kein Dauerzustand sind. Ob mit smoothem Soundtrack oder nicht, Schimpfwörter und »Fuck these Cops«-Ansagen finden sich genug.
Zusammen entsteht daraus eine Art musikalisches Mini-Universum der Princess Nokia, in dem sie auf eher kurzen Tracks Einblicke in Stimmungen, Haltungen und Gefühle liefert. Umfangreich, abwechslungsreich und außerdem mit Witz und viel Selbstbewusstsein ausgestattet.