Kanye West & Jay Z Review #14

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Da wir »Watch The Throne« in unserer neuen Ausgabe #138 aufgrund schlechten Timings nicht berücksichtigen konnten, unterziehen wir die 16 Tracks der »Deluxe Edition« einer täglichen Track-by-Track-Rezension. Wir verzichten dabei bewusst auf die Nennung inoffizieller Links zu den jeweiligen Songs. »Watch The Throne« ist bei iTunes ganz einfach zu erstehen oder eben in den Weiten des Internets anderweitig zu finden. Wir sind mittlerweile bei den Tracks aus der »Deluxe Edition« angekommen – hier der 14. Track: »H.A.M.«.

 

Kanye West fabulierte in ersten Interviews zu »WTT«, der Sound des Albums klinge »so modern, so hood, so club, so hip hop«. Als »H.A.M.« im Januar als erstes Lebenszeichen leakte, waren die Reaktionen im Netz einhellig enttäuscht bis bestürzt. Wie, so fragte sich vor allem die Keep-it-real-Fraktion, konnte es bloß sein, dass Kanye und Jay ihre gemeinsame EP mit einem synthetischen Bombast-Brett des gerade mal 19-jährigen Lex Luger ankündigten? Und das, obwohl man sie mit viel Wohlwollen als so etwas wie die Restehrenretter des Echten und Wahren im Mainstream sehen konnte, wenn man unbedingt wollte? Dabei hatte Kanye die Nörgler mit Hilfe von RZA und Pete Rock gerade wieder versöhnlich gestimmt – und nun rappte er auf Mixtape-Stangenware von einem, der bis dahin primär als eher fleißiger denn talentierter Unterlagenlieferant für die Pulverschneefantasien von Waka Flocka und Rick Ross diente?

 

Doch wer sind denn überhaupt diese Hater, dass sie sich ernsthaft anmaßen, über Jays oder Kanyes Geschmackssicherheit zu urteilen? »See the shit I saw growing up and maybe you can take a peek at Bey’s boobs«, grummelte Jigga latent genervt, um gegen Ende seiner Strophe das französische Modelabel Comme des Garcons zu namedroppen und sich mit einem sauberen Five-Percenter-Gruss zu verabschieden. Die einen rümpften verächtlich die Nase, faselten was von »Presets« und gingen Guilty Simpson hören. Die anderen feierten um so härter. Der Titel sollte schließlich ernsthaft als Akronym für »Hard As a Motherfucker« stehen. Shawn (41) und Kanye Omari (34) auf einem Beat von Lexus (19) – die generationenübergreifende HipHop-Sause könnte nicht frischer und unbekümmerter klingen. Wie langweilig wäre es bitte gewesen, wenn sich die erste Single vom gemeinsamen Album artig in die gemeinsame musikalische Geschichtslinie eingeordnet hätte, mit süßlichem Soulsample und bravem Bummtschack?

 

Inhaltlich erschöpft sich »H.A.M.« in einer recht beeindruckenden Aufzählung von Aufschneidereien. Ich würde ja soweit gehen und behaupten, jene Rezensenten, die »WTT« in seiner Gesamtheit fehlende Inhalte vorwerfen, haben das Album nicht gehört. Ihre Beurteilung ist mit großer Wahrscheinlichkeit einzig und allein durch »H.A.M.« vorgeprägt. Bei diesem Monster von Track geht es jedoch nicht um den Inhalt, sondern um den Move. Powermove, that is. Es geht um die Redewendung aus Pills 2009er Blog-Hit »Trap Goin‘ Ham«, die ihr Urheber seinerzeit folgendermaßen erklärte: »Das bedeutet, dass du (…) so viel Geld verdienst, dass du dir noch nicht mal die Schuhe zubinden kannst. Du sitzt in der Hood, wo die Ware verkauft wird, und die Kunden kommen einer nach dem anderen, um dir ihr Geld zu bringen.« Eine schöne Metapher für das Schaffen der beiden Großmeister.

 

»H.A.M.« ist ein Track, von dem man im ersten Moment nicht denkt, dass er ernst gemeint sein kann. Dann jedoch – gerade in der Zusammenschau mit diesem großartigen, weitgehend unkommerziellen Monolith von Album – macht er richtig Spaß. Insbesondere im letzten Drittel, wenn Lex Luger episches Operngedonner auspackt, bevor die 808-Drums wieder lospeitschen. Vielleicht schießt der Track ein klein wenig über das Ziel hinaus, steht aber dennoch recht konsequent für den auf »WTT« vorherrschenden Vibe: Man hört, dass das Rappen den beiden Multimillionären (wieder/noch) so richtig Spaß macht. Ob auf gechopptem Otis-Redding-Soul oder auf Keyboard- und Hi-Hat-Gewitter, ist in letzter Konsequenz halt wurscht. Dope ist, was dope klingt – und zwar heute und nicht 1997. Darum ist es legitim, wenn The Game einen Shoutout an Soulja Boy gibt. Und darum ist es auch legitim, wenn zwei Rap-Legenden mit einem 19-jährigen Producer arbeiten, der den musikalischen Horizont von RZA oder Pete Rock nicht mal erahnen kann, aber den Clubparkplatz den ganzen Sommer lang brennen lässt.

 

You can hate me now.

 

On to the next one.

 

Text: Stephan Szillus

 

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