Nashi44 ist mit einem Knall in die Szene gekommen. Mit ihrer Debüt-Single »Aus der Pussy« hat die Newcomerin direkt klar gemacht, dass sie frischen Wind ins Game bringt, indem sie politischen Rap gegen antiasiatischen Rassismus und Fetischisierung mit krachenden Beats vereint. Mittlerweile ist ihre Debüt-EP »Asia Box« erschienen, auf der Banger voller Energie zum Empowerment werden, das eine durchaus ernsthafte Ebene hat. Wir haben uns mit Nashi44 über ihren Weg zu HipHop, popkulturelle Referenzen und die politische Message ihrer Musik unterhalten.
Klassische Newcomer-Frage zu Beginn: Wie bist du zu HipHop gekommen?
Nashi44: Ich bin mit HipHop und R’n’B aufgewachsen, weil ich drei große Brüder habe, die US-HipHop gehört haben. Dazu kam Zeug wie Aggro Berlin, mit dem du auf dem Schulhof in Neukölln aufgewachsen bist. In dieser Zeit hatte ich außerdem eine Schulband, mit der wir Pop- und HipHop-Songs gecovert haben. Dort wollte niemand rappen, weil sie sich alle geschämt haben und ich war so: »Gimme the Mic!« Das war dann zum Beispiel »No Diggity« oder etwas von TLC. Danach gab es auch noch ein paar Umwege. Ich hatte zwischendurch eine Bluesrock-Band, wo ich gesungen und Gitarre gespielt habe, und ein eigenes Soloprojekt, wo ich englischen R’n’B gemacht habe. Schlussendlich bin ich dann nach Leipzig gegangen, um dort Jazz- und Pop-Gesang zu studieren. Da habe ich gemerkt, dass es nicht das ist, was ich machen will. Die Texte, die ich schon immer geschrieben habe, konnte ich am besten mit Deutschrap rüberbringen. In Leipzig ist außerdem viel Scheiße passiert, weshalb mich das wieder zurück zum HipHop gebracht hat, mit dem ich aufgewachsen bin und der mir am nächsten am Herzen liegt. Dort habe ich also erstmal wieder angefangen Texte auf Deutsch zu schreiben, zu Rappen und meine eigenen Sachen voranzubringen. Das war vor ungefähr zweieinhalb Jahren.
Dann hast du ja echt schon viele Genres mitgemacht. Waren deine Texte früher auch schon so politisch wie dein Rap heute?
Nahsi44: Am Anfang waren die weniger politisch. Früher waren das eher Love-Topics, mit denen der Kopf im Teenie-Alter beschäftigt ist. Beim Soloprojekt, bevor es zu Nashi44 kam, ging es auch ins politische, allerdings habe ich da gesungen und es war auf Englisch. Das hat sich für mich noch nicht richtig angefühlt, weil ich mich auf Deutsch am besten ausdrücken kann. Jetzt bin ich da, wo ich hinwollte.
»Ich hatte eine klare Vision, dass ich Themen wie antiasiatischen Rassismus, Sexismus und Fetischisierung behandeln möchte. Gerade weil es in der Corona-Zeit nochmal krass aufgekommen ist und die Leute erst da gecheckt haben, dass es solche Sachen gibt, obwohl es das schon voll lange gibt.«
Ich habe außerdem gelesen, dass du früher Rapvideos auf Insta hochgeladen hast. War das dann am Anfang der Nashi44-Ära?
Nashi44: Voll. Das war während des Lockdowns. Ich hatte mein Studium in Leipzig abgebrochen, bin zurück zu meiner Familie in Berlin gezogen und wollte mich ausprobieren. Ich habe diese Snippets wöchentlich hochgeladen, um mich ein bisschen auszuprobieren und zu schauen, wie verschiedene Themen ankommen. Ich habe dann einen Aufruf gestartet, dass die Leute mir sagen sollten, welches Snippet ihnen am besten gefällt, damit ich daraus vollständige Lieder machen kann. Die am meisten gevoteten Songs sind schlussendlich auf die EP gekommen. Mir ist es voll wichtig, diese Themen im Austausch mit der Community zu gestalten.
Also waren das quasi schon die Demo-Versionen der jetzt releasten Songs?
Nashi44: Auf jeden Fall. Manchmal wurden natürlich noch die Beats ausgewechselt und ich habe noch ein wenig umgestellt und den Text weitergeschrieben. Aber das sind basically die Skizzen, die dann ausgearbeitet wurden. Mittlerweile habe ich sie aber von Insta runtergenommen.
Dann stand das Konzept, wie sich Nashi44 als Rapperin anhören soll, also auch schon recht lange, oder?
Nashi44: Ich hatte schon eine klare Vision, dass ich Themen wie antiasiatischen Rassismus, Sexismus und Fetischisierung behandeln möchte. Gerade weil es in der Corona-Zeit nochmal krass aufgekommen ist und die Leute erst da gecheckt haben, dass es solche Sachen gibt, obwohl es das schon voll lange gibt. Ich hatte das Gefühl, dass noch nie jemand richtig in der Musik darüber gesprochen hat, obwohl diese Erfahrungen sehr schmerzhaft sind. Diese Idee war also schon von Anfang an da, aber gerade die visuellen Sachen sind nach und nach entstanden, als ich mich mit immer mehr Leuten ausgetauscht habe.
Mir fallen auch nicht gerade viele Leute ein, die sich explizit mit diesen Themen, insbesondere antiasiatischem Rassismus, im Deutschrap auseinandergesetzt haben. Hast du Vorbilder oder Inspirationen in dieser Richtung?
Nashi44: Im HipHop gab es schon ein paar Leute, für mich war zum Beispiel Blumio einer der ersten Rapper, der solche Themen angeschnitten hat. Aber aus der Perspektive einer cis Frau gab es das im Deutschrap noch nicht oder wenn dann nur sehr subtil. In den USA gibt es das dagegen sehr viel. Die Rapperin Awkwafina hat das zum Beispiel sehr stark auf ihrem ersten Album thematisiert. Ich finde auch die Comedian Ali Wong sehr inspirierend. Die ist so richtig auf die Fresse, nimmt kein Blatt vor den Mund, ist sehr witzig und redet auch sexpositiv, aber genauso über rassistische Vorurteile – alles aus ihrer persönlichen Perspektive. Dazu hat sie an krassen Serien wie »Fresh Off The Boat« mitgeschrieben, wo es um eine Asian-American Familie geht. Daher gibt es schon viele Leute, die mich beeinflussen und inspirieren. Man muss dazu auch sagen, dass ich Asien-Afrika-Wissenschaften im Bachelor studiert habe, bevor ich Gesang studiert habe. In diesem Zuge habe ich mich schon sehr stark mit dem Thema auseinandergesetzt und es gibt ein Buch, das »Asiatische Deutsche« heißt, in dem sich viele Leute zu Themen der Repräsentation äußern. Wenn man da reinblättert, gibt es so viele Leute, die sich aktivistisch mit diesem Thema auseinandersetzen und mich sehr inspiriert haben. Es gibt aber auch noch Leute wie Thủy-Tiên, nonbinary Aktivist*in, wo richtige Aufklärungsarbeit auf Instagram gemacht und Workshops veranstaltet werden. Dazu gibt es Vereine wie »korientation« oder »DAMN*« (Deutsche Asiat*innen Make Noise) – das sind Leute, die mich am Anfang total empowert haben, diesen Weg zu gehen. Das ist ein gegenseitiges inspirieren und ermutigen.
Du hast gerade schon beschrieben, dass du schmerzhafte Erfahrungen thematisierst. Gleichzeitig hast du dir eine sehr kraftvolle Sprache samt Sound ausgesucht und bringst trotz der Ernsthaftigkeit eine Menge Wortspiele und Humor unter. Wie hat sich dieser Style herausgebildet?
Nashi44: Als ich mit den Songs angefangen habe, war das ein Verarbeitung dieser schmerzhaften Erfahrungen. Ich habe dann gemerkt, dass ich selber empowert aus der Sache rausgehen möchte, wenn ich mir die Songs anhöre. Wenn ich HipHop höre sind das Songs, die nach vorne gehen und dir Kraft geben damit du durch den Alltag kommst. Es ist mein Anspruch, dass die Musik einen trägt und pusht, gerade weil es so schwere Themen sind. Deshalb wird das auch durch Witz aufgelockert, obwohl der Kern natürlich ein ernster ist.
Wie lief das bei deinem ersten Song »Aus der Pussy«? Der ist ein Paradebeispiel für ein absolut ernstes Thema, das bei einer rassistischen Frage (»Woher kommst du eigentlich?«) anfängt und als Song trotzdem ein Banger geworden ist.
Nashi44: Ich habe echt lange an diesem Song geschrieben und hatte tausend Ideen für die Hook. Ich brauchte eine Antwort auf die Frage, die es auf den Punkt bringt. Irgendwann kam ich auf »Aus der Pussy« und dann vor allem noch »… meiner Mutti«. Dieses »Mutti« ist so ein Begriff, den nicht viele nutzen, den kenne ich von meinen Papa, der fast 70 Jahre alt ist. Das hat es noch lustiger gemacht diese Antwort zu geben, um diese Frage zu entblößen. Der Beat geht trotzdem nach vorne und du kannst den Song mitgrölen – das ist der Anspruch.
Das Feedback dazu war gemischt. Er ging auf TikTok viral, obwohl es mein erstes Video dort war, und bekam richtig viel Hate ab. Das hat mich schon ein bisschen erschüttert, aber auf Insta wurde es total gefeiert. Der Song polarisiert und es ist gut so, dass sich Leute ein bisschen vor den Kopf gestoßen fühlen. Aber es ist halt ein Prozess sich damit auseinanderzusetzen und ich hoffe, dass ich mit der Musik möglichst viele Leute erreiche, damit sie diesen ersten Anstoß zum Nachdenken bekommen. Auf einem nicen Beat und mit ein bisschen Augenzwinkern.
»Ich nenne mich „Madame Butterfly“, aber nicht als das Sexobjekt, sondern als die, die sich wehrt. Wie oft wurde ich nachts in Berlin schon angemacht und verfolgt, teilweise bis zur eigenen Wohnung. Wie hilflos man sich dabei teilweise fühlt wollte ich in diesem Song umdrehen, um einen Power-Track daraus machen.«
Neben der Auseinandersetzung mit Rassismus spielt Sexismus genauso eine wichtige Rolle in den Texten. Wie war es für dich, die eigenen Erfahrungen diesbezüglich in der Musik zu verarbeiten?
Nashi44: Das war voll der schwere Schritt. Deshalb sind die Songs auch für mich selbst empowernd und befreiend. Für mich war es ein langer Prozess, darüber überhaupt zu reden und herauszufinden was ich mag. Deshalb sind die Songs für mich eine Manifestierung, dass ich mich von diesen Zwängen befreien möchte, dass man als Frau eben nicht frei darüber reden kann. Das war ein Prozess und wird auch weiterhin einer bleiben.
Auf »Magic Clit« gibt es eine Anspielung auf Lil Kim und ihren Song »Magic Stick«. Inwiefern war das ein Vorbild?
Nashi44: Lil Kim ist für mich eine der Vorreiter*innen, wenn es um sexpositiven Rap von Frauen aus dem US-Rap geht. Der Song ist so inspirierend, weil sie Sachen raushaut, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Das hat mich dazu gebracht, einen Song wie »Magic Clit« zu schreiben.
Wie wichtig sind dir solche Referenzen aus der Kultur generell? Ich bin noch auf eine Anspielung auf den Film »Full Metal Jacket« gestoßen (»Me so angry, we hate you long time«), genauso wie ich mich beim Song »Butterfly« gefragt habe, ob das eine Referenz auf die Oper »Madame Butterfly« ist.
Nashi44: Ich habe mich sehr viel mit der Repräsentation von asiatisch gelesenen Frauen in der Popkultur, aber auch der ernsten Musik auseinandergesetzt. Da ich auch Musikwissenschaften studiert habe, habe ich mich durch viele Opern gehört und bin dabei auf »Madame Butterfly« gestoßen. Eine Oper, die heute noch immer aufgeführt wird und bei der teilweise Yellowfacing betrieben wird und sich weiße Schauspielerinnen extra diese Foxy Eyes malen, um ein Klischee zu reproduzieren. Die Geschichte der Oper an sich ist schon voll problematisch, weil es um eine ostasiatische Frau geht, die auf ihren weißen Retter wartet. Er will sie nicht mehr, kommt zurück und sagt ihr das, woraufhin sie sich das Leben nimmt. Als wäre der einzige Sinn ihres Lebens die Liebe dieses weißen Mannes. Natürlich ist das nur eine Geschichte, aber es ist trotzdem ein Stereotyp, das sich immer weiter trägt. Bei »Full Metal Jacket« gibt es eine vietnamesische Prostituierte, die quasi nur ein Sexobjekt ist. Das ist ein Klischee, mit dem asiatische Frauen generell zu tun haben. Beim Anschlag in Atlanta wurden sechs Frauen erschossen, weil ein Typ ein Problem damit hatte, dass er eine sexuelle Versuchung in diesen Massage-Spas gesehen hat. Das ist der Höhepunkt des Stereotyps, bei dem Rassismus und Sexismus in Kombination auftritt. Deshalb thematisiere ich das in meinem Song als Gegenschlag. Ich nenne mich »Madame Butterfly«, aber nicht als das Sexobjekt, sondern als die, die sich wehrt. Wie oft wurde ich nachts in Berlin schon angemacht und verfolgt, teilweise bis zur eigenen Wohnung. Wie hilflos man sich dabei teilweise fühlt wollte ich in diesem Song umdrehen, um einen Power-Track daraus machen.
Eine andere Ebene, die du auf »Nails, Lashes, Bubble Tea« thematisierst, besteht wiederum in der Aneignung asiatischer Kultur und Symbole, die parallel zu Rassismus und Fetischisierung stattfindet. Wo ist dir diese Art von Aneignung aufgefallen?
Nashi44: Du musst eigentlich nur zu KiK oder NanuNana gehen und es gibt dort einfach eine Deko-Ecke, in der nur Buddhas stehen. Ich bin buddhistisch aufgewachsen und wir sind früher in den Tempel gegangen, wo dann eben eine Buddha-Figur in Gold stand. Das war auf einem Altar, das ist etwas respektvolles. Und dann siehst du diese Figuren für 5 Euro bei NanuNana, damit du ein Zen-Gefühl hast. Bei manchen Hauspartys standen solche Figuren dann auf dem Klo oder ich laufe hier die Straße entlang und so eine Figur steht in einem Geschäft mit irgendeiner »Happy Life«-Caption. Selbst im Warteraum bei der Physiotherapie steht so ein Ding herum. Ich frage mich, was sich die Leute dabei denken. Ich bin die letzte, die Leuten vorschreibt, dass sie dieses und jenes nicht machen sollen, aber ich will aufzeigen, dass es Doppelstandards gibt. Genauso wie bei Bubble Tea. Als das hier rüberkam hatte es um 2012 seinen ersten Hype. Kurze Zeit später stand in vielen Medien, dass es quasi Gift ist, dass man am besten nicht trinken sollte. So viele Familien, die hier Gastronomien haben, waren davon negativ betroffen. Dazu muss man wissen, dass eine Selbstständigkeit, beispielsweise mit einer Gastronomie, für viele vietnamesische Gastarbeiter*innen die einzige Möglichkeit war in Deutschland zu bleiben, weil sie sonst keine Jobs bekommen haben oder hätten zurückgehen müssen. Dadurch bekommt das eine ganz andere Tragweite. Und jetzt ist das Ding wieder voll in In und es gibt Schlagen vor den Läden. »Nails, Lashes, Bubble Tea« ist mein Approach gewesen die Leute darauf hinzuweisen wie krass anstrengend das ist. Mal ist es cool, dann wieder nicht – die Leute nehmen einfach etwas und machen daraus, was ihnen gefällt, ohne die Bedeutung von Symbolen wie Buddha zu hinterfragen.
Mit diesen Themen bist du im Deutschrap auf jeden Fall Vorreiterin und auf »Virus in der DNA« wird deutlich, dass es kaum einen wichtigeren Moment geben könnte, um sich damit auseinanderzusetzen, weil antiasiatischer Rassismus während der Corona-Pandemie so allgegenwärtig war. Gleichzeitig zeigst du die historischen Bezüge auf, die damit einhergehen. Wie hast du diese Zeit selbst wahrgenommen und wie ist das in die Musik eingeflossen?
Nashi44: Am Anfang habe ich solche Sachen in den Rap-Snippets verarbeitet. Dann ist Atlanta passiert, das hat mich krass runtergezogen, weil es mir sehr nahe ging. Was am Anfang noch wie eine Therapie war, um die Sachen zu verarbeiten, war Ende des letzten Jahres eher eine Überforderung. Ich konnte nicht mehr und wollte das nur noch wegschieben, weil es so kräftezehrend ist. Den Song »Virus in der DNA« habe ich daher erst dieses Jahr, circa drei Wochen vor Release, geschrieben und aufgenommen, weil ich da wieder etwas mehr Abstand dazu hatte. Das ist wirklich ein sehr schweres Lied für mich, weil ich die Zeit von Leipzig bis jetzt verarbeite. Die ganzen Rassisten, die ich in Leipzig erlebt habe, dann Rassismus während Corona, dazu Atlanta – das war auf jeden Fall schwer. Ich bin aber froh, dass es mit drauf ist, weil ich lange nicht wusste, ob ich es schaffe, diesen Song zu schreiben.
Wie sieht deine künstlerische Vision für die Zukunft aus?
Nashi44: Musikalisch will ich mich ein bisschen mehr an Songs wie »Virus in der DNA« orientieren. Das ist schon ein Ausblick darauf, dass ich in Zukunft wieder mehr R’n’B einfließen lassen möchte. Es ist voll mein Ding mit mehr Gesang zu arbeiten. Ansonsten möchte ich einfach die nächsten Stufen erreichen, auf größeren Festival spielen und weiterhin Songs releasen. Aber mehr möchte ich da noch nicht ins Detail gehen. (lacht)
Interview: David Regner