Nachruf auf Gil Scott-Heron

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Man sagt, Rap hat mit dem überraschenden Tod von Gil Scott-Heron seinen Paten verloren. Von dieser Bezeichnung wollte Scott-Heron zeitlebens jedoch nichts hören. Nicht weil es ihm nicht wichtig war oder weil er den Blick auf die Gegenwart verloren hatte oder er dafür zu bescheiden war. Es hat ihm einfach nicht gefallen. Dennoch war Gil Scott-Heron Wegbereiter und Begleiter, Ideengeber und Inspiration, Blaupause und Vorbild für HipHop. Denn er war eine der wichtigsten musikalischen Stimmen der vergangenen 40 Jahre.

Seine über Drum-lastige »Beats« gesprochenen und so berühmt gewordenen Reime zu »The Revolution Will Not Be Televised« oder »Whitey On The Moon« trugen in den frühen Siebzigern erste Züge dessen, was einige Jahre später als Rap geboren wurde. Dennoch wurde Gil Scott-Heron selbst zu dieser musikalischen Spielart von anderen inspiriert: Er sah die Last Poets live und fand schließlich neben dem Gesang eine neue Möglichkeit seine pointiert geschriebenen und meist seine direkte Umwelt betreffenden Gedichte zu präsentieren. Viel von dem, was HipHop Gil Scott-Heron zu verdanken hat, geht nicht direkt auf seine Musik zurück, sondern vielmehr auf seine Geisteshaltung und Stilmittel. Scott-Heron hatte die Punchlines – »The Revolution Will Not Be Televised«, der zum global einsetzbaren Werbe-Slogan taugende Songtitel, ist nur ein Beispiel von vielen -, er beschrieb mit direkter Härte die Herausforderungen der urbanen Welt, auf der anderen Seite machte er die Welt auf die oft totgeschwiegenen Verhältnisse einer unterdrückten Minderheit aufmerksam, außerdem erschuf er aus seinen eigenen Unzulänglichkeiten ein ums andere Mal brilliante Seelenmusik.

Gil Scott-Heron war ein außergewöhnlicher Künstler, dabei aber sicherlich kein leicht handzuhabener Mensch. Er hat musikalisch oft vorgemacht, wie es geht, genau so wie er es persönlich oft nicht geschafft hat, sich vorbildlich zu verhalten. Er war ein Ausnahmemusiker mit großer Klappe – eigen, virtuos, inspirierend, starrköpfig und begabt. Im wahren Leben kämpfte er mit Drogen- und Alkoholsucht, saß mehrere Male im Gefängnis, hatte familiäre Schwierigkeiten und wollte die Auswirkungen davon meist nicht akzeptieren. Die eigenen Dämonen, denen er stets gegenüberstand, inspirierten ihn jedoch zu so herausragenden wie zutiefst verletzlichen Songs wie »The Bottle«, »Angel Dust« oder »Me And The Devil«.

Gil Scott-Heron sprach und sang mit seinem eindringlichen Barriton nicht nur von den Problemen, die für viele Menschen unabhängig von Herkunft und Sozialisation nachvollziehbar sind. Er lieferte mit seiner Musik unzählbare Samples für große HipHop-Werke der Vergangenheit und Gegenwart – auf Mos Def »Black On Both Sides«, auf Freeways »Free At Last« oder auf Kanyes »My Beautiful Dark Twisted Fantasy«. Aber Gil Scott-Heron erzählte auch von Fannie Lou Hamer, Emmett Till und Harriet Tubman, von Johannesburg, Scottsboro und der Kreuzung 125. Straße und Lenox Avenue – von all dem, wovon wir (hier) keine Ahnung hatten, was aber für das, was wir als Kultur, nein, unsere Kultur bezeichnen und uns jeden Tag begleitet, essentielle Bedeutung hat.

Zu einem direkten Kommentar zu HipHop hat sich Gil Scott-Heron doch einmal hinreißen lassen. Auf seinem Album »Spirits«, das 1993 über TVT Records erschien, richtete er an die immer bekannter werdenden Rapper eine »Message To The Messengers«. Keine mahnende Worte mit erhobenem Zeigefinger oder altkluge Weisheiten eines Ewiggestrigen, sondern – wie so oft – eine scharfe Beobachtungsgabe, verbundene Menschlichkeit und so eindringliche wie nachvollziehbare Vorschläge:

»Hey, yeah, we the same brothas from a long time ago.
We was talkin‘ about television and doin‘ it on the radio.
What we did was to help our generation realize.
They had to get out there and get busy cause it wasn’t gonna be televised.
We got respect for you rappers and the way they be free-weighin‘.
But if you’re gon‘ be teachin‘ folks things, make sure you know what you’re sayin‘.«

Scott-Heron selbst bezeichnete seine Musik oft als »Bluesology«, letztlich war seine Musik jedoch – gerade angesichts all der Motto-Parties in Dorf-Diskotheken und absurd definierten Sparten-Charts mit David Guetta, Pitbull oder Jennifer Lopez – »Black Music« in reinster Form.

In einem seiner eindringlichsten und besten Songs – »The Prisoner« von seinem Album »Pieces Of A Man« – singt Scott-Heron:

»Here I am, after so many years. Hounded by hatred and trapped by fear.
I’m in a box, I’ve got no place to go. If I follow my mind, I know I’ll slaughter my own.
Help me I’m the prisoner, won’t you hear my plea. I need somebody, yeah, to listen to me.
I beg you, brothers and sisters, I’m counting on you.«

Am vergangenen Freitag verstarb Gil Scott-Heron im Alter von 62 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus aufgrund noch ungeklärter Umstände. Er wird in seiner Musik weiter leben, genau so wie seine Songs in den langen Jahren seiner Abwesenheit immer da waren. Es ist zu hoffen, dass ihn die HipHop-Welt weiter seinen Respekt zollt, vielleicht sogar noch mehr als zuvor. Wir sollten ihm die Ehre erweisen. Er zählt auf uns.

http://www.youtube.com/watch?v=_b2F-XX0Ol0

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