Kid Cudi Interview

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Man kann Kid Cudi unter Blogosphären-Hype oder Hipster Rap ­verhandeln, doch im Vergleich zu vielen anderen hochgejazzten Internet-Artists scheint dem Kid aus ­Cleveland der Sprung aus der Hype-Maschinerie und den Blogs in die Verkaufsregale und ­Hitlisten auch tatsächlich zu gelingen. Die Unterschrift bei Kanyes G.O.O.D. Music ist gesetzt, Hits wie “Day N Nite” oder “Make Her Say” längst in den Playlists von Meinungsmachern und Vorstadtkids angekommen, das Debüt “Man On The Moon: The End Of Day” steht angeblich kurz vor der Veröffentlichung. Unser Schweizer Korrespondent Fabian Merlo sprach auf dem Open Air ­Frauenfeld mit dem genreübergreifend agierenden Rapper und Sänger über seinen ­kometenhaften Aufstieg.

Wie war deine Kindheit in Cleveland, Ohio?
Ich würde die Gegend, in der ich aufwuchs, als ­Mittelklasse-Vorort bezeichnen. Ich hatte eine normale Kindheit, habe gerne Dummheiten gemacht und war stets der Klassenclown, der ständig Sprüche klopfte. Schon früh war Kunst sehr wichtig für mich, ich habe viel gezeichnet und wollte Cartoon-Zeichner werden. Als ich 15 Jahre alt war, begann ich mit ­einigen Freunden Musik zu machen. Da ich derjenige mit der meisten Leidenschaft war, bin ich der Einzige, der dabei geblieben ist. Richtige Songs begann ich erst während meiner Zeit am College in Ohio zu schreiben. Während dieser Zeit merkte ich, dass ich ein Jahr Pause einlegen und Ohio verlassen muss. Zur Auswahl standen New York oder Los Angeles und ich entschied mich schließlich für New York, da ich nicht zu weit von meiner Familie weg sein wollte. Ich kam in die Situation, dass ich sehr schnell erwachsen werden musste. Ich verzichtete auf die Sicherheit, um meine Freiheit zu haben. Ich musste mir einen Job suchen, lebte aber zu dieser Zeit noch bei meinem Onkel. Irgendwie konnte ich mich durchschlagen, und der Rest ist Geschichte. Innerhalb kürzester Zeit sollte ich mit vielen guten Künstlern arbeiten und Menschen treffen, die an meinen Sound und an mich glaubten. Und hier sind wir nun.

Warst du denn schon in jüngeren Jahren offen für verschiedene Musikstile?
Ja. Ich denke, das habe ich dem Umfeld, in dem ich aufwuchs, zu verdanken. Ich habe sehr viele soziale Schichten kennen gelernt. Ich war nie das Kind, das nur mit einer Clique abhing, sondern ich verstand mich mit allen gut, durch meine Persönlichkeit kam ich leicht mit verschiedenen Menschen in Berührung. HipHop war aber immer mein Haupteinfluss. Erst als ich von Cleveland nach New York zog, entschied ich mich, andere Stile in meine Musik einzubauen und meinen Flow mit Melodien anzureichern.

In New York kamst du mit DJ A-Trak in ­Kontakt, der auch sehr stark in der elektronischen ­Musikszene unterwegs ist.
Diese Welt war mir vorher nicht bekannt. Es war auch seine Idee, “Day N Nite” von den Crookers remixen zu lassen. Ich hatte zuvor noch nie von ihnen gehört, aber als sie mir den Remix schickten, wusste ich sofort, dass er mich in die Clubs und damit auf ein neues Level bringen würde. Der Funke sprang auch auf die Kreativität für mein Album über. Ihr werdet auf der Platte Uptempo- und Dance-Songs zu hören bekommen, gleichzeitig will ich aber meinen Wurzeln treu bleiben. Ich möchte nicht, dass die Leute das Gefühl haben, dass ich verleugne, wo ich herkomme. Die Platte klingt wie ein Indie-Album, wird aber in ­einem viel größeren Rahmen präsentiert.

Vor einem Jahr hattest du noch einen normalen Job. Mittlerweile bist du der Liebling der Medien, hast einen Deal bei Kanye West und ­wurdest, ohne ein Album draußen zu haben, für die BET Awards nominiert. Macht dir dieser rasante Aufstieg manchmal ein wenig Angst?
Es ist schon verrückt, vor allem, weil ich sehr ruhiger und entspannter Typ bin. Ich lebe von Tag zu Tag und bin mir bewusst, dass die Aufmerksamkeit und der Promi-Status ein Teil des Jobs sind. Aber ich ­versuche, mich auf die Musik zu konzentrieren.

Auf deinem Blog hast du geschrieben, dass dein Image wichtiger wurde als die Musik und dass du dies ändern willst. Wie?
Ich habe damit begonnen, auf gewisse Events zu verzichten. Natürlich gehe ich noch auf Tour, aber bei Promi-Anlässen, bei denen man nur anwesend ist, um in die Medien zu kommen, findet man mich so gut wie nie. Dieses Roter-Teppich-Ding ist nicht wirklich mein Stil. Mir geht es vor allem um die Musik, und die Leute sollen nicht das Gefühl haben, dass ich in diesem Celebrity-Charakter gefangen bin und mich nicht mehr um meinen Sound kümmere.

War dies auch der Auslöser dafür, dass du ­deinen Rücktritt verkündet, diesen aber wenige Tage später zurückgenommen hast?
Es ging tatsächlich um die Dinge, die um mich herum passierten. Viele Freunde können nicht verstehen, dass mein Leben sich verändert hat. Ich habe mich aber nicht in dem Sinne verändert, dass ich jetzt einen Scheiß auf meine Freunde gebe und denke, ich sei etwas Besseres. Es wäre dasselbe, wenn ich Anwalt werden wollte. Dann hätte ich auch keine Zeit, um ständig mit meinen Freunden zu hängen, da ich dann büffeln müsste, um meine Prüfungen zu bestehen. Ich bin sicher, gewisse Leute hätten auch dann gesagt, dass ich mich von ihnen entferne, weil ich für mein Examen lerne. Wenn man berühmt ist, haben die Leute sofort das Gefühl, dass man sich als etwas Besseres fühlt. Dies war auch bei meinen Freunden so, was mich sehr aus dem Konzept gebracht hat. Ich fand, dass die Musik es nicht wert ist, wenn ich deswegen Menschen verliere, die ich liebe. Etwa vier Tage nach meinem Blog-Eintrag hatte ich einen Auftritt in einer TV-Show und kaum war ich auf der Bühne, riefen mir Fans zu, dass ich nicht zurücktreten solle. Es hat mich überrascht, dass sich die Leute so für mich interessieren. Früher fühlte ich mich immer einsam und dachte, niemand könne mich verstehen. Erst mit dem Erfolg von “Day N Nite” begann ich zu realisieren, dass sich viele Leute mit meiner Musik identifizieren können und das Gleiche fühlen wie ich.

Sowohl auf deinem Blog wie auch in der ­Musik wirst du sehr persönlich. Hast du nie das ­Gefühl, dass du zu viel von dir preisgibst?
Nein, denn ich denke, die Leute schätzen es, wenn man ehrlich zu ihnen ist. Ich will Musik machen, die für immer bleibt und den Menschen etwas gibt. Wenn es dir schlecht geht, will ich, dass du dir meine Musik anhörst. Meine Songs sollen keinerlei negative Vibes auslösen, sondern der Hörer soll sich dadurch besser fühlen.

Dein kommendes Album trägt den Namen “Man On The Moon: The End Of Day”.
Ja, das Album erzählt die Geschichte eines Abends. Die Story beginnt mit dem Einschlafen. Zu Beginn hört man meine Titelmusik “The Dream Dance”, die eine gewisse Benommenheit versprüht, aber eigentlich nur als Einstieg ins Album, und zu dem, was man erleben wird, dient. Es ist also ein Konzeptalbum, wie einer dieser Filme, bei denen es von Anfang an richtig abgeht. Wenn man sich den dritten Song anhört, denkt man sich: “Damn, das ist erst der dritte Track, wie wird sich dann der achte Track anhören?” Es werden 16 oder 17 Songs auf dem Album sein, aufgeteilt in fünf Akte, die je drei Szenen enthalten. Es soll so rüberkommen, als wenn man ein Drehbuch liest. Die Mixtapes waren die TV-Serie und dies ist nun der Film.

Kid Cudi

Gehst du trotzdem in verschiedene ­musikalische Richtungen, auch wenn du dich an einem Konzept festhältst?
Definitiv. Emile hat einen Großteil der Platte produziert und gemeinsam mit mir den Sound definiert. Kanye und Common sind dabei, zudem habe ich Produktionen von Ratatat, MGMT, Dot Da Genius, Mike Jean-Baptiste und meinem Manager Plain Pat. In Sachen Kreativität wird das Album einiges verändern.

Hast du weitere Zukunftspläne?
Ich drehe eine TV-Show und einen Film. Mit meinem zweiten Album habe ich bereits begonnen, insgesamt ist eine Trilogie geplant. Nach “Man On The Moon: The End Of Day” wird “Man On The Moon: The Ghosts And The Machine” folgen und der dritte Teil wird voraussichtlich “Man On The Moon: The Return Of The Knighters” heißen. Danach erscheint eventuell noch ein Album mit der Vorgeschichte. Nach diesen vier Alben habe ich meine Geschichte erzählt, dann wird es nur noch Kollabo-Alben, aber keine Soloplatten mehr geben.

Es scheint zu einem Trend zu werden, dass Künstler sich nach wenigen Alben bereits zurückziehen wollen.
Wenn man eine spezifische Message verbreiten will, gibt es nichts mehr zu sagen, sobald diese an die Leute gebracht wurde. Zu meinem Glück habe ich andere Wege, um Geld zu verdienen, wie etwa die Schauspielerei. Ich will mich einfach um meine Familie kümmern können, und dann bin ich zufrieden. Ich mache Musik nicht wegen des Geldes, sondern um meine Botschaft zu verbreiten. Natürlich will ich Platten verkaufen, aber wenn ich Platin gehe, denke ich nicht ans Geld, sondern an die Million Fans, die ich erreichen konnte. Denn sie hätten es sich auch downloaden können – es ist ja völlig klar, dass das Album zwei Wochen vor dem Veröffentlichungstermin im Internet sein wird. Wenn es sich die Kids aber trotzdem kaufen, zeigt das ihr ehrliches Interesse an Kid Cudi.

Text: Fabian Merlo

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