Moritz Bleibtreu & Kida Ramadan Vs. The Beats: »Wie heißt das? Rap? Das mag ich!« // Feature

-

»Brudi-Kino«, so hat der Journalist Moritz von Uslar unlängst das Genre genannt, zu dem auch »Nur Gott kann mich richten«, der Ende Januar anlaufende neue Film von Moritz Bleibtreu und Kida Ramadan, zu zählen ist. Gezeichnet wird das Genre durch ein Setting im Gangstermilieu, persönliche Einzelschicksale, Gewalt, Hoffnungslosigkeit – und einen passenden HipHop-Soundtrack natürlich, den in diesem Fall kein Geringerer als Xatar beigesteuert hat. Grund genug, mit den beiden Hauptdarstellern Moritz Bleibtreu und Kida Ramadan mal durch ein paar Raptracks zu skippen.

Kurtis Blow – The Breaks (1980)

Moritz: (rappt von der ersten Sekunde an mit) Kann ich auswendig. (grinst)

Der erste HipHop-Track, der dich geflasht hat, oder?
Moritz: Auf jeden Fall. Meine Initialzündung. Ich habe vorher schon Sugarhill Gang und Eighties-Funk gehört – so im Alter von 13 bis 18. Aber als dann dieser Track lief, war das so: Wie heißt das? Rap? Das mag ich!
Kida: Aber auch geile Beats früher, oder? Voll schade, dass über so was heute keiner mehr rappt. Ich würde das feiern.

Kida, wie hat es bei dir angefangen?
Kida: Mit Fu-Schnickens, Das EFX …
Moritz: (rappt den Refrain des Songs »True Fu-Schnick«) Das war Anfang der Neunziger, da habe ich in New York gelebt, Alter – und Acts wie Black Sheep im Meat District live gesehen, als die noch keine Sau kannte. (rappt einen Part aus »The Choice Is Yours« vom »A Wolf In Sheep’s Clothing«-Album)
Kida: Kennt ihr noch Bushwick Bill? Geto Boys? (summt die Melodie von »My Mind Playing Tricks On Me«) Ohrwurm!
Moritz: Sicher, Dicker! Scarface!
Kida: Geto Boys, EPMD, DJ Quik – das lief bei meinem Kumpel immer in der WG.
Moritz: Das war aber alles schon viel später. Da merkt man, dass du fünf Jahre jünger bist als ich.
Kida: Ja, stimmt. Sugarhill Gang und so, das hat eher mein älterer Bruder gehört. Der ist jetzt fast fünfzig.
Moritz: Jetzt haue ich mal einen raus für einen JUICE-Redakteur: Ahnst du noch Tuff Crew?

Klar. Ich habe alle Platten, angefangen vom »Danger Zone«-Album, bei mir im Schrank stehen.
Moritz: Dicker! Der erste Scratch-Part auf der »Back To Wreck Shop«-Platte von DJ Too Tuff …?! Damals haben sich alle noch an Jazzy Jeff orientiert, und dann kam dieses Album, und alle nur so: »Was sind denn das bitte für Typen?!« Wenn ich dir meine HipHop-Top-3 nennen müsste, die Tuff Crew wäre auf jeden Fall mit dabei!

Ihr habt früher auch beide gebreakt, oder?
Kida: Ja, obwohl ich der schlechteste Breaker der Welt war. Ich war aber sehr gut darin, so zu tun, als ob ich gut wäre.

Du hast mit deinen Kumpels sogar auf dem Ku’damm getanzt.
Kida: Ja, da waren wir etwa 13 und haben Geld von den Touristen eingesammelt. Wir hatten drei richtig gute Jungs, und ich hab moderiert: »Das ist Juan, das ist Julio – wir sind aus Chile!« (lacht) Am Tag kamen immer so sechzig Mark zusammen, die wir dann geteilt haben.
Moritz: Ich habe mit dem Breaken eine Zeit lang richtig gut verdient. In einer Crew habe ich übrigens getanzt mit Alfonso Losa, der später lange in der ARD-Serie »Marienhof« mitgespielt hat, und mit David Jost, der später in der Boyband Bed & Breakfast war und danach Tokio Hotel produziert und großgemacht hat. Mit diesen Jungs habe ich drei, vier Jahre lang getanzt – richtig mit Sponsoren, deutsche Meisterschaften, alles. War geil.

Hast du noch Moves drauf?
Moritz: Hm, na ja … ne Windmühle, Hand Glide, Turtle – das kriege ich alles noch hin. Aber in Zeitlupe.

Fünf Sterne deluxe

Dein Herz schlägt schneller (1998)

Kida: Fanta 4, oder?
Moritz: Nee.
Kida: Frauenarzt?
Moritz: Nee, irgendwas Hamburg. Deichkind? Ich hab’s: Fünf Sterne!
Kida: Ach, das ist doch die Crew von Bo, ne? (singt:) »Bon Voyage – beweg deinen Arsch!«

Was du zitierst, Kida, ist »Bon ­Voyage« von Deichkind feat. Nina MC. Das verwechselst du gerade mit »Türlich, türlich« von das Bo.
Kida: Ach, das ist gar nicht der Track mit Nina MC, stimmt.
Moritz: Mit Nina war ich übrigens mal zusammen, drei Monate. Da war ich 16. (grinst)
Kida: Echt? Ich hab vor zehn Jahren mal in der RTL-Serie »Lasko« mitgespielt, in der sie die Episodenhauptdarstellerin war. Mit dem damaligen Regisseur hat sie mittlerweile zwei Kinder.
Moritz: Ich muss ja gestehen: Ich habe mich immer schwer getan mit deutschem Rap. Ich habe den immer verfolgt und gehört, war aber sehr im Ami-Rap verwurzelt und bis 22 ein absoluter Rap-Nazi.

Ab wann konntest du mit Deutschrap was anfangen?
Moritz: Das erste Mal richtig hingehört habe ich beim Rödelheim Hartreim Projekt, die hatten auch mal mehr als nur einen Reim in nem Satz. Später auch Savas und die Aggro-Sachen, aber ganz ehrlich: Deutscher Rap hat für mich erst mit Haftbefehl begonnen. Erst das war für mich Real Rap.
Kida: Diese Authentizität.
Moritz: Auch als ich damals den Film mit Anis [Bushido, »Zeiten ändern dich«; Anm. d. Verf.] gemacht habe … »Vom Bordstein bis zur Skyline« ist ein mega Album. Trotzdem fehlte mir da immer noch der letzte Rest. Den hat für mich erst Hafti rausgekitzelt und das dann auch breit in den Mainstream katapultiert.

Eko Fresh – Gheddo feat. Bushido (2006)

(als es losgeht mit »Eko Fresh/Ghetto-Chef«)
Kida: Klar: Eko. Der hat es sehr schwer, der Arme. Die Gangster sagen, er sei kein Gangster. Die Hipster feiern ihn zwar, aber nicht richtig, und die normale Gesellschaft auch nicht. Das ist traurig. Der ist ja auch noch gar nicht so alt, aber schon seit 17 Jahren dabei.
Moritz: Der hat alles durch, was du im sogenannten Rap-Game in Deutschland durchhaben kannst.
Kida: Ey, der hat das krasseste Comeback gemacht, das es in Deutschland je gab. Er war ganz unten und hat sich wieder hochgekämpft. Und: Er hat viele Leute im Musikgeschäft zu Millionären gemacht.
Moritz: Das ist auch der liebste Kerl, der rumrennt. Sehr sympathisch. Guter Rapper. Schwer Tupac inspiriert, aber geil. (grinst)
Kida: Und für den einen oder anderen Rapper hat der auch schon was Gutes geschrieben, sag ich mal.
Moritz: Das verstehe ich aber nicht, Digger. Wenn Raptexte zu schreiben das Einzige ist, was du zu tun hast – das wirst du ja wohl noch hinkriegen. Zwei Sechzehner pro Song sollten schon möglich sein, wenn man alle zwei Jahre ein Album macht. Aber vielleicht kenn ich mich da auch einfach nicht genug aus. (lacht)
Kida: Eko hat mir deutschen Rap wieder nähergebracht und mir erklärt, dass es da kaum noch um die Musik geht. Du musst nicht mehr zwingend gut rappen können, solange du ein vermarktbares Image hast.
Moritz: Es gibt ja auch keine andere Musikrichtung, die so am Zeitgeist hängt wie Rap. Rap ist der Rock’n’Roll unserer Zeit.
Kida: Trotzdem finde ich das schade. Aber in der Filmbranche werden jetzt ja auch Youtuber gecastet.
Moritz: Das Genre entwickelt sich einfach. Du kannst auch jemandem wie Lil Uzi Vert nicht den Vorwurf machen, dass er DJ Premier nicht kennt. Das ist alt, Digger. Und wir können da nicht anfangen zu heulen, sonst reden wir wie unsere Eltern.

Könnt ihr mit der neuen Garde denn etwas anfangen?
Kida: Mir tut es weh, wenn irgendwelche Blogger plötzlich anfangen zu rappen und mit ihren Alben dann vor den HipHoppern auf die Eins gehen.
Moritz: Mir persönlich ist jemand, der wie Tupac rappt, näher als irgendwelche Trap-Jungs. Aber als ich Migos zum ersten Mal gehört habe, war mir trotzdem klar: Das sind die Jimi Hendrix’ der Neuzeit. Die werden alles revolutionieren und auf den Kopf stellen. Ich feiere das, ich pumpe das, aber mein Herz hat trotzdem eine gewisse Distanz dazu.

Taktlo$$ – Wer ist (2004)

Kida: (nach vier Sekunden) Den Typen kenn ich doch, Alter: Takti! Der hat gerade ein Video gedreht für Jack Orsen, in dem ich auch mitspiele. Die haben Wasser über meinen Kopf geschüttet, ich musste auf dem Boden rumkriechen – diese Psychos! (lacht) Aber ich hab alles mitgemacht.

Was schätzt du an Taktlo$$?
Kida: Das ist ein krasser Künstler mit einem eigenen Kopf. Alle wollen ein Feature mit ihm machen, aber er hat keinen Bock. Der spielt sein letztes Konzert, alle gehen hin, zwei Wochen später gibt es wieder ein letztes. So ist Taktlo$$.

Ahnst du den auch, Moritz?
Moritz: Ich achte und respektiere das, weil es so eigen ist, aber ich fühle und pumpe das nicht. Das ist mir zu wirr.
Kida: Ich habe Savas mal getroffen, mit dem ich auf derselben Schule war, und hab ihn gefragt, ob er Takti noch manchmal trifft. Und Savas so: »Nein – ­Kontaktlo$$.« (lacht)

Wie ist eure Meinung zu Beef innerhalb der HipHop-Szene?
Moritz: Das meiste ist doch aufgebauscht. Alle Leute fragen mich immer, was denn da wieder los ist, weil ich die ja alle kenne. Und ich kann dann immer nur sagen: Das sind alles ganz liebe Leute. Da könnt ihr euch noch so sehr das Maul zerreißen. Aber dieses Beef-Thema scheint auch immer mehr an Relevanz zu verlieren.
Kida: Das geht ja eh immer erst dann los, wenn jemand ein neues Album rausbringt. Stell dir mal vor, wir würden auch immer einen Streit vom Zaun brechen, wenn wir einen neuen Film promoten.
Moritz: Digger – lass das mal machen: Andere Schauspieler dissen! (Gelächter) Und dann am besten irgendwelche Filmszenen raussuchen und in andere Kontexte packen. Mega Idee, Kida!
Kida: Machen wir. Und am Schluss blenden wir dann ein: »Und nicht vergessen: Ins Kino gehen!« Aber beim Film würd’s das nie geben.
Moritz: Erinnert ihr euch noch an den Film »Männerpension« von Detlev Buck, Mitte der Neunziger? Das war eine Zeit, in der Katja Riemann in nahezu jedem deutschen Film mitgespielt hat. Und dann haben die auf die Kinoplakate von »Männerpension« echt so Banner gepackt, auf denen stand: »Garantiert Riemann-frei« – kein Witz! (Gelächter) Das hat’s also schon mal gegeben.

Veysel, Massiv & Gringo44 – 4 Blocks (2017)

Kida: (nach zwei Sekunden) Veysel! Der Junge hat ein gutes Album gemacht, viele Hits! Der hatte aber Probleme mit dem Lieferanten, glaube ich. Aber er war sehr glücklich, dass er Top Ten gegangen ist.

Seid ihr noch in Kontakt?
Kida: Ja, klar. Im Januar fangen ja auch die Dreharbeiten zur zweiten Staffel von »4 Blocks« an.
Moritz: Ich kenne nur die erste Single. Fand ich aber gut, auch das Video: Alles dick und schön. Ich mag ihn persönlich auch unheimlich gerne. Das ist ein ganz lieber Typ. Ich hab den damals beim Dreh vom »Nur noch 60 Sekunden«-Video mit Celo und Abdi kennengelernt, wo der mir sofort schauspielerisch aufgefallen ist. Das hab ich ihm auch ins Gesicht gesagt. Daher hat es mich sehr gefreut, als ich mitbekommen habe, dass er bei »4 Blocks« am Start ist. Was viele aber nicht wissen: Veysel hat auch ein unheimliches komödiantisches Talent! Das ist echt ein Sonnenschein. Mit ganz viel Herz.

Wie ist er zu »4 Blocks« gekommen?
Kida: Die haben damals alle Rapper gecas­tet, die’s gibt. Ich hab dann mal ein Video gesehen, in dem er Schauspielunterricht nimmt, und davon habe ich Marvin Kren erzählt, dem Regisseur der Serie. Also hat er ihn zum Casting eingeladen, und da haben alle Schiss vor Veysel bekommen: Der hat sich in einer Szene mit Freddie [Frederick Lau; Anm. d. Verf.] einen Hammer genommen, seinen Kopf gepackt, ihn böse angesehen und gezischt: »Sprich!« Die Casterin ist aufgesprungen und hat geschrien: »Nein, nein – stop!« (lacht) So hat er die Rolle bekommen.
Moritz: Wer übrigens auch Talent hat, ist Ssio. Und Xatar sowieso!
Kida: Die haben die Straße eben auch erlebt. Auf der Straße musst du schauspielern und entertainen. Das gehört dazu.
Moritz: Aber vor der Kamera ist das noch mal was anderes. Außerdem muss sich das auch auf den Zuschauer übertragen, und das schafft nicht jeder. Ich habe ja den Film »Familiye« co-produziert, in dem Xatar auch mitspielt und der, wenn alles gut läuft, 2018 in die Kinos kommt. Beim Filmfest Oldenburg haben wir dafür sogar den Publikumspreis gewonnen. Die Jungs, die den Film gemacht haben, sind auch Freunde von Kida: Kubilay Sarikaya und Sedat Kirtan, Spandauer Jungs. Giwar [Xatar; Anm. d. Verf.] hat dazu nicht nur den Soundtrack gemacht, sondern auch eine größere Rolle gespielt.

Wie hast du Xatar kennengelernt?
Moritz: Als ich das Drehbuch zu »Nur Gott kann mich richten« gelesen habe, hab ich gesagt: »Lass uns das mal mit Rap vollballern!« Ich hatte bereits die Idee, vielleicht so was wie ne Kollabo zu machen, ähnlich wie früher beim Film »Murder Was The Case« und Snoop Dogg. Und als ich darüber nachgedacht habe, was für ein Sound mir da vorschwebt, habe ich direkt an AON gedacht. Deren Kopfnicker-Beats im aktuellen Gewand, das hat genau gepasst. Also hab ich die angeschrieben. Das lief über Eldin von Adopekid, die übrigens auch das Kinoplakat und den ganzen Web-Auftritt für den Film gemacht haben.

(Die Presseagentin beendet das Interview. Der Zeitplan ist eng.)
Moritz: Zum Schluss muss ich aber noch anmerken: Ich bin momentan voll auf Grime! Big Shaq, Digger (bellt konsonantenhaltige Laute) Hast du dir die Scheiße mal angehört?! Das ist so geil, wenn du das laut aufdrehst! Die rappen gar nicht mehr, die machen nur noch Geräusche! (lacht)

Foto: William Minke (Kida Ramadan)/Matthias Bothor (Moritz Bleibtreu)

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #184.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein