»Um den ganzen Wahnsinn zu verstehen, der in jeder Zeile steckt, sollte man kiffen« // Marsimoto im Interview

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Ein Hinterhof im tiefsten Osten Berlins, irgendwo im Niemandsland zwischen Friedrichshain und Lichtenberg. Gegenüber ragt ein monströser Plattenbau in die Höhe. In einem ehemaligen Stasi-Gebäude haben Marsimoto und seine Freunde ihr Studio eingerichtet. Sie haben es »Wir waren mal Stasi«-Studio getauft. Kid Simius, Nobodys Face und Dead Rabbit lungern an ihren Rechnern herum. Die drei weiteren Räume haben Tua, Chefket und der Techno-Produzent K-Paul gemietet. Marsimoto trägt ein grünes Kostüm, grüne Lack-Dunks und hat eine Plastiktüte mit Bier und Jägermeister-Schnäpsen dabei. Dead ­Rabbit rollt einen Joint. Die Wände werden von Plattencovern in verschiedenen ­Grüntönen gesäumt: Kool Keith, Creutzfeld & Jakob, ­Stieber Twins, The Roots. Kein Zweifel: Wir sind in Green Berlin gelandet.

»Grüner Samt« ist ein Manifest, so wie es vor fünf Jahren »Halloziehnation« war. Das Album, das die deutsche Rap-Szene völlig kalt ­erwischte. Doch ein Teil jubelte über die offensichtliche Quasimoto-Hommage auf verspulten Dead Rabbit-Instrumentals. Die ­JUICE, Jan Delay, Samy Deluxe und Peter Fox waren sich bald einig: Hier passierte Großes. Die Wachablösung der letzten Deutschrap-Generation, die später von Casper, Prinz Pi und Konsorten weitergeführt werden sollte. Bald standen Labels und Verlage in Green Berlin Schlange und wollten ein Teil dieser Erfolgsgeschichte sein. Der Geschichte von Marten Laciny aus Rostock, einem Ex-Model, Ex-U17-Fußballnationalspieler und Ex-Schauspielschüler, der vor allem einen Haufen gute Ideen und ein unglaubliches Maß an Überzeugungskraft mitbrachte. Man war sich einig: Ob nun als Marsimoto oder als Marteria, der Bursche sollte gefälligst den deutschen HipHop retten. Aber schnell.

Nach dem Deal mit Four Music folgte »Zu zweit allein«. Den impliziten Rückgriff auf die goldene Deutschrap-Ära trug das Album dank Stieber Twins-Referenz bereits im Titel. Wer allerdings rückwärtsgewandte Retro-Ästhetik erwartete, war komplett schief gewickelt. Britische Bässe trafen auf teutonische Techno-Tradition, schranzigen French House und die steinmauerharten Snares des amerikanischen Rap. Auf dem Album fanden sich jedoch neben allerlei typischen Marsimoto-Themen auch ein paar versprengte Marteria-Elemente. Sei es, weil die neue Plattenfirma doch einen gewissen Einfluss auf die Verkäufe nehmen wollte, die man Marsimoto im Gegensatz zum massenkompatiblen Marteria einfach nicht zutraute – vielleicht aber auch, weil vielen Hörern dieser Stimmeffekt als Gimmick zu anstrengend für eine ganze Platte erschien. Daher rührten Kompromisse, die Marten heute nicht mehr bereit ist zu machen.

2010 drehte das zweite Marteria-Album »Zum Glück in die Zukunft« die komplette Rap-Welt auf links, ein Jahr später war sein Schöpfer ungewollter Gegenstand der Klatschpresse, nahm an Stockcar-Rennen bei Stefan Raab teil und befand sich auf direktem Weg in die Parallelwelt zwischen »Bild«-Zeitung, RTL2-News und promiflash.de. Marsimoto schlummerte die ganze Zeit im Hintergrund. Er steht für die »Outness«, wie Marten es formulieren würde, die in jedem von uns steckt. Und ja, verdammte Axt, das muss auch auf Albumlänge funktionieren. Ohne Pop-Melodien, dafür mit Dubstep-Basslines, Säure-Synthies und treffsicheren Texten für die Außenseiter und Ausgestoßenen. »Grüner Samt« eben – ein Manifest für den Untergrund, in einer deutschen Rap-Traditionslinie von Advanced Chemistry über Dynamite Deluxe bis King Orgasmus One. Ein Gespräch mit Marten Laciny in der Rolle des Marsimoto.

Danke für die Einladung ins Studio. Ist »Grüner Samt« hier entstanden?
Nee. Das ganze Album ist in Spanien entstanden. Wir waren in Calahonda, einem kleinen Ort ungefähr 45 Minuten von Granada entfernt, wo unser beliebter DJ, Keyboarder und Gitarrist Kid Simius lebt. Da haben wir uns über Bekanntschaften ein wunderschönes Haus mit einem Swimmingpool gemietet und haben da so drei Wochen abgehangen.

Wie kann man sich den Tagesablauf dort vorstellen?
Man kann sich das genauso vorstellen wie hier. Wir sind zwischen 10 und 12 Uhr aufgestanden, haben erst mal den Poolbereich vom Abend davor sauber gemacht, vor allem das Wasser mit so einem Netz gesäubert, und dann haben wir Frühstück zusammen gegessen. Danach habe ich angefangen zu schreiben. Zwischendurch haben wir immer geschnorchelt. Es war wichtig, zweimal am Tag die bunte Fischwelt im Mittelmeer sozusagen zu durchschnorcheln. Einmal wurde ich von einer Feuerqualle angefallen, und mein ganzer Arm war rot. Deswegen kommt das Wort »Feuerqualle« auch auf meinem Album vor. Ansonsten haben wir Beats gemacht und abends viel gegrillt – Fisch, Calamares und Shrimps.

Habt ihr die Revolte mitbekommen?
Nee. Das war genau vor der Revolte. Wir waren sogar noch bei einem Stadtfest in Granada und beim Fußballspiel von Villareal gegen Granada. Da war noch nichts, da war alles noch Friede, Freude, Eierkuchen.

Würde Marsimoto denn rebellieren?
(seufzt) Ich wäre eher der Typ, der in den Felsen auf einem Hochstuhl sitzt und sich den Sonnenuntergang anschaut, als dass er in die Stadt fahren würde. Allein diese Umstände, in eine Stadt zu fahren – das bedeutet ja, mit einem Auto, Zug oder Bus fahren zu müssen. Ich bin lieber draußen in der Natur.

Wie findest du deine Themen?
Diese Platte ist auf jeden Fall eine Randgruppenplatte. Indianer, Zigeuner, Spalding-Basketbälle. Absinth trinkt keiner mehr. Uwe ist out. Es gibt einen Song, der »Blaue Lagune« heißt, der ist aus der Sicht eines Wals geschrieben. Es geht um Tiere und um Randgruppen. Das ist das, was Marsi schon immer gemacht hat – so wie damals mit dem ausgesetzten Hund. Das sind einfach schöne Geschichten. Auf der »Green JUICE«-EP gibt es ja auch den Song »Eine kleine Bühne«, wo es darum geht, wie gerne diese Bühne mal groß wäre. Jeder kennt sie, die kleine Bühne auf den Festivals, und jeder weiß, wie es da ist, mit den Hippies davor und dem Scheiß-Sound. Marsi steht auf deren Seite.

Ist es nicht so, dass ein Stück ­Marsimoto in jedem von uns steckt?
Das stimmt. Es geht darum, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Es gibt viele Menschen, die das machen. Manche Augen sind natürlich böse und die sehen die Welt nicht so wie Marsi, dann geht das eher in die falsche Richtung. Aber ich glaube, dieses Verrückte, etwas zu sagen, was man sonst lieber in seinem Kopf behält – das ist der Unterschied. Marsi sagt es einfach.

Der erste Satz lautet: »Endlich wird wieder gekifft.« Muss man high sein, um »Grüner Samt« zu verstehen?
Ja. (lacht) Um den ganzen Wahnsinn zu verstehen, der in jeder Zeile steckt, sollte man kiffen. Aber ich habe schon zwei Alben gemacht und da haben mir auch Leute gesagt: »Ich kiffe nicht, aber es ist trotzdem supergeil.« Ich kann es mir ja nicht vorstellen, wie das wäre. Es ist schwierig. Ich kann mich da nicht reinversetzen. Ich bin Marsi.

Wie hast du das denn empfunden, von Anfang an sehr positiven Zuspruch zu bekommen?
Das fand ich cool. Das wart ja auch ihr mit der einen Seite in der JUICE. Das war aber auch Jan Delay, der gesagt hat: »Komm mal mit auf Tour.« Aber ich wusste natürlich schon immer, dass es genau so passieren wird. Das war ja vorprogrammiert. Weil es so cool ist. Die Outness siegt. Mal kucken, wie weit das geht. Es kann auch sein, dass Marsimoto unterschätzt ist. Es gab diesen Marteria-Erfolg, und plötzlich konnte man mit deutschem Rap wieder Platten verkaufen. Jetzt läuft das alles sehr gut. Marsi hat sich das aus der Distanz angekuckt, denn er wurde nicht so beachtet, wie er das gerne hätte. Da ist schon so ein bisschen Übelkeit im Bauch, die aufstößt.

Nervt es dich also, im Schatten von Marteria zu stehen?
Es ist einfach unfair. Beim splash! hatte ich den grünen Rauch. Das kostet ja auch alles Geld. Und dann nur dieses kleine Medley zu machen, das fand ich schon scheiße. Nein, das geht mir richtig auf den Sack.

Hat Marteria an dem Album denn ­mitgearbeitet?
Ja, klar. Er ist ab und zu mal kurz reingehuscht, hat sich für einen Satz geopfert. (lacht) Nein, ganz ehrlich: Er hat viel für uns gemacht, für Green Berlin und das ganze Ding. Es geht doch nur um diese ganzen großen Hallen, die Nightliner und dieses Blabla. Er ist trotzdem tight und ich liebe Songs wie »Veronal«, die sprechen mir einfach aus dem Herzen. Ob man nun über russische Frauen rappen muss, das ist sein Ding. Ich bin Marsi, das brauche ich nicht.

Was ist die Eigenschaft, die du an ihm am meisten hasst?
Diese Geradlinigkeit. Diese Schönheit. (lacht) Dieses Heroische. Immer sagen zu müssen: »Komm jetzt, es ist schon ein Uhr, da muss längst alles auf der Bühne stehen, warum ist der Sound da jetzt noch so scheiße, warum klingt das In-Ear kacke?« Dieser ganze Mist. Ich entspanne mich lieber im Bus und spiele noch ein bisschen Playstation. Das nervt einfach, dieses Professionelle. Da muss immer alles ausgecheckt sein.

Wie findest du das, wenn er plötzlich zum Objekt der Klatschpresse wird – Stichwort »Schleck-Affäre«?
Das habe ich alles nicht gesehen, da war ich gerade in Spanien. Davon habe ich überhaupt nichts mitbekommen. Das ist alles Kindergarten – und wenn er jetzt in diesem Kindergarten spielt… Mein Gott, ob er da jetzt reinwollte oder nur jemanden abholen wollte, das weiß ja keiner. Ich selbst bin da immer nur wegen dem guten Essen.

Viele behaupten ja, Marteria hätte ­deutschen HipHop gerettet. Solche Hypes nerven dich auch, oder?
Ach, das ist doch totaler Scheiß. Entweder ist eine Platte gut oder nicht. Für mich zählt nur die Qualität. Das ist eine Tatsache, die Marteria und mich verbindet. Aber ich komme hier mit etwas um die Ecke, das ist noch mal eine ganz andere Nummer.

Welche Musik hat dich bei den Aufnahmen der neuen Platte beeinflusst?
Wir waren in Spanien, aber die Platte klingt eher nach Island. Oder nach ein bisschen Moskau mit ein bisschen Kapstadt, London und Berlin. Die Einflüsse sind immer dieselben. Es ist immer geil, Company Flow, Kool Keith, Madlib und J Dilla zu hören. Und am Ende klingt es so wie es klingt, nicht weil die Jungs hier so geile Beats machen, sondern weil ich sie picke. Ich habe eine Song-Idee und picke das Gefühl dafür. Aber der Beat als solcher klingt total langweilig. Erst durch mich entsteht eine Geschichte und auf einmal fangen die Steine an zu leben.

Warum zollst du mit dem Titel dem Torch-Album »Blauer Samt« Tribut?
Ich war ja beim 40-jährigen Geburtstag von Torch in Heidelberg, eine ganze Woche lang. Da waren halt Leute wie Ebony Prince, Jan Delay, Max Herre, die Stieber Twins, Toni-L, D-Flame und tausend andere Helden. Ich war der einzige Newschooler da, das war halt geil. Ich will lieber zu diesem HipHop gehören als zu dem anderen HipHop. Für mich ist es wahnsinnig, wenn ich mit Max Herre »Wenn der Vorhang fällt« performen kann. Oder wenn ich mit meinem großen Vorbild Aphroe »Eiszeit« oder »Westwinde« performen kann. Damit bin ich groß geworden, das ist mein deutscher HipHop. Gut, dabei zu sein.

Gab es Druck von Seiten der ­Plattenfirma, dass ein Marsimoto-­Album kommerzieller werden muss?
Nee. Das riecht Marsi, wenn einer von den Labelfuzzis ankommt, selbst wenn der noch fünf Kilometer entfernt ist. Das findet er nicht gut. Denn wenn ich die Spree grün einfärben lasse, wenn ich den Fernsehturm grün anstrahle mit einem riesigen Heizstrahler, oder wenn ich den Reichstag grün einkleide, dann macht das alles Marsi. Deswegen lasse ich mir bei meiner Musik niemals reinreden. Nie dürfte irgendjemand entscheiden, was eine Single ist. Es gibt eh keine Singles. Jeder Song ist ein Welthit. Das ist eine ganz klare Ansage. Deswegen hat da ein Label oder ein Management auch gar nichts zu suchen.

Du hast eben gesagt, dass du nicht zum »anderen« HipHop gehören ­möchtest. Bist du wütend auf die aktuelle ­deutsche HipHop-Szene?
Wenn ich das bejahen würde, würde ich zu viel Interesse daran zeigen. (lacht) Vieles hat einfach kein Interesse verdient. Es gibt einfach die Leute, die ich feiere, und die wird es immer geben. In meiner Woche gibt es ja eine Gangsta-Rap-Zeit: Sonntag um 17:45 Uhr beginnt eine zweieinhalbstündige Zeit, wo man sich durch Blogs klickt, durch Videos channelt und so. (lacht) Da gefällt mir dann sehr viel. So ein Kollegah-Video, wo er in Zürich am See flaniert – super. Ich hab ja keinen Fernseher zu Hause. Da, wo bei allen anderen der Fernseher steht, habe ich einen Sandwichtoaster.

Wenn man den Sound von Marsimoto personalisieren könnte, wie würde der aussehen?
Schwierig zu sagen. Jedenfalls nicht wie Alf, eher wie Pumuckl, nur in cool. Er steckt jedenfalls in jedem drin, daher kann sich das jeder am besten selbst vorstellen. Auch die, die Marsimotos Stimme hassen und es einfach nicht verstehen, selbst diese Menschen haben ihn in sich drin. Das ist das Schöne. Es ist sehr wichtig, diese Outness zuzulassen und sie nicht zu verriegeln. Jeder hat diesen Outness-Schrank in seinem Schlafzimmer stehen, aber viele schließen den falschen Outness-Schrank auf, wo dann Pornoheftchen und Dildos rausgeflogen kommen.

Wann hast du das letzte Mal vom Weed-Rauchen geweint?
Meine erste Bong hieß »Mr. Zwiebelkopf«. Wir hatten damals in Rostock nämlich keine Bong und haben eine aus einer Colaflasche und einer Zwiebel gebaut. Das war sehr unclever. Wir haben das Weed in die Zwiebel gelegt und geraucht. Und wir haben natürlich wahnsinnig geweint.

Hast du schon mal von zu viel Weed kotzen müssen?
Niemals. Aber ich kiffe ja nicht wirklich. So wie Obelix damals in den Topf mit dem Zaubertrank gefallen ist, bin ich in den Weed-Topf gefallen. Das ist dieser Bud Spencer-Effekt. Der muss kein Training machen, um dir eine Schelle zu geben. Ich empfehle trotzdem jedem zu kiffen, weil es erstens gut gegen Krebs ist und zweitens auch glücklicher macht. Man kann viel länger ausschlafen.

Welche Farbe haben deine Körperausflüsse?
Es gibt keine Ausflüsse. Das ist der »Green Juice«, ihr nennt das »Green Lemon« in euren Spätkäufen.

Was ist dein Bezug zu Island?
Auch Marsi macht mal Urlaub. Auf Island hatte ich den schönsten Urlaub meines Lebens. Wenn man mal auf Island war, braucht man nicht mehr auf den Mars. Ich sollte Botschafter für Island werden. Wenn man die Natur da sieht – Robben, Isländerpferde, Wasserfälle… Ich bin schon ein Naturbursche.

Ist das Island auf dem Albumcover?
Nee. Das habe ich selbst gemalt.

Mit »Absinth« ist aber auch ein Song über Alkohol auf »Grüner Samt«. ­Woher dieser Sinneswandel?
Das ist Zeug, was dich wahnsinnig verrückt macht. Ähnlich wie gutes Dope. Da passieren verrückte Dinge. Deswegen hat ein kleiner Absinth-Laden es verdient, dass man ein Lied über ihn macht. Ich habe Absinth aus einem norditalienischen Kloster getrunken, der dort von Mönchen gebraut wird und der nicht grün war, sondern blau. Da kam der Entschluss zu sagen: Okay, ich mache ein Lied über Absinth.

Was genau hast du gegen die Kinder von Reichen und deren Sportarten?
Überhaupt nichts. Aber die sind immer so scheiße erzogen. Nicht alle, aber manche. Kinder brauchen doch eigentlich nur ein Bobby-Car oder einen Strand. Ein Stein, ein Stück Holz und ein See, das nannten wir damals DDR. (lacht) Da sind wir aufgewachsen. Wir waren trotzdem glücklich und hatten eine schöne Kindheit. Deswegen glaube ich, dass das alles scheiße ist. Ich hatte so eine Sendung gesehen über eine Junior-Modenschau in Mailand, für die Kids-Kollektionen von den großen Designern. Das musste einfach mal thematisiert werden.

Wer ist Uwe?
Jeder hat in seinem Freundeskreis einen Uwe. Hier im Raum sitzt sogar gerade ein Uwe. (lacht) Derjenige, der Uwe ist, der weiß es dann schon. Wir feiern ihn. Ich hab am meisten Sympathien für Uwe. Immer für Uwe! Niemals für Alex oder Guido!

Warum soll Barack Obama den ­Indianern ihr Land zurückgeben?
Wir hatten in Spanien ja kein Internet, als wir die Platte gemacht haben. Wir konnten nichts nachschauen. Wir wussten nicht, wer wann genau gestorben ist, wie viele Kugeln wirklich in Tupac geflogen sind – waren es nur fünf? Ich sag sechs. Aber ich hab einfach geraten, denn wir hatten ja kein Internet. Wir wussten auch nichts über Indianer, außer dass wir uns zum Fasching immer als Indianer verkleidet haben. Das hat ausgereicht, um diesen Song zu schreiben. Ob das jetzt »Apache«, »Apahache« oder »Apanache« heißt, ist dann auch egal. Es geht nur darum, dass Indianer immer die coolsten Typen waren, mit den besten Oufits. Wie die Züge überfallen haben, was die gegessen haben, wie die gestorben sind… Ich war immer für die Indianer und gegen die Cowboys. Das hat mein Vater mir so beigebracht.

Diese Sympathie für die Außenseiter zieht sich durch das Album. Woher kommt das?
Man kann das an der Farbe Pink perfekt erklären. Als Kinder kauen wir alle pinke Kaugummis, und irgendwann ist es dann »schwul«. Dabei ist das eine Farbe. Wie kann ein Mensch bestimmen, was eine Farbe ist? Das ist totaler Scheiß. Es ist total bescheuert, etwas auszugrenzen. Man muss immer die Schwachen verteidigen. Jeder, der das mal gemacht hat, weiß, wie viel besser das ist, als einem Schwachen eins aufs Maul zu hauen. Das ist einfach ein Gefühl, das jeder hat, auch der krasseste Gangster. Deswegen steht man loyal zu Menschen, genau wegen diesem Gefühl.

Warum gehört Marsimoto nicht in die großen Hallen?
Diese Intimität und dieses Gefühl, den Leuten nah zu sein – das ist mir eigentlich scheiß­egal. Es ist einfach geiler, wenn man weniger Licht bezahlen muss. In so großen Hallen wäre das wahnsinnig teuer. Die Größe, die wir haben, die siehst du aber ohnehin nur auf der kleinen Bühne.

Wird Marsimoto immer Untergrund bleiben?
Ja. Marteria auch. Das hat ja nichts damit zu tun, ob ein Song in den Charts ist, sondern es geht darum, wie es klingt und was es ist. Das bedeutet ja nicht, dass man keine Platten verkaufen darf. Meine Meinung ist: Du kannst zwei Millionen Platten verkaufen und trotzdem Untergrund sein. Björk hat auch 20 Millionen Platten verkauft. Für mich ist sie trotzdem Untergrund. Es gibt einen Satz, der immer über allem stehen muss, außer im JUICE-Interview, weil er zu langweilig klingt: Es geht nur um die Musik.

Text: Stephan Szillus
Foto: Paul Ripke

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