Lil Peep – Come Over When You’re Sober Pt.II // Review

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(Smi Col /Sony Music)
Wertung: Fünf Kronen

Das erste Album nach dem Tod eines Künstlers sollte eigentlich gar nicht existieren. Besser: es kann eigentlich gar nicht existieren. Es steht vor der unmöglichen Aufgabe, sowohl den Durst nach neuen Songs zu stillen, der sich durch seinen Tod und die damit einhergehende verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit eingestellt hat, als auch den Plänen des Künstlers gerecht zu werden, der nun gar nicht mehr ist. In Lil Peeps Fall scheint sich das Prinzip umzudrehen. Als der Rapper vor einem Jahr starb, schien es vielen, als wäre seine tragische Geschichte von Anfang an so geplant gewesen, als wäre das die natürliche Konsequenz seiner Karriere und Ästhetik: Texte kurz vorm eigenen Kollaps, eine sehnsüchtige Attitüde, die den kommenden Tod bis ins Detail voraussagt sowie schlussendlich der goldene Schuss, um das Versprechen gewollt oder ungewollt zu besiegeln. Und so scheint das posthume Release »Come Over When You’re Sober Pt. II«, das im Laufe des letzten Jahres von seinen Hausproduzenten Smokeasac und George Astasio produziert und von Peeps Familie abgenickt wurde, eben nicht als Fremdkörper. Peeps Blick auf das Leben und seine Widrigkeiten bleiben natürlich dieselben, nur kontextualisieren wir sie mit dem Wissen um seinen Tod neu. Wenn er in dem Herzstück »Life is Beautiful« fragt, ob man ihm zuschauen wird, wenn er mal stirbt, machen wir es uns heute zu einfach, das als bloße stylische Pose der Soundcloud-Rapper zu werten. Klar, Peep war irgendwie immer auch das Emorap-Äquivalent zu Dancing With Tears In My Eyes, aber es wird ihm nun nicht mehr gerecht, ihm noch ein billiges Ästhetisieren von Traurigkeit vorzuwerfen. So entbehrt es keiner Ironie, dass obwohl die verwendeten Spuren von Peep zum Teil schon drei Jahre alt sind, er einem auf »Come Over When You’re Sober Pt. II« erwachsener vorkommt als je zuvor. Damit hat das Album nichts Geisterhaftes, die Emo-Gitarren, Hi-Hats und Peeps dröhnende Stimme produzieren weiterhin Depri-Hymnen und das ist vielleicht das wahrhaft Gruselige daran: Lil Peep wirkt heute lebendiger als auf früheren Releases. Der Tod hat seine Coolness in »Come Over When You’re Sober Pt. II« verloren, er schweigt einen nur so bedrohlich an.

Text: Lukas Klemp

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