Rap in D ist jetzt ein Hyperraum; ein Raum, der sich über die vier Säulen erhebt; ein Raum, in dem die Möglichkeiten des Ausdrucks schier unbegrenzt scheinen. Und LGoony ist Pionier. Allein deshalb, weil er sein Wort hält: »Intergalactica« erscheint ohne Box und reißerische Interviews, ja, gefühlt überhaupt ohne Promophase. Allein mit ein paar Videos teaste man das dritte Projekt und gefühlte erste Album des Kölner Mondanbeters an, der sich zwar Spotify zutraut, Mediafire deswegen aber nicht den Rücken kehrt. Das positioniert LGoony in seiner stringenten Rolle des Rapmedien meidenden Nachtmenschen, der es sich auf dem sonnennächsten Stern Proxima Centauri gemütlich macht – einem Ort, der von Europa aus schlichtweg unsichtbar bleibt. Dass sich LGoony seit jeher mehr aus US-Vorbildern wie Gucci Mane macht, kommt auch auf »Intergalactica« mehrfach zur Sprache. Dabei tut LGoony genau das: Im Mikrokosmos called Rapdeutschland positioniert er sich als musikalische Ausnahme. Obligatorische Migos-Triplets, Drake’sches Luxus-Drama, PNL-Banlieue-Balladen sucht man auf »Intergalactica« allesamt vergeblich. Stattdessen füllen breitflächige Synthies Delay-Zeit und Reverb-Raum, während die harmonisch gelayerten und autogetuneten Vocals noch die letzten Sauerstoffpartikel aus der Luft schnappen. Jegliche Zweifel ersticken im luftleeren Orbit, während Goonys Stimmbänder und die Plug-Ins von DJ Heroin, hnrk, GEE Futuristic und anderen Mitstreitern eine elastische, ultraviolette Masse formen, in der sowohl funkelnde Ketten (»Heilig«), bleierne Projektile (»Gary Cooper«) als auch emotionaler Schmalz (»Blutmond«) reflektieren. Mit seinem interstellaren Entwurf macht sich LGoony zum unbestreitbaren Wegbereiter und stellt sich nur eine eigene Fame-Falle: Die Flucht ins All fortgesetzt, wird der vermutete 16-Jährige zu einem immer unnahbareren Wesen, das die Tagträume gefühlsgeleiteter Mützenmädchen zunehmend zu Sternenstaub zerplatzen lässt. Aus Hype wird Hyper.
(Airforce Luna)
Vorheriger ArtikelBig Sean – I Decided. // Review
Nächster ArtikelWiley – Godfather // Review
grim104 – Imperium // Review
»Imperium« ist eine große Reflektion über Veränderung und Vergänglichkeit aus der Perspektive einer Person, die sich selbst kaum kennt.
Kendrick Lamar – Mr. Morale & The Big Steppers // Review
Kein Erlöser, sondern nur ein fehlerbehafteter Mensch. Kendrick Lamar hat sein letztes Album bei TDE veröffentlicht.
Haiyti – Mieses Leben // Review
Haiyti dropt ihr Album »Mieses Leben« als Überraschung und stellt den Rest der Szene mit ihrem Output in den Schatten.
Disarstar – Deutscher Oktober // Review
Disarstar spricht auf »Deutscher Oktober« ohne sichtbaren Hang zur Selbstverstellung. Politischer Deutschrap war selten so ehrlich und gut.