Lakmann: »Wenn du mich bookst, kriegst du zwanzig Jahre Rap-History.«

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Wie wichtig war es für dich, als Indie-Künstler in den letzten Jahren viel live zu spielen?

Damit bezahl ich meine Miete. Und ich würde gerne mehr Gage nehmen, denn dafür kriegst du eine Show über 90 Minuten, bei der ich alle Creutzfeld-Klassiker, alle Feature-Hits, eine Dekade Lakmann und die Untouchable-Sachen spiele. Wenn du mich bookst, kriegst du zwanzig Jahre Rap-History.

Für die Ankündigung deines neuen Albums »Aus dem Schoß der ­Psychose« hast du dich auf dem Klo für eine Ansage filmen lassen. Du wirkst dort sehr schlecht gelaunt.
Das war einige Tage vor meinem Griechenland-Urlaub, und ich wollte das Album schon abgegeben haben. Ich hatte mir so viel Druck gemacht und war abgefuckt, dass es sowieso keiner mitkriegen wird. So bin ich neunzig Prozent der Zeit nicht. Ich rede gerne über meine Musik, aber wünsche mir natürlich eine Situation, in der ich auf Promo scheißen kann und trotzdem 10.000 feste Käufer habe.

 

Wie war das früher mit Promophasen? Ist es nicht prinzipiell unangenehm, ein Produkt bewerben zu müssen.
Zu Universal-Zeiten waren das noch andere Dimensionen. Da flogen wir für Fototermine nach Berlin, nur um mit einem Star-Fotografen aus Mailand zu shooten. (lacht) Die wollten uns mit ihrer Crossover-Promotion überall unterbringen und hatten einen Fototermin in München mit der Glamour organisiert. Da sollten wir die amerikanischen Gangzeichen der Westcoast vor einem Bluescreen machen und ins Deutsche übersetzen. Das war komplett bescheuert. Neffi Temur war damals unser A&R. Ob er für die Aktion verantwortlich war, weiß ich nicht mehr. Vielleicht wussten sie es auch nicht besser, aber vieles haben sie echt in den Sand gesetzt. Wir haben alles mitgemacht, weil wir faire Mitspieler sein wollten und nicht die Typen, die sich der Label-Promo versperren. Als wir später mit Grönemeyer auf der »Mensch«-Tour waren, haben diese Label-A&Rs dann richtig Arsch geleckt. Herbert Grönemeyer ist ja der Onkel von Till [ehemaliges Mitglied bei Creutzfeld & Jakob; Anm. d. Red.] – also was wollten die uns erzählen? Wir haben damals auch Sachen wie das Lumidee-Feature abgelehnt, das dann Savas gemacht hat.

Viele feiern dich heute dafür, dass du dich der Industrie versperrst. Du hattest lange Zeit nicht mal einen Facebook-Account.
Viele sagen aber auch, ich könnte eine eigene Youtube-Sendung tragen, bei der ich jede Woche Real Talk mache. Aber dann bist du ja Teil der Maschinerie. Ich finde es immer gut, ab und zu eine andere Meinung anzubieten. Und sich nur zu melden, wenn man was zu sagen hat. Trotzdem. Ich hätte gerne ein upgestepptes Internet-Game. Aber hätte ich Instagram, Facebook und alles, wären meine Kommentare wiederum beliebiger.

Ist nach »2 Gramm gegen den Stress« eigentlich eine neue Generation an Laki-Fans herangewachsen?
Das wäre geil. Ich sehe aber auf den Jams eher ältere Gesichter. Zu den Untouchable-Shows kommen tatsächlich jüngere Leute, weil Mess, Kareem und ich drei verschiedene Generationen vertreten. Bei den Lakmann- und Creutzfeld-Gigs, die wir ab und an noch einschieben, ist es schon ein älteres Publikum. Ich finde es aber richtig cool, wenn ein 15-Jähriger mich feiert. Manchmal, wenn ich so scheiße gelaunt bin wie bei dem Klo-Video, wünsche ich mir einfach 1.000 bis 2.000 Fans, die nur Lakmann hören und sonst nichts. Weil man sich manchmal so missverstanden fühlt.


»Aus dem Schoß der Psychose« ist eine offensichtliche Referenz an den Stuttgarter »Schoß der Kolchose«. Wie schlecht ging es dir während der Entstehung?
Jeder im Rap- und Marihuana-Business hat ja eine kleine Psychose. Mir ging es während der Produktion von »2 Gramm gegen den Stress« schlechter als zu den Untouchable-Zeiten. Jetzt spielen wir regelmäßig Gigs, kriegen ­Kohle und machen unseren Merchandise selbst. Der Titel ist tatsächlich eine Anspielung und schlägt die Brücke zu all meinen Album­titeln: »2 Gramm gegen den Stress« kam von »2 Mann gegen den Rest« und »It Was Witten« natürlich von Nas’ Album »It Was Written.« Irgendwann werden mir die Wortspiele ausgehen, aber ich will das auch nächstes Mal wieder so machen. Man zeigt damit auf der einen Seite Respekt, andererseits macht man sich ein bisschen lustig.

Man kann das Album zwar vorbestellen, aber ein Veröffentlichungsdatum habt ihr noch nicht genannt. Wieso nicht?
Das Datum wissen wir auch erst, wenn wir das Master abgegeben haben. Die brauchen dann noch so einen Monat. Das ist wie früher: Damals hat man ja gar nicht mitbekommen, wann ein Album erscheint. Man hat das eben erst im Laden stehen sehen. Das finde ich interessanter als ein Album monatelang anzukündigen. Man hat doch nichts davon, eine Tracklist im Internet zu posten. Das sagt nichts darüber aus, ob ein Album gut ist. Dann kannst du es genauso gut blind kaufen. Und Überraschungsalben verzichten auf solche Methoden. Die hauen das einfach raus. Das macht viel mehr Spaß.

Ich könnte auch Trap-Beats berappen, poppige Arrangements nehmen und die richtigen Features machen. Aber das will ich einfach nicht.

Einige Rapper der alten Schule haben sich in den letzten Jahren an Comebacks probiert. Bei dir wurde das nie als solches wahrgenommen.
Vielleicht auch, weil ich nie so erfolgreich war. Wenn du aus dem Underground verschwindest, kriegen die Leute das ja gar nicht mit.

Hatten diese Comebacks für dich einen komischen Beigeschmack?
Ob das finanzielle Gründe hatte, will ich gar nicht beurteilen. Bei Curse hab ich tatsächlich nur die drei Videos gesehen, das war halt nicht mein Geschmack. Das sage ich auf dem Album auch mal. Aber diese alteingesessen Hasen wie Curse, Savas, Samy und Azad, die haben bei mir schon so lange einen Stein im Brett, die genießen Narrenfreiheit. Ich hoffe halt immer, dass die Künstler das aus der Motivation heraus machen, wirklich rappen zu wollen. Vielleicht liegt das auch an meiner beschränkten musikalischen Seite, dass ich es einfach nicht schaffe, mich neu zu erfinden. Ich könnte auch Trap-Beats berappen, poppige Arrangements nehmen und die richtigen Features machen. Aber das will ich einfach nicht.

Wie hast du den neuen Hype und die Goldgräberstimmung im Deutschrap wahrgenommen, die vor allem durch Cro losgetreten wurde?
Ich sehe jetzt schon, wie die Blase platzt. Die Leute meckern ja immer erst, wenn es schon zu spät ist. Aber wenn Veranstaltungen wie die Tapefabrik und Tanz in den Mai in Kassel abgesagt werden, und auch das HipHop Open dicht macht, dann sind das erste Anzeichen dafür. Es wurde wieder zu schnell zu viel gemacht. Und das wird nun auf dem Rücken der Kultur ausgetragen. Das ist gerade der kritische Punkt: Keiner hat mehr Bock, sich Blogs und Vlogs und Mogs anzuschauen. Das sage ich nicht als Typ, der das nicht macht, sondern als Typ, der das von Leuten mitkriegt, die jeden Tag auf Facebook unterwegs sind. In ein, zwei Jahren müssen Labels wieder durch eine Dürreperiode gehen, viele Leute werden abspringen und Rapper wieder gedroppt.

Du hast so einen Einschnitt schon miterlebt.
Und beim zweiten Mal bin ich vorbereitet. Ich hab mit Eartouch meine kleine, gemütliche Indie-Heimat und hoffe, dass die paar tausend Leute mich weiter supporten – unabhängig von Tälern, Hypes und Blasen. Um die Frage zurückzuspannen: Ich glaube nicht, dass Cro daran Schuld hat. Ich habe mir vorgenommen, das nicht mehr zu haten. Aus meiner Untouchable-Sicht ist er natürlich der Grund, dass Leute heute keine Identität mehr haben. Wäre doch schön, wenn man wenigstens ein Gesicht dazu hätte, damit man weiß, woran man ist und ob man ihm das überhaupt abkaufen kann. Und damit man später jemanden hat, auf den man mit dem Finger zeigen und sagen kann: »Der ist bestimmt schon Mehrfach-Millionär!« Wenn der Hype vorbeigeht, ist der aus der Sache fein raus. Und Leute wie ich, ohne Plan B, haben das Nachsehen. ◘

Foto: Ziryan Karim

Dieses Interview erschien in JUICE #171 (hier versandkostenfrei nachbestellen).Cover_171_ohneBR.indd

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