»Jeder auf der Straße hat dich dumm angekuckt oder dich ­direkt konfrontiert, wenn er dich nicht kannte.« // Kool Savas im Interview

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Kool SavasBerlin, 15.02.2010Juice Cover Shooting

 

Wie genau Kool Savas es geschafft hat, mit seiner als Mixtape gestarteten »John Bello Story«-Reihe ein vollkommen eigenständiges, aber um so erfolgreicheres Veröffentlichungsformat zu lancieren, ist bis heute nicht ganz klar. Immerhin ­wissen wir mittlerweile, dass Essah sich lediglich mit einem simplen Trick von jenem höllischen Druck befreien wollte, der sich immer dann aufbaute, wenn er an die Arbeit an einem neuen Soloalbum begann. Unter dem Alias John Bello und im diffusen Formatrahmen des Street-Albums arbeitete es sich offenbar leichter, lockerer, zwangloser. Nun ist die Trilogie mit dem dritten Teil der »John Bello Story« an ihrem selbstgewählten Endpunkt angelangt – dabei versprüht »JB3« deutlich mehr Solo­album- denn Mixtape-Charakter, bis auf die zahlreichen Features erinnert nichts mehr an den untergrundigen Freestyle-Charme des Erstlings von 2005. Die Formate haben sich angenähert, das Konstrukt hat sich selbst ­obsolet gemacht. Kool Savas und John Bello waren immer schon dieselbe Person, doch jetzt leben sie auch wieder in Einklang miteinander. Ein Gespräch mit Savas Yurderi, dem besten Rapper Deutschlands.

»John Bello 3« ist der letzte Teil einer Trilogie. Was hat zu dieser Entscheidung geführt?
So richtig ist es mir in der Vorbereitungsphase klar geworden. Die Entscheidung, »John Bello 3« zu machen, kam ja sehr plötzlich, da ich eigentlich mit »MMS« beschäftigt war. Dann sind wir aber auf den Bello-Film gekommen und haben uns überlegt, dass man dadurch auch für »MMS« noch mehr rausholen und mehr Wind machen kann. Bei den Aufnahmen habe ich dann gemerkt, dass die Songs in eine ganz andere Richtung gehen. Eigentlich ist »Bello 3« schon eher ein Kool Savas-Album mit vielen Features. Der Unterschied zu einem Soloalbum ist eigentlich nur, dass auch andere Produzenten als Melbeatz beteiligt sind, was bei »Bester Tag« und »T.O.L.« ja nicht der Fall war. Außerdem konnte ich mich wieder sehr locker machen. Aber hier trifft John Bello definitiv auf Kool Savas, da gehen beide Charaktere ineinander über.

Warum schneidest du dir die Möglichkeit einer weiteren Fortsetzung ab? Immerhin war es auch ein wirtschaftliches Erfolgsmodell.
Ich glaube nicht, dass ich »Bello 3« noch toppen kann. Ich denke, ich habe das Konzept echt ausgereizt. Und nach ein paar Jahren sind die Leute es auch leid, immer nur »Bello, Bello, Bello« zu hören. (lacht) Ich habe es jetzt noch mal auf die Spitze getrieben, mit diesen verrückten Internet-aktivitäten mit den Belloniern zum ­Beispiel. Man muss es aber auch nicht total übertreiben.

 

 

Curse ist zweimal als Feature auf dem Album vertreten. In der Vergangenheit hatte man nie das Gefühl, dass ihr die ­allerengsten Freunde seid. Habt ihr euch ­wieder angenähert?
Das ist ja gerade das Schöne mit ihm: Wir haben seit der Zeit bei Put Da Needle ein sehr gutes Verhältnis, und daran hat sich nie was geändert. Wir waren nie die dicksten Buddys, die jede Woche telefoniert haben, aber wir waren auch nie auf Abturn unterwegs. Vor allem ist er auch so geblieben, wie er ist. Das feiere ich an ihm genau wie an Reno oder Germany. Ich kenne Curse jetzt über zehn Jahre, und es war immer cool zwischen uns, ­obwohl wir beide auch auf Competition ­unterwegs sind. Er war zwei Tage bei uns im Bootcamp und wurde von den Jungs mit offenen Armen ­empfangen. Er war auch selbstbewusst genug, weil er seine Stellung kennt und weiß, was er kann. Trotzdem ist er in ­musikalischen Fragen bereit zu diskutieren. Unsere Ideen haben sich gegenseitig befruchtet.

Olli Banjo war auch länger bei euch im Bootcamp.
Ja, der wollte gar nicht mehr gehen. (lacht) Banjo ist einfach ein übergechillter Typ, mit dem ich unbedingt ein paar Tracks machen wollte. Außerdem können wir jetzt auch zusammen auf Tour gehen. Er ist ja auch ein Live-Monster, und die Fans haben sich ohnehin immer gefreut, wenn er bei Konzerten rauskam, um »Denkmal« mit uns zu spielen. Für mich war es eine große Ehre, zu ­sehen, dass so ein gestandener ­Artist mir gegenüber so viel Vertrauen gezeigt hat. Ein perfekter Teamplayer, mit dem man sich die Pässe blind zuspielen konnte. Und er hat es mir auch schwer gemacht. Bei »MySpace« habe ich meinen Verse umgeschrieben, weil er einfach schon alles zum Thema gesagt hatte und ich ­meinen Verse im Gegensatz dazu auch nicht mehr so lustig fand. (grinst) Es ist geil, mit so einem brutalen Flower zu ­rappen, das macht voll Spaß. Wir haben ja schon ähnliche Ansätze, aber es gab da keinen behinderten ­Konkurrenzkampf.

Man hört, dass es noch weitere Features gab, die dann letztlich nicht auf dem Album gelandet sind.
Mein Motto war: Alles für den Song. Ich hab den Leuten immer gesagt: Es kann sein, dass Verses von euch fliegen. Ich habe am Ende mindestens drei Songs ­komplett weggelassen. Wir hatten einen Song namens “No Homo” mit Banjo und Mo-Trip, der echt grenzwertig und einfach ein bisschen zu verrückt war. Aber wie gesagt: Ich finde, dass man die Emotionen da ein bisschen rauslassen und sich locker machen muss. Die Leute haben abgeliefert und mussten mir als Executive dann vertrauen. Und wenn ich nur vier Zeilen von dem Part brauchte, dann musste das auch in Ordnung sein. Dafür muss man extremes Vertrauen haben, aber ich würde damit niemals fahrlässig umgehen.

Das Album wird abgeschlossen von dem biografischen Song »Die John Bello Story«, der von Franky Kubrick geschrieben und eingerappt wurde. Hier wird definitiv klargestellt, dass Savas Yurderi, Kool Savas und John Bello ein und dieselbe Person sind.
Vielleicht war es manchmal mein Problem, dass ich mich mit Solo­alben so schwer getan habe. »John Bello« hingegen fiel mir immer leicht. Ich konnte halt alles auf den Bello in mir schieben. (lacht) Man verarscht sich da einfach ein bisschen selbst. Am Ende gehört das alles zu mir, ich spiele live genauso die Bello-Songs wie die Kool Savas-Songs. Trotzdem hatte ich anfangs ein paar Bedenken, den Song auf eine »Bello Story« zu packen. Viele meinten auch, ich hätte den Song selbst rappen und auf ein ­Soloalbum packen sollen. Aber der Song war jetzt einfach da und hat Sinn gemacht. Daher musste er drauf.

Warum hast du den Song denn nicht selbst gerappt?
Ich hatte nie so richtig Bock, über solche Themen zu reden. Viele halten mich ja für sehr verschlossen, weil ich nie über mein Privatleben spreche. Ich wollte das eigentlich sogar noch weiter beschränken, aber auf der anderen Seite meinte Mel, dass ich den Leuten auch mal etwas von mir erzählen muss. Die Fans wollen halt wissen, mit wem sie es zu tun haben. Viele verstehen ja nicht, warum ich eigentlich so bin, wie ich bin. Daher brauchen sie ein bisschen Einblick. Ich selbst hätte das aber nie erzählen können, ohne dass es mir peinlich gewesen wäre. So ernst über sich selbst zu reden, ist einfach unangenehm und unbescheiden.

Und warum Franky?
Franky ist eben einer der besten Story­teller in Deutschland, neben Curse und Kaas, die auch brutale ­Fähigkeiten in dem Bereich haben. Also habe ich mich mit Franky hingesetzt und ihm meine Lebensgeschichte erzählt. Er hat acht oder zehn Seiten vollgeschrieben. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich nicht will, dass irgendetwas ausgeschmückt wird oder dass die Reime den Inhalt bestimmen. Wenn ich Marzipan sage, dann meine ich Marzipan und nicht Nougat. Die Story ist schon extrem detailgetreu. Ich habe ihm noch viel mehr erzählt, aber das hätte den Rahmen gesprengt. So wie es jetzt ist, finde ich es geil. Ich kann es mir anhören, und es ist für mich, als ob ich mir einen Film anschaue. Ich könnte den Song nicht mal performen, wenn ich ihn selbst geschrieben hätte. Das wäre mir zu strange gewesen.

 

 

Ich finde es widersprüchlich, dass du so zurückhaltend mit Eigenlob bist, während es doch gerade das Rapper-Dasein definiert, sich selbst groß zu machen und sich über andere zu stellen. Das ist doch eigentlich das Grundprinzip von Battle-Rap.
Absolut. Da herrscht ein innerer Widerspruch in mir, der schon damit anfängt, dass ich generell alles, was mit Fame und Ruhm zu tun hat, gerne ausschalten würde. Es wäre falsch, wenn ich leugnen würde, dass es auch angenehme Situationen gibt. Wenn ein hübsches Mädchen unbedingt ein Foto mit dir machen will, dann ist das natürlich nicht unangenehm. Aber unterm Strich ist es einfach so, dass mich dieser extreme Eingriff in die Privatsphäre asozial stört. Andere halten das sicher für Luxusprobleme, aber mich belastet das ernsthaft. Zum Beispiel, wenn die Leute einfach an meine Tür kommen und klingeln. Mir fällt es schwer, in solchen Situationen richtig unfreundlich zu sein. Und ich mache mir dann auch noch ewig Gedanken, wenn ich denen gesagt habe, dass das einfach nicht klargeht und ich jetzt nicht runterkomme. Das sind ja Fans, die lieben mich. Aber ich muss einen Weg finden, damit umzugehen. Meine Eltern haben mich so erzogen, dass man nicht groß Welle macht mit dem, was man macht. In der Musik hingegen fällt es mir leicht, das ist halt Kunst.

Du hast eben deine Erziehung ­erwähnt. In dem Song erzählt Franky ja auch zum Teil die ­Geschichte deiner Eltern, die politisch sehr engagiert waren. Warum hat sich diese politische Erziehung nie in deiner Kunst ­niedergeschlagen?

Meine Eltern haben schon probiert, mich in diese Richtung zu motivieren. Aber ich hatte da keinen Bock drauf, vielleicht auch, weil ich das schon mein ganzes Leben mitbekommen hatte. Ich bin schon politisch interessiert, aber ich fand es immer schwer, etwas zu schreiben, was über meine Kompetenzen hinausgeht. Für mich ist es immer Fremdscham, wenn ein 20-Jähriger irgendwas über die weltpolitischen Zusammenhänge erzählt und irgendwelche total bescheuerten Statements abgibt. Für mich ist es einfacher und bequemer, mir irgendwelche Illuminati-Verschwörungstheorien reinzufahren und mir zu sagen: Es hat doch eh alles keinen Sinn, wir sind eh alle im Arsch. Besser als über Sachen zu quatschen, die ich gar nicht wissen kann. Für mich ist dieses Thema zu groß, das würde mir über den Kopf wachsen, mich deprimieren und frustrieren. Ich müsste erst mal mit mir selbst alles klar machen, bevor ich über so etwas nachdenke.

Bei deinem Bruder Sinan spielt es in den Texten schon eine Rolle. Bremst du ihn da auch mal ein?
(grinst) Mein Bruder ist ein sehr selbstbestimmter Mensch. Wenn ich ihm mit solcher Kritik kommen würde, dann würde er anfangen, mit mir zu diskutieren. Er hat seine Meinung und seine Einstellung, und die respektiere ich. Er ist ein erwachsener Mann, der alleine wohnt, und nicht mehr nur mein kleiner Bruder. Ich habe ihm aber schon gesagt, dass er’s nicht auf die Spitze treiben und keine Dinge sagen soll, die die Leute in den falschen Hals bekommen können. Gerade bei den Themen Politik und Religion drehen die Leute halt durch. Ich weiß gar nicht, warum das solche Tabuthemen sind. Wenn ich anfange, mit Freunden über Religion zu diskutieren und aus Reflex eine Gegenposition einnehme, dann werden sie superempfindlich. Ich merke halt, dass das oft nur auswendig gelernte Phrasen sind, da hat man halt mal eine Seite in irgendeinem Buch gelesen. Aber dann konfrontiere ich sie damit, und dann heißt es: Lass uns lieber nicht drüber reden, das macht jetzt keinen Sinn. Ich verstehe das nicht.

Wie kann man das politische ­Engagement deiner Eltern ­eigentlich konkretisieren?
Das ist jetzt deren Business, die ­waren halt linkspolitisch engagiert. Mein ­Vater wurde von einem seiner Freunde verraten und für etwas beschuldigt, und dafür musste er sechs Jahre in der Türkei in den Bau – mit allem Drum und Dran, Folter und so weiter. Ich habe das superintensiv mitbekommen. Darum sind diese Erinnerungen auch noch so lebendig, darum konnte ich das Franky so genau beschreiben. Als Kind erlebt man das alles noch viel intensiver, darum sind Dinge wie sexueller Missbrauch an Kindern auch so schlimm. Meine Schwester studiert ja Pädagogik und bei ihr sehe ich richtig, wie viele Gedanken sie sich über die Erziehung ihres Sohnes macht. Anderen ist das komplett egal, das finde ich schon hart. Da wundert es mich auch nicht, dass die Kinder später komplett unsensibel und asozial werden.

Als dein Vater nach sechs ­Jahren Haft wieder bei euch war, seid ihr zusammen von Aachen nach ­Berlin gezogen. Du warst zu ­diesem Zeitpunkt zwölf Jahre alt. Wie war die Umstellung für dich?
Krass. Aachen war zu dem Zeitpunkt noch ziemlich idyllisch. Inzwischen ist es auch relativ ghetto geworden, wie ich von Freunden wie Mo-Trip höre. Aber in Berlin war allein der Umgangston ganz anders. Als ich nach Kreuzberg kam, ging es gerade los mit der Abzieherei. Jeder auf der Straße hat dich dumm angekuckt oder dich ­direkt konfrontiert, wenn er dich nicht kannte. Manche waren auch cool, die fanden es teilweise auch lustig, dass ich so wenig Türkisch konnte. Viele waren am Anfang aber voll anti. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man aus so einer behüteten Welt kommt.

In Berlin bist du dann auch mit HipHop in Berührung gekommen?
Genau. In Aachen war das noch überhaupt kein Thema. Klar, mir haben Young MC, Falco oder »Holiday Rap« schon gefallen. (lacht) Aber in Berlin war Graffiti das Wichtigste, Rap war überhaupt kein Thema. Jeder musste ein Writer sein. Das war eine sehr intensive Zeit. Die Härte meiner späteren Rap-Lyrics resultierte sicher auch daraus. Writer sind einfach die härtesten Dudes, die es gibt, die ­Typen sind echt verrückt.

 

 

Hast du dich in Kreuzberg eher den Deutschen oder den Türken zugehörig gefühlt?
Ich kannte exakt einen einzigen Deutschen, der hieß Alex und konnte selbst Türkisch. Ach, und dann gab es noch Speedy, aber der hatte auch Türkisch gelernt. Erst später in meiner Gesamtschule waren viele Deutsche, und ich hab auch mit denen gechillt, genau wie ich auch mit Punks gechillt habe. Mein bester Freund damals war ein Punk. Prinzipiell war aber in Kreuzberg alles Türkpower, Alter. (lacht)

In dem Song erwähnt Franky auch deinen damaligen Mentor Boe B von Islamic Force. Wie erinnerst du dich an die erste Begegnung mit ihm?
Aydin, mein Rap-Partner bei Rhyme Guns, hatte mir auf Kassette »My Melody« und »Istanbul« vorgespielt. Ich war so geflasht davon, wie er geflowt hat. Richtig kennen gelernt habe ich ihn erst später. Wir hatten eine Schulfete bei uns an der Hector-Peterson-Gesamtschule, und er kam mit seinen Leuten. Denen hat er Befehle erteilt wie: »Ich will, dass in einer halben Stunde überall in der Schule ‘Islamic Force’ steht.« Dann sind die mit Eddings losgezogen und haben unsere Schule gekillt. Ich hab’s total gefeiert. Boe B war zehn Jahre älter, einer von den Großen, jeder hat ihn respektiert. Ich war für ihn ein Niemand, und trotzdem hat er mir viel Liebe gegeben. Er hat mich mitgenommen nach München zum »Adidas Streetball«-Festival, da haben wir für ihn Backups gemacht, mein Kumpel Tamer und ich. Wir haben sogar noch unsere Freundinnen mitgenommen. In den Bully haben genau sieben Leute reingepasst, und Boe B hat gesehen, dass wir eine Person zu viel waren. Da hat er seinen besten Freund angeschaut, und es war klar, dass er dableiben muss, anstatt dass er einen von uns rausschmeißt. Ein Backup hätte ja gereicht, aber weil er es uns versprochen hatte, hat er es durchgezogen. Diese Geste allein werde ich nie vergessen.

Wie war es für dich, als er ­gestorben ist?
Wir waren da schon nicht mehr in so engem Kontakt. Er hat ja noch Musik gemacht, mit Schneider, den ich auch kannte, daher war ich immer auf dem Laufenden. Die Musik war allerdings nicht mehr sein täglich Brot, er hat dann schon andere Sachen gemacht. Aber wenn Leute schlecht über ihn geredet haben, habe ich da nie hingehört. Für mich ist er im Kopf immer die Person geblieben, die ich kennen gelernt habe. Er hat mir total selbstlos geholfen, in der Form ist mir das nie wieder begegnet. Sein Tod hat mich dann sehr schockiert. Die Leute ­sollen sich echt mal »My Melody« oder »Istanbul« reinziehen. Ich glaube, man wird Parallelen hören zu dem, was ich mache, vom Geschmack her.

Wie kam dann der Switch vom Writer zum Rapper?
Ich war nie so talentiert beim Graffiti. Graffiti ist ja ein Job für sich, das ist sauanstrengend. Ich bin dann auch arbeiten gegangen, und diese Riesenleidenschaft hatte ich halt nicht, dass ich alles für den Fame getan hätte. Da hat mir das Feuer gefehlt. Ich war gut befreundet mit Leuten wie Poet, die auf einem ganz anderen Level gemalt haben. Daher dachte ich, ich ­blamiere mich nur, ich höre auf mit dem Quatsch.

Aber die kompetitive Einstellung hast du in den Rap mitgenommen.
Hundertprozentig. Man sagt ja immer, meine Musik wäre aggressiv und angriffslustig. Das resultiert natürlich einerseits aus dem, was ich gehört habe: N.W.A., Ice Cube, das war alles aggressive Musik. Das hat aber auch sehr stark mit Berlin, mit Graffiti und mit der Art und Weise, wie HipHop in Berlin wahrgenommen wird, zu tun.

Casper hat es in seinem Song »Verdammt nah dran (Supermänner)« gut auf den Punkt gebracht, als er sagte: »Ich schwör, ­Savas aus Berlin ist ein zwei Meter ­Messerstecher/verrückter Riese, der tickt.« Wir wussten ja vor dem »King Of Rap«-Video alle nicht, wie du aussiehst.
Natürlich. Wir haben es ja auch total übertrieben. Das war damals der Vorteil, dass man ganz leicht einen bestimmten Eindruck hinterlassen konnte. Ich wünschte, ich hätte nie angefangen, Fotos und Videos zu machen. Eher so Sefyu-Style halt. (lacht)

Es gibt auf »JB3« einen Song ­namens »Wand«, der als subtile Reaktion auf verschiedene Disses von anderen Rappern gedeutet werden kann. In der Vergangenheit hast du nur dann auf Disses reagiert, wenn du persönlich oder emotional involviert warst.
Ich kriege natürlich alles mit. In 90 Prozent der Fälle ist es mir einfach scheißegal. Wenn einer schlecht rappt, dann reagiere ich ohnehin nicht. Du musst ein bestimmtes Level an Flow und Skills mitbringen, sonst ist es wie mit Kanonen auf Spatzen schießen. Na ja, und dann gab es in Berlin immer Disses, auf die ich nicht reagiert habe, weil ich einfach wusste, was daraus resultieren kann. Mel war da immer anders, die hat die Leute konfrontiert. Und heute ist es eben so, dass ich auch Verantwortung für mein Umfeld trage. Da sind Hitzköpfe dabei, die in anderen Städten wohnen und eventuell mal einen Ausraster bekommen könnten. Deshalb können wir uns nicht provozieren lassen. Die Musik soll ja eine Möglichkeit für die Jungs sein, von den Anzeigen wegzukommen, anstatt wegen der Musik wieder neue Anzeigen zu kriegen. Ich meine, durch meine Musik leben und verdienen noch mehrere andere Menschen. Ihr Leben basiert darauf, dass wir Musik machen und auf Tour unterwegs sind. Das kann ich mir doch nicht kaputt machen lassen durch so einen Unsinn. Wenn ich reagiere, kann der Angreifer ja nur gewinnen, außer ich zerstöre seine Karriere.

 

Ist »Wand« denn gegen einen ­konkreten Rapper gerichtet?
Es ist nicht so, dass die meisten ­meiner Lines gegen konkrete Rapper gerichtet sind. Bei »Wand« bin ich aber definitiv von anderen Rappern inspiriert worden. Aber für mich hängt einfach zu viel davon ab. Das ist so, als wenn Lennox Lewis gerade Weltmeister geworden ist und einer ruft auf dem Weg in die Kabine: »Du Arschficker!« Wenn Lennox dann hingeht, dem Typen eine bombt und dafür zwei Jahre in den Knast kommt, weil er ihm das Jochbein und den Kiefer zertrümmert hat, dann wird er sich doch im Nachhinein fragen: Warum habe ich das getan? Ich bin ein Idiot, ich habe alles weggeworfen. Es gibt ja ein paar Rapper, deren Karriere nur daraus besteht, mit anderen Rappern Stress zu haben. Aber was bringt mir das? Bisher hat es sich doch in allen Fällen selbst erledigt. Meine Fans machen dich ohnehin fertig. Die kaufen deine Platten nicht, die schreiben deine Gästebücher und Foren voll. Ich habe meine Crew hinter mir. Daher wird es niemals eine Reaktion auf irgendwelche Spacken geben, obwohl ich sportliche Battles nach wie vor wirklich geil finde. Die jungen Rapper müssen sich ja auch nicht unbedingt mit mir persönlich messen, die können sich ja auch an dem messen, was ich erreicht habe. Dann ist jeder JUICE Award wie ein ultraharter Diss-Track in deren Richtung. Du musst es so sehen: An wen denkt man in 20 Jahren zurück, wenn man an deutschen HipHop denkt? An Rapper XY, an Hardcore-Peter aus Sonstwo oder an Kool Savas? Solange die Typen mich nicht mit krasser Mucke überrunden, habe ich das Battle doch schon gewonnen.

Was treibt dich denn eigentlich noch an? Ist es doch noch einmal der große wirtschaftliche Erfolg, den du suchst?
Nein. Es ist in meinem Blut. Mich turnt so viel daran ab, dass ich sofort aufhören würde, wenn ich keinen Spaß mehr hätte. Dieser Lifestyle geht ja übel auf die Gesundheit. Und überhaupt, dieser ganze Kack, nur im Auto zu sitzen, vollgelabert zu werden, sich rechtfertigen zu müssen. Aber ich bin einfach durch und durch Rapper. So lange es niemanden gibt, der das vernünftig weitertragen kann, so lange mache ich weiter.

 

Text: Stephan Szillus
Fotos: Katja Kuhl

 

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