Wer ist wegen HipHop hier? // Kolumne

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Foto: William Minke

Ja, die Frage ist ernst gemeint. Wer ist wegen HipHop hier? Und was ist dieses HipHop überhaupt? Also, das war so: Kool DJ Herc begann 1973 als erster DJ, nur den Beat eines Funk-, Soul- oder Discostückes zu wiederholen, anstatt das ganze Stück zu spielen und zwei verschiedene … Spaß, Späßle! Ich mein, ihr lest ja offenbar tatsächlich noch Printmedien, das ist doch schon mal ein erstes untrügliches Zeichen für eure Kompetenz. Wer außer euch sollte die Fahne für den realen Rap denn sonst hochhalten? Menschen wie ihr, die sich über eine neue Hiob-Platte freuen, JUICE-Reviews lesen oder wissen, dass Bassboxxx-Legende Isar gerade seine neue EP rausgebracht hat; die sich ernsthaft mit dem Geschwurbel von Prezident auseinandersetzen, sich Instrumental-Vinyls ballern und 300 Kilometer bis zur Tapefabrik fahren, um Lakmann zu sehen. Und ihr seid stolz darauf. Wahnsinnig stolz. Und um ehrlich zu sein, könnt ihr das auch, denn ihr brecht damit wenigstens eine Regel, die eigentlich schon immer galt: Die angesagten Künstler der Armen sind reich, und die angesagten Künstler der Reichen sind arm. Im Segment Trueschool-Rap ist Geld eher eine Seltenheit – zumindest Geld durch Rap. Und auch die Hörer von sprachlichen Ästheten wie Retrogott oder Damion Davis fallen eher selten durch neue Supreme-Jacken und von Mutti gekaufte Yeezys auf. Man kopfnickt sich gegenseitig in Ekstase und ist total aus dem Häuschen, wenn Dendemann sein Comeback ankündigt. Und man fühlt sich wohl in dieser Blase, in der schiefe Caps noch vollkommen ernst getragen werden und man ohne Gewaltandrohungen und Lachanfälle der Umstehenden erzählen kann, dass Ferris MC früher mal ein guter Rapper war.

Euer Rap? Unser Rap?

Und dann gibt es da die anderen: eure Feindbilder. Zum Beispiel die beiden Mädchen, die im Sommer 2018 bei Dendemanns splash!-Auftritt in der ersten Reihe standen und sich (vollkommen unironisch) mit schmerzverzerrten Gesichtern die Ohren zuhielten. Sie warteten nämlich nur auf Cro, der danach auftreten sollte. Pfui, pfui, pfui! Oder Typen wie Bonez, Gzuz und Gringo44, die sich absurd viel Gold in die Fresse und um den Hals hängen und mit ihrem Zeug die Charts dominieren. Buh! Egal ob ein verrückter Clown wie Capital Bra oder hitverdächtige Girl-Kombos wie SXTN, die Devise heißt meckern. Und zwar so lange, bis ihr im Grab liegt oder euch eine metaphorische Deutschlandfahne in den Schrebergarten stellen könnt. Laut der Definition vieler Oldschool-Jünger zerstören diese Leute nämlich »euren« Rap. Oder eben »unseren« Rap. Genau so wie irgendwelche Pop-Rapper oder ein Olexesh-Feature mit Vanessa May. Irgendwo ist nämlich Schluss. Und man kann euch teilweise sogar beipflichten, natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Und natürlich ist es wichtig, sich daran zu erinnern, was einst war. Das Problem an der Sache ist nur – Achtung, jetzt wird’s schockierend – ein ganz anderes: Rap hat nie euch gehört! Keinem und keiner von euch. Weder den Leuten mit der Hand in der Luft und dem Joint hinterm Ohr, noch den Cordon-Sport-Bangern oder den Instagram-Kids, die sich ernsthaft einreden, dass Rin ein attraktiver Dude ist und dass diese bescheuerten Yung-Hurn-Sonnenbrillen irgendwie cool sind.

HipHop ist nicht in irgendeiner Ecke stehen, rumnörgeln und die anderen kacke finden

Ich weiß, das ist hart für den einen oder anderen, immerhin habt ihr Atom schon mal auf einer Jam in Bitterfeld sprühen sehen und bereits vor 15 Jahren Falk Schacht an einer Bar gefragt, wo es zur Toilette geht. Manch einer hat sogar selbst mal die Dose in der Hand gehabt oder einen guten Kommentar im Mzee-Forum geschrieben. Oder ihr kennt Cro schon seit »Easy« und findet, dass Pop auch Rap ist und Rap auch Pop und sowieso. Wieder andere haben sämtliche Spotify-Listen rauf- und runtergehört und jede erdenkliche Premium-Box dieses Planeten in ihrem Spanplattenregal stehen. Da liegt der Shindy-Rucksack jetzt also neben KC Rebells Selfiestick und Kay Ones Handy-Akku und ihr denkt, nur weil ihr penetrant genug wart, euren Eltern diesen Schwachsinn aus den Rippen zu leiern, würde auch nur ein einziges Gramm von HipHop euch gehören. Tut es aber nicht. Kommt endlich klar damit. HipHop ist Rap, DJing, B-Boying und Graffiti-Writing. HipHop ist Beatboxing, Producing und auch Street Fashion. HipHop ist Goldketten, Autotune, Mumble-Rap und Codein. HipHop ist tiefe Hosen, Jams und eine Freestyle-Cypher. HipHop ist den neusten Tratsch über Farid Bang wissen zu wollen und Martin Seeligers »Popkultur als Kampf um Anerkennung und Integration« zu lesen. HipHop ist protzen und Understatement. HipHop ist lesen und twittern. HipHop ist dies und das – einfach so verschiedene Dinge. Einige dieser Dinge hab ich aktiv betrieben, die meisten nicht. Aber eins kann ich mit Sicherheit sagen: HipHop ist nicht in irgendeiner Ecke stehen, rumnörgeln und die anderen kacke finden. Außer bei Ferris MC und Spongebozz-Biograf Dennis Sand. Da ist es ausdrücklich erlaubt.

Foto: William Minke

Diese Kolumne erschien in JUICE #190. Die aktuelle Ausgabe gibt’s versandkostenfrei im Shop.

5 Kommentare

  1. Du hast schon recht keule, hiphop entwickelt sich immer weiter. Das bedauernswerte ist nicht, dass sich die Musik verändert, sondern die Motive hintendran. Die Kunst an sich geht verloren und viel zu viele versuchen nur noch einen Hit nach Maßstab zu kreieren, um möglichst schnell berühmt zu werden und Geld zu machen. Stay true 😉

  2. Ich glaube vielen gefällt bloß nicht, dass soviel schlechte Musik auf dem Trittbrett der „New Area“ mitfährt. So geht es mir zumindest. Der Rest ist Geschmackssache.

  3. Hip Hop braucht die Straße, das Viertel, die Stadt! Ich liebe übrigens Ferris MC, bester Mann und was macht eigentlich Fumanchu? Peace

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