Kid Cudi – Man On The Moon III: The Chosen // Review

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Wertung: Fünf Kronen

Ein Mann steht allein im Mondlicht auf seinem Balkon und raucht. Ein Beat setzt ein. Er beginnt zu summen und tanzen. Der Mann heißt Scott Mescudi. In seinen Musikvideos summt er oft alleine vor sich hin. »Cudi you saved my life« hat ein Fan unter das Video zu seinem neuen Album »Man On The Moon III« geschrieben. 2700 User sehen das genauso. Ähnliche, zehn Jahre alte Kommentare finden sich unter den Musikvideos der ersten beiden Teile seiner »Man On The Moon« Trilogie. Zeit für eine Reise zurück.

Damals im Jahr 2009 saß ein aufgeregter 29-Jähriger Junge aus Cleveland in einem Tonstudio auf Hawaii. Nur durch einen Zufall war er hier gelandet, bei den Aufnahmen zu JAY-Zs »The Blueprint 3«. Erfüllt von der Angst zu Scheitern sang er, auf einem mit Geigen unterlegten Beat, die Hook: »They want me to stop, They want me to go, I’m Already Home«. Auch wenn der junge Musiker sich noch viele Jahre nicht zuhause fühlen sollte, so war diese Zeile der Door-Opener zu einer großen Karriere. Noch im selben Jahr releaste Cudi »Man On The Moon I: End Of The Day« und ein Jahr darauf »Man On The Moon II: The Legend Of Mr. Rager«. Während die Singles »Day`N`Nite« und »Pursuite Of Happiness« weltweit auf HipHop-Partys rauf und runter gehört wurden, fühlten sich nur wenige zu den zwei introvertierten Alben hingezogen. Doch das sollte sich ändern. Im Schatten der großen Single-Charterfolge wuchs eine treue, Röhrenjeans und Chucks tragende Hörer*innenschaft heran. Psychische Probleme, soziale Ängste, Drogensucht – in Kid Cudi fanden viele einen Künstler, der sie verstand und sich auf Albumlänge mit ihnen über ihre Krankheit unterhielt. Der Mann vom Mond wurde zum Hoffnung gebenden Symbol all jener, die sich in der Gesellschaft isoliert und missverstanden fühlten – seine Musik zum Spiegelbild ihres Außenseiter-Daseins.

Zehn Jahre später beginnt das Intro zu »Man On The Moon III« mit den selben vier Klängen, wie das damals programmatische Intro des zweiten Teils »Scott Mescudi vs the World«. Die experimentellen Rock-Projekte (»Speedin Bullets 2 Heavan«) und spirituellen Kollaboalben (»Kids See Ghosts) der Zwischenzeit scheinen vergessen. Vieles ist nun wieder wie damals bei Kid Cudi, als ein Summen und ein in der Finsternis wabernder Beat (»Solo Dolo, Pt. III«) ausreichte, um seine Hörer*innenschaft glücklich zu machen. Als seine schief gesungenen Balladen (»The Void«) das erste mal ihre Kraft gebende Wirkung bei einsamen Teenagern entfalteten. Als es noch eine Neuheit war, wie Cudder auf einem Beat von Dot Da Genius über seine Depression sprach: »In the mirror, used to hate what I’d see« (»The Pale Moonlight«). Und doch durchzieht den letzten Teil der Trilogie eine neue, gelöste Stimmung. Es gibt nun auch typischen 2020 Pop Smoke Drill mit Skepta-Feature (»Show Out«) und Songs mit perfektionistischen Flow-Passagen (»She Knows This«). Letzterer bedient sich narratologisch an Cudis von Süchten getriebenem Alter Ego Mr. Rager. Eine Figur, welche Cudder auf dem zweiten Teil seiner Mondreise erfand, als er drohte verloren zu gehen zwischen Drogenrausch und sexuellen Eskapaden. »She Knows This« zeigt zugleich, wie geschickt Kid Cudi altes mit neuem vereint. Das einleitende Sample aus dem Film »Scott Pilgrim vs the World« schickt seine Hörer*innen zurück ins Jahr 2010. Der folgende Up-Tempo Beatwechsel lehrt uns wiederum, dass wir Cudis Soundbild nicht nur Kanyes »808 & Heartbreaks« zu verdanken haben, sondern auch Travis »Astroworld«. Es gibt zahlreiche Anhaltspunkte auf dem Album, wie den Song »Damaged«, die vermuten lassen, dass die beiden Scotts trotz Corona-Ausgangsbeschränkungen 2020 viel Zeit gemeinsam im Studio verbracht haben. Travis Einfluss hat dabei eine auflockernde Wirkung, auf das ansonsten sehr streng durchkomponierte Finale der Trilogie. Dieses teilt Kid Cudi in vier Akte: Return to Madness, The Rager, Heart Of Rose Gold und Powers. Dabei schafft er ein Konzeptalbum, dessen Tracks mehr verbindet, als die atmosphärischen Songübergänge und sorgfältig gesetzten An- und Abmoderationen. Es ist die emotionale Aufrichtigkeit der ersten beiden Teile, mit der Cudi auch dieses Mal seinen Hörer*innen die Hand reicht und sie auf eine 18 Song lange Reise begleiten. Die Abgründe dieser Reise scheinen 2020 weniger tief als vor zehn Jahren. Cudis unnachahmliche Art von diesen zu erzählen, ist jedoch geblieben. Es sind Erzählungen die besser werden, je öfter man sie hört. Am Ende, wird »Man On The Moon III« das gleiche Schicksal seiner zwei Vorgänger ereilen – Die Mehrheit wird es nicht verstehen, wenige werden es lange lieben.

Text: Lukas Hildebrand

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