Ein Unbekannter ist er nicht. Im Dezember fand sich der Wiener MC und Writer Kamp One sogar auf dem Titelbild der österreichischen Kollegen von »The Message« wieder. Seit über zehn Jahren wuselt er nun schon im AT-Untergrund herum, war zu Anfang seiner Karriere kurz bei den Dortmunder Pleitiers von Deck8 gesignt und machte in den letzten Jahren mit wenigen EPs und Mixtapes von sich reden, die 2007 auf der Street-CD »Die alten Filme« zusammengefasst wurden. Props von deutschen Kollegen wie Morlockk Dilemma sowie ein ihm weit über die Stadt hinauseilender Ruf als kompromissloser Quartalstrinker taten ihr übriges zur Mythenbildung um den Kunstakademiestudenten, der mit »Versager ohne Zukunft« sein erstes und laut eigenen Bekundungen auch letztes Album vorlegt. Mit dem bereits seit 1995 aktiven Produzenten Whizz Vienna hat er einen Seelenbruder gefunden, der seine poetischen Märchen von neongelben Nächten am Stromkasten, stamperlweise Stolichnaya und latenten Suizidabsichten mit zähflüssigen Booms und Baps untermalt. Kamp selbst bezeichnet ihr explosives Gemisch aus Endlosloops und pumpenden Snares im SloMo-Tempo um die 60 bis 80 bpm als »Opium-Musik«. Tatsächlich dürfte es einerseits jeden Fan von Rapmusik zwischen Dipset und Cannibal Ox einen Freuden-Squaredance vollführen lassen, gleichzeitig ergeben die 19 Tracks auch eine derart eigenständige Ästhetik, wie sie eigentlich nur echten Klassikern innewohnt. Entsprechend seinem inhaltlichen Konzept, sich selbst permanent niederzumachen, behauptet Kamp in einem Song, für ihn bleibe immer ’99, doch ist das nichts als Tiefstapelei: Sowohl Reimtechnik als auch Instrumentals sind absolut auf der Höhe der Zeit, nur eben geschmacklich nicht im Trenduniversum zwischen Synthie-Gedöns und Doubletime-Massaker angesiedelt. Thematisch gibt sich der 26-Jährige so authentisch wie nur irgend möglich, geradezu schmerzhaft ehrlich berichtet er aus seinem Versagerleben, das sich weitgehend um Suff, Hypochondrie und selbstzerstörerische Liebesbeziehungen dreht. In einem gelangweilten bis verzweifelten Flow trägt er präzise Mehrfachreime mit einer derartigen Selbstverständlichkeit vor, dass einem oberflächlich gar nicht auffällt, wie kunstvoll und lyrisch er seine Reimfäden über das erdige Soundbett spinnt. Doch bei genauerer Betrachtung wird klar, warum ihn nicht wenige für den talentiertesten Rapper Österreichs halten. Gänsehaut versprechen vor allem jene Momente, in denen die geballte Trostlosigkeit und Ausweglosigkeit der von Kamp beschriebenen Szenerie namens Leben deutlich wird. »I’d rather die enormous than live dormant«, wird Jay-Z zitiert – für Kamp offenbar kein pathetischer Kalenderspruch, sondern reales Lebensmotto. Mehr Wahrhaftigkeit hat lange kein deutschsprachiger Rapper in technisch so anspruchsvoller Weise auf seelenvolle Beats gelegt. Instant classic. Bam, Oida.
Text: Stephan Szillus
Diese Review erschien erstmals in JUICE #116 (März 2009). Back-Issues können versandkostenfrei im Shop nachbestellt werden.