Joey Bada$$ – All-Amerikkkan Bada$$ // Review

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(Pro Era / Cinematic Music Group)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Joey Bada$$ wird nie wieder ein physisches Album releasen. So weit so langweilig. Denn die Maßnahme, die der gebürtige New Yorker gerade im Zuge seines Album-Leaks formulierte, wird in Zukunft eh gängige Praxis – erst das Digitalrelease, wenn’s sich lohnt noch eine überteuerte ­Rutsche schwarzes Liebhaberplastik. ­Überhaupt hat Joey andere Sorgen als den sichersten Vertriebsweg. Seine größte – und das ist die Quintessenz von »All-Amerikkkan Bada$$« – ist sein Image. Mit seinem Faible für Sample-Geknister wurde der junge Pro-Era-Protago­nist früh zum Ostküsten-Herz­schrittmacher stilisiert, der die schnelllebige HipHop-Welt wieder auf gesunde 90 BPM einstimmen sollte. Als Antwort gab Joey in den letzten Jahren den ­Gutgekleideten, hüllte Hand und Hals in Gold, knackte mit der Motivationshymne »Devastated« die Radio-Hürde und rappt auf seinem zweiten Album einfach verhältnismäßig wenig. »All-Amerikkkan Bada$$« ist die andersartige Bada$$-Platte unter gleichen Vorzeichen: Joey setzt auf sein bewährtes Umfeld, lässt sich von den Peers Kirk Knight und Chuck Strangers sowie vom Ewiggestrigen Statik Selektah ausstatten. Doch anstelle von Seminar-Sechzehnern auf Neunziger-Loops lanciert Joey immer mehr klare Bridges und klebrige Hooks auf sauber ausgearbeiteten Synth-Soul – und lässt den Track atmen, wenn nötig. Dass er sich keine fertigen Loops habe schicken lassen, sondern die Entstehung aller Tracks im Studio überwachte, wie Joey in Interviews erzählt, erklärt die Musikalität des neuen Bada$$. Mit der ersten Hälfte von »AAB« croont sich der Brooklyner durch die wohltemperierteste halbe Stunde seiner Karriere. Und der Groschen fällt, wenn TDE-Tatwaffe Schoolboy Q und LOX-Legende Styles P danach jeweils auf ein Boombap-Duell dazukommen und Joey gnadenlos den Rap-Rang ablaufen. Dann erst versteht man, wo der Anfangzwanziger viel besser aufgehoben ist – auf Raop-Pathos wie »For My People« und »Temptation« nämlich. Zugegeben: Um »All-Amerikkkan Bada$$« als Empowerment-Pamphlet anzulegen, ergänzt Joey seine junge Biografie um eine Handvoll Allgemeinplätze, die der dringlichen Thematik nicht immer gerecht werden. Das ­verzeiht man ihm aber ­spätes­tens bei seinem Stimmspiel mit dem lethargisch vor sich hinstolpernden »Y U Don’t Love Me?« – und versteht sogleich, warum Jo-Vaughn Virginie Scott auf dem letzten Tribe-Album zum »gatekeeper of flow« geadelt wurde.

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