Ist Rap wirklich nur »Spiegel der Gesellschaft«? Eine Analyse // Feature

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Echogate, verprügelte Fans, Verschwörungstheorien. Vorwürfe der häuslichen Gewalt, anschließend verharmlosende Witze auf Instagram, Zeilen mit Vergewaltigungsfantasien. Antisemitische Tendenzen, ein IS-Shirt unbemerkt auf offener Bühne, sexuelle Verführung Minderjähriger: Deutschrap hat sich in jüngster Zeit wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.

Kritik für ihr Fehlverhalten ernteten verschiedene Protagonisten zwar hie und da, teilweise folgten anschließend sogar Erklärungen, Entschuldigungen oder Distanzierungen. Weitreichende Konsequenzen hatten die zahlreichen Fehltritte jedoch kaum bis gar nicht. Dabei steht der Szene vor allem eine ganz bestimmte Argumentationsfigur im Weg, die mittlerweile gebetsmühlenartig wiederholt wird. In einer langwierig eingeübten Abwehrhaltung betonen mal mehr, mal weniger gewichtige Stimmen gegenüber externen Kritikern, Rap sei nur ein Spiegel der Gesellschaft. Wer Rap folglich zum Sündenbock erklären wolle, dessen Urteil greife schlicht zu kurz.

Gänzlich falsch mag diese Ansicht zwar nicht sein, doch gerade im Hinblick auf die aktuelle Lage hinkt der Vergleich. Zunächst kann die deutsche Rap-Szene kein vollkommen identischer Spiegel der deutschen Gesellschaft, kein Mikroabbild des Makrokosmos sein – allerhöchstens in Ansätzen kann sie dieser Funktion gerecht werden. Natürlich haben wir im Deutschrap Schulabbrecher wie auch Akademiker, Elektriker und ehemalige Callcenter-Agenten ebenso wie praktizierende Ärzte und einen Doktor der Chemie. Wir haben Rapper, die noch zur Schule gehen, aber auch solche, die sich bereits Fragen zum bevorstehenden Ruhestand gefallen lassen müssen. Wir haben Bio-Deutsche, Migranten und Kinder von Migranten.

In einer langwierig eingeübten Abwehrhaltung betonen mal mehr, mal weniger gewichtige Stimmen, Rap sei nur ein »Spiegel der Gesellschaft«. STIMMT DAS?

Doch entspricht diese bunte Mischung der deutschen Gesellschaft tatsächlich so sehr, dass man von einem Spiegelbild sprechen kann? Wo sind die Gegenstücke zu den zahlreichen Rentnern? Ist der deutschlandweite Altersdurchschnitt mit jenem im Deutschrap identisch? Ist das Verhältnis von Land- zu Stadtbevölkerung wirklich dasselbe? Und wo ist das Gegenstück zur Hausfrau, zum Polizisten, zum Obdachlosen, zum Immobilienmakler oder zum Bauern? Und wer ist eigentlich Deutschraps Angela Merkel?

Zudem gilt es zu bedenken, dass die deutsche Gesellschaft keine homogene ist. Das ist gut so, ist es doch Ausdruck gelebter Pluralität. Letztere findet sich zu gewissen Teilen sogar in der Vielfalt der Deutschrap-Szene wieder, die besonders in den letzten Jahren vielfach besprochen und gepriesen wurde. Dennoch darf dabei nicht vergessen werden, dass verschiedene Subkulturen und Szenen auch verschiedene Lebensstile, Werte und Traditionen mit sich bringen. Ein Treffen der Gothic-Szene unterscheidet sich in vielen Punkten von einer Sitzung der JuSos oder der Gamescom. Ein Jazzkonzert ist etwas anderes als der ZDF-Fernsehgarten. Kreuzberg ist nicht gleich Marzahn oder Zehlendorf, aber Berlin ist auch nicht München, und München wiederum nicht Buxtehude. 

Diese Unterschiede machen natürlich gerade den Reiz der Zugehörigkeit aus – doch zugleich sind sie es, die mitunter zu Problemen führen. Gänzlich frei von jeglicher Form illegaler und krimineller Machenschaften, moralisch fragwürdiger Denkweisen bis hin zu Diskriminierung ist wohl kein Teil der Gesellschaft. Die Verteilung und Gewichtung ist jedoch von Szene zu Szene unterschiedlich – mal ist Sexismus stärker ausgeprägt, mal Rassismus oder Homophobie. Dementsprechend gibt es Ballungszentren, in denen sich bestimmte menschenverachtende Tendenzen stärker konzentrieren. 

Angesichts der jüngsten Skandale, die Deutschrap zu verzeichnen hatte, sollten wir auch ihn als Ballungszentrum verstehen, in dem gewisse Denkmuster in besonderem Ausmaß und Intensität vertreten sind – und sich nicht selten auch in Taten äußern. Die romantische Vorstellung einer Kultur, die sich vor allem für Unterdrückte einsetzt, entspricht jedenfalls nicht der Realität. 

So ist es äußerst bezeichnend, dass Samy Deluxe, der sich seit jeher gegen Fremdenfeindlichkeit engagiert, im Jahr 2019 noch Lines über »Homo-Rapper« und »Pimmel-in-den-Popo-Stecker« rappt. Rassismus und die Verachtung von Armut oder mangelnder Bildung mögen im Deutschrap vielleicht weniger präsent sein, dafür sind es Sexismus, Antisemitismus und Homophobie umso mehr. Das kann man mit sozialen Faktoren erklären, man kann es mit Kunstfreiheit verteidigen, doch kritisieren muss man es trotzdem – was bisher leider deutlich zu kurz kam.

Natürlich macht Rap dies noch nicht zur alleinigen Ursache, doch zumindest zu einem möglichen Verstärker und Multiplikator für allerlei problematisches Gedankengut. Zwar ist es durchaus möglich, explizite Texte mit kritischer Distanz zu konsumieren. Doch macht man es sich zu einfach, jedem Hörer den Vertrauensvorschuss einer solchen Haltung entgegenzubringen. Strukturelle Diskriminierung entsteht nicht zuletzt auch aus unbewusst verinnerlichten Vorurteilen. Zudem weitet jede fragwürdige Line die Spanne des öffentlich Sagbaren weiter aus.

Natürlich ist Rap Nicht alleinige Ursache, doch zumindest ein möglicher Verstärker für allerlei problematisches Gedankengut.

Wer gegenwärtig noch leugnet, dass Texte und Social-Media-Aktivitäten auf die Hörer und Follower Einfluss nehmen, der möge sich bitte einen beliebigen Post eines beliebigen Rappers oder Rap-Mediums genauer anschauen. Da wäre zum Beispiel Helen Fares, die einen Übergriff im Backstagebereich eines Festivals öffentlich machte, oder Ben Salomo, der kontinuierlich auf den wachsenden Antisemitismus in der Szene hinweist. Im besten Fall heißt es in den Kommentaren, man solle sich nicht so anstellen. Im schlimmsten Fall wird bewusst noch einer draufgesetzt oder den Akteuren vorgeworfen, es nicht anders zu verdienen. Auch der Vorwurf, man habe Rap ganz einfach nicht verstanden, ist vermehrt anzutreffen – ganz so, als sei Diskriminierung ein elementarer Bestandteil des Genres. 

Hier darauf zu verweisen, dass Rap nur die Gesellschaft spiegeln würde, ist naiv und realitätsfern. Da Deutschrap immer weiter an Popularität gewinnt, wird es sich langfristig als gefährlich herausstellen, diesen Einfluss zu unterschätzen. Rap fungiert nicht einfach nur als Spiegel, Rap beeinflusst die Gesellschaft und gestaltet sie aktiv mit – und wir sollten uns dringend mit der Frage beschäftigen, auf welche Weise dies geschehen soll.

Text: Mathias Liegmal

Illustration: Graphizzle Novizzle

1 Kommentar

  1. Alter soviel Unfug in Textform. Allein die Ben Salomo Sache. Die Judenfeindlichkeit speziell in Berlin resultiert nicht aus Rap und Raptexten. Sie resultiert aus den Weltbildern von Bürgern die größtenteils Migrationshintergrund (vor allem aus der arabischen Ecke) haben und an antijüdische Propagandascheisse glauben die ihnen durch Eltern, Imame, Youtubevideos und was weiss ich allem eingetrichtert wurde.
    Die Probleme sind Erziehung, Bildung und Integration. Nichts Anderes.

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