»I didn’t know if we could be friends…« Den kalifornischen Produzenten Shlohmo, der im Vorfeld über das We Did It Collective und das Friends Of Friends-Label schon einige EPs veröffentlicht hatte, brachte sein Burial-Remix zu »Shell Of Light« über Nacht in die Playlists der Geschmacksinstanzen und die Plankonzepte der Werbeagenturen. Shlohmo hatte das Unmögliche geschafft: einen Tune eines unantastbaren Genies zu remixen, ohne sich dabei zu blamieren, sondern aus dem Original tatsächlich noch mehr rauszuholen. Der junge Producer öffnet in seinen instrumentalen Tracks und Remixen (u.a. für Gucci Mane, Toro Y Moi oder Gonjasufi) melancholische Klangwelten zwischen DJ Shadow und DJ Screw, zwischen James Blake und The Weeknd. JUICE traf den sympathischen Tüftler und selbsternannten »größten Drake-Fan der Welt« im Rahmen des »transmediale«-Festivals, wo er mit seinem Label-Kollegen Salva auflegte.
Du bist das erste Mal in Europa. Wie fühlst du dich?
Ich bin aufgeregt, aber bis jetzt gefällt es mir sehr gut hier bei euch. Wir sind seit knapp einer Woche unterwegs. Von England bis Polen waren bei jeder Show jede Menge Kids vor der Bühne, fast jeder Gig war ausverkauft. Mich nervt lediglich, dass wir die ganze Zeit mit Ryanair rumfliegen. Das ist die schlimmste Fluglinie, die ich kenne – wirklich Horror. Aber sonst ist alles super.
Es gibt mittlerweile in vielen Ländern Ableger dieser weltweiten Beat-Szene, in der auch du verortet wirst. Seid ihr überall connected?
Das Internet ist einfach der internationale Lieferdienst, wenn es um diese Musik geht. Ich wusste jetzt nicht, was uns auf dieser Reise erwartet. Einige unserer Labelkollegen oder Freunde waren ja bereits hier und haben uns erzählt, dass die Promoter sehr gut Bescheid wissen und dass das Publikum offen und gut informiert ist. So war es dann auch. Ich hab mich auch nach den Sets mit einigen Kids aus der Crowd unterhalten, alle waren gut drauf.
Wie wichtig ist denn heute noch die Herkunft für die Musik, wo doch alle über das Internet miteinander verbunden sind?
Ich glaube schon, dass der Ort, an dem du lebst, etwas zu deiner Musik beiträgt. Ich habe schon in vielen Städten gelebt: In San Francisco, Los Angeles und jetzt seit einiger Zeit in New York. In jeder Stadt hab ich den Vibe und die dortige Szene, also die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, in meine Musik einfließen lassen. Ich war immer viel unterwegs, deswegen hab ich auch so viele unterschiedliche Elemente in meinen Songs. Diese Rastlosigkeit und die ständige Suche ist ein großes Thema für mich.
Du hast mal gesagt, dass dein letztjähriges Debütalbum »Bad Vibes« so düster klingt, weil du dich nirgends zu Hause gefühlt hast.
Ganz genau. Deswegen auch die Songtitel: »I Can’t See You, I’m Dead«, »Trapped In A Burning House« oder »Anywhere But Here«. Mir ging es damals nicht gut. Ich war zwar sehr produktiv und habe viel ausprobiert, aber all die Umzüge und die ständigen -Situationen, in denen ich mich neuen Dingen stellen musste, haben mir zu schaffen gemacht. Viele waren überrascht von dem Album, da sie von mir etwas Fröhlicheres erwartet haben. Aber ich habe mich genau so gefühlt, wie das Album klingt.
Hast du damit gerechnet, dass gerade dein Burial-Remix so hohe Wellen schlagen wird?
Nein, gar nicht. Ich habe mit viel Hass gerechnet, weil Burials Musik in der Szene so etwas wie ein Heiliger Gral ist. Und das auch zurecht! Ich bin selbst ein Riesenfan. Vielleicht hat es viele gewundert, dass sich das überhaupt jemand traut. Ich war eben so dumm und habe den Remix einfach hochgeladen – mein Glück, denn es hätte ja auch total untergehen oder verrissen werden können. Aber glücklicherweise mochten viele den Song – und durch die einschlägigen Blogs ist er dann riesig geworden.
Wie wichtig sind Reverb- oder Sidechain-Effekte für deinen Sound?
(lacht) Sehr wichtig. Reverb und Delays benutze ich sehr oft. Mit dem richtigen Hall kann man einfach perfekt die Stimmung eines einzelnen Songs beeinflussen. Ich pitche auch sehr viel und ändere das Tempo einzelner Melodien oder der Drums. Durch Sidechain-Effekte lasse ich halt die Bassline oder Synthie-Melodien auf die Kickdrum reagieren und umgekehrt. Meine Musik ist eher etwas für den Kopfhörer als für den großen Club. Mit diesen beiden Effekten sorge ich dafür, dass auf relativ simple Weise sehr viel im Sound passiert.
Singst du diese gespenstischen Background-Vocals eigentlich selbst ein?
Ja, und das ist ein weiterer Grund, weshalb der Reverb sehr wichtig ist. (lacht) Ich kann ja nicht wirklich singen, deswegen muss ich meine Vocals versteckt einsetzen. Aber das macht mir sehr viel Spaß. Wenn ich das Gefühl habe, dass dem Song noch etwas fehlt, singe ich einfach eine Melodie ein, bearbeite sie mit Effekten und kann sie dann als weiteres Instrument nutzen.
SpaceGhostPurrp, Clams Casino und andere junge Produzenten haben ja ein ähnliches Verhältnis zum Reverb.
Ja, das ist bei den Jungs in meinem Alter verankert. Interessant ist, dass jeder von uns aus unterschiedlichen Ecken des Landes kommt. In Kalifornien hat es auch mit den Drogen zu tun. Weed ist total normal geworden und in meinem Umfeld haben auch viele regelmäßig Codein getrunken. Ich denke mir, dass das auch eine Rolle spielt. Wir sehen jeden Tag so viele Dinge, die Halbwertszeit von allem verringert sich drastisch, da bekommt man schon den Eindruck, ein verschleiertes Weltbild zu haben. Vielleicht kann man es so erklären.
Arbeitest du viel mit Field-Recordings?
Ja, sehr viel. Wobei das bei mir eher Bedroom-Recordings sind. Ich gehe nicht raus und nehme irgendwelche Vogelgeräusche auf oder stelle mich morgens um 4 an den Hafen, um genau dieses eine Schiff mit dem verrückten Motorgeräusch zu erwischen. Dazu bin ich zu faul. Aber ich sitze gerne in meinem Zimmer, rauche einen Spliff und benutze alles, was ich in die Finger bekomme, um Drums einzuspielen. Ich spiele mit Gegenständen herum oder kratze mit einem Stift auf dem Sofakissen. Man kann aus fast jedem Sound etwas machen, wenn man ihn richtig bearbeitet.
Auf »Bad Vibes« hast du auf Samples verzichtet. Warum?
Ich liebe Samples. So habe ich angefangen zu produzieren. Aber ich habe immer die Leute beneidet, die ihre Songs komplett selbst einspielen. Durch das Samplen habe ich mich eingegrenzt gefühlt und wollte mich eher vom klassischen Beat zur Song-Struktur bewegen. Ich kann ja keine Instrumente spielen, aber ich kann Gitarre und Keyboards so lange bearbeiten, bis ich zu meinem Ergebnis komme. Ich komme ja aus dem HipHop. Ich würde mich bis heute sogar als richtigen HipHop-Head bezeichnen. Später habe ich etwas Lo-Fi-Punk und etwas technoide Elektronik gehört. Dann kamen all die Leute hinzu, die aus dem HipHop kamen und dann Filmmusik produziert haben: DJ Shadow, Amon Tobin, Boards of Canada… Besonders »Endtroducing« von DJ Shadow hatte es mir extrem angetan. Später dann J Dilla und Madlib, ihre Beats haben mir sehr gefallen, da sie wirklich roh waren, aber gleichzeitig diese Wärme hatten. Und so bin ich da gelandet, wo ich jetzt bin.
Du spielst in deinen Live-Sets viel
Waka Flocka, Lil B, Juicy J und Gucci Mane…
Das ist einfach die beste Club-Musik. Sie geht extrem nach vorne, hat einen tiefen Bass und ein sehr gutes Tempo, was es für DJs leicht macht, sie zu mixen. Gleichzeitig ist sie extrem ignorant. Wenn man betrunken ist und die Sau rauslassen möchte, gibt es nichts Besseres. Das geht besser als mit Skrillex oder anderer Dance Music. Das meiste davon geht gar nicht. Das ist alles so überkomprimiert, superclean und einfach nur laut, so wie Stadionrock aus den Achtzigern. Das nervt einfach nur. Die Dance Music in den Charts ist unfassbar langweilig. Wir müssten diese ganze Clubmusik choppen und screwen! (lacht) Das ist unser Job als junge Produzenten. Aus der Sicht eines Tontechnik-Dozenten ist diese Musik sicher interessant, aber mir persönlich gibt sie überhaupt nichts. Ich mag ja Popmusik und habe auch schon einige R&B-Remixe gemacht. Aber wenn ich das Radio anschalte, frage ich mich die ganze Zeit, wer so etwas gut finden kann.
Text: Ndilyo Nimindé