»Ich habe mir das fassungslos angeguckt« – Casper Vs. The JUICE Exclusives // Feature

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195 Ausgaben der JUICE – das heißt auch: 148 JUICE-CDs. Der ab 2000 jeder Issue beiliegende Silberling im Pappschuber diente gerade in den Anfängen als Promotool für Plattenfirmen, die darüber mit einzelnen Songs auf neue Releases aufmerksam machten, und wurde von Rappern wie Haftbefehl, Marsimoto, Curse oder Prinz Pi aber das eine oder andere Mal auch in Gänze an sich gerissen. Vor allem war die CD aber Geburtsstätte der sogenannten JUICE-Exclusives: Ausschließlich für die hefteigene Compilation aufgenommene Songs, aus der Hüfte Geschossenes oder bei der Albumproduktion hintenüber Gefallenes, Kurioses bis Klassisches, nirgendwo sonst zu findendes Material. Und mit wem könnte man sich besser durch ein Best-of dieser Exclusives hören und dabei nostalgisch in Erinnerungen schwelgen als mit Casper, seines Zeichens wandelndes Deutschrap-Lexikon und selbst das eine oder andere Mal mit exklusiven Songs auf der CD vertreten gewesen. Interessante Randnotiz: Mit diesem Vorspiel gehen Casper und Jan Wehn full circle. 2009, also vor exakt zehn Jahren trafen die beiden das erste Mal im Rahmen eines »VS. The Beats«-Interviews für die Ausgabe #111 aufeinander – bei handwarmem Wicküler und Haribo Colorado, in einem kleinen WG-Zimmer in Bielefeld. Lange vor Goldenen Schallplatten und ausverkauften Stadion-Shows. 

Curse – Überleben (prod. Curse) (2001)

Das ist übrigens das erste JUICE-Exclusive überhaupt. 

Ich find’s krass, dass das hier das erste Exclusive überhaupt war – der hätte ja genau so auch auf dem damaligen »Innere Sicherheit«-Album sein können. (hört zu) Curse war mein erstes Deutschrap-Konzert – und zwar 1999 die »Feuerwasser«-Releaseparty in Minden. Ich war total aufgeregt und wollte mir nach dem Konzert ein Autogramm von Jaleel holen, und weil er auf meinem Splash-Flyer unterschreiben sollte, meinte er dann: »Ich gebe dir das Autogramm nur, wenn du zum splash! kommst!« Mir wäre das vorher nie in den Sinn gekommen – aber weil Jaleel das gesagt hat, sind meine Jungs und ich dann wirklich das erste Mal zum Splash gefahren. (lacht) Curse war in meiner Biografie vielleicht nicht so wichtig wie ein paar andere, aber ich habe immer zu ihm aufgeschaut. »Feuerwasser« und »Von Innen nach Außen« habe ich krass viel im Kinderzimmer gehört und gefühlt, »Innere Sicherheit« und »Sinnflut« eigentlich gar nicht, aber »Freiheit« fand ich dann wieder heftig. Das war richtiger Stadionrap mit Features mit Marius Müller-Westernhagen, Silbermond und Nneka. Als Bjet und ich mit den Aufnahmen »Hin zur Sonne« fertig waren, hat uns der absolute Ehrenmann Busy uns angeboten, das Album für einen schmalen Taler zu mastern – auch wenn ich gar nicht so genau wusste, was mastern ist und wofür das gut sein könnte. Wir sind dann zu ihm nach Bad Oeynhausen gefahren – und auf einmal kam Curse rein. Das hat mich umgehauen! Ich bin mit der Situation überhaupt nicht klargekommen. Aber wir haben dann noch über Musik geredet und Curse hat mir ein paar echt gute Tipps gegeben. Ich hatte das Gefühl, dass wegen dieses Albums alle Welt auf mich schaute – obwohl das ja totaler Blödsinn war. Aber weil sich das so angefühlt hat, hatte ich das Gefühl, dass alles total knallen muss. Er hat mir mit ein paar Ratschlägen ganz viel imaginäre Last von den Schultern genommen. Curse ist in meinen Augen ein echter OG, der aber nicht oft in der Liste der OGs genannt wird. Sido, Savas und Samy sind schnell genannt – aber Curse fällt als Name irgendwie nie. Ich frage mich, woran das liegt. Der hatte riesige Hits, hat in der richtigen Zeit angefangen, hat seine Dues gepayed – und trotzdem fehlt er in der Diskussion oft auf dem Mount Rushmore. Ein großes Mysterium des Deutschrap. Ich glaube, Deutschland hat generell ein Problem damit, wenn jemand ernsthaft unironisch emotional offen ist. Das schlägt mir ja manchmal auch entgegen. Wenn ich den gleichen Song mit einem doppelten Boden machen würde, wäre das schon wieder was anderes. Man braucht einfach diese Karnevalisierung, damit man das klar von seinem Leben abstrahieren kann. 

Sido & Seine Nachbarn – Mein Block (BEATHOAVENZ RMX) (prod. BEATHOAVENZ) (2003)

Ich habe die Story damals genau mitbekommen: Erst kam der Song von Blumentopf namens »Mein Block« und dann der von Hecklah & Koch gleichen Titels, die übrigens auf TVT Germany waren, wo auch Lil Jon veröffentlicht hat. Als dann Sido mit dem dritten »Mein Block« und vor allem diesem Intro kam, habe ich mich kaputtgelacht. Ich fand das witzig. Der Song war ein geiles Exclusive, aber ich hätte nie gedacht, dass das so ein Hit wird. Als mit dem Video dann das Visuelle dazukam, war für mich alles aus. (hört zu) Das ist der erste Song, bei dem man gecheckt hat, was für ein guter Songwriter er auch ist. Die Sachen davor waren ja sehr doll, witzig und augenzwinkernd, aber »Mein Block« war der erste richtige Song und »Maske« anschließend ja auch ein krasser Gamechanger. Ich habe mich neulich mal durch so ein paar legendäre Alben geklickt. Manches ist wirklich schlecht gealtert, aber »Maske« klingt immer noch wahnsinnig gut. Ohnehin finde ich Sidos Status generell bemerkenswert. Der ist irgendwie unser Snoop Dogg. Einerseits tritt er so souverän bei »The Voice« auf, aber die jungen Leute finden den immer wieder cool, weil er mit den richtigen Rappern zusammenarbeitet und neue Trends zwar adaptiert, aber immer in seinen Kosmos holt. Sido hat’s einfach drauf, für seine verschiedenen Zielgruppen jeweils die richtigen Songs zu machen. 

Ihr habt ja auch für sein neues Album zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?

Das war für mich total der Film. Ich war auf dem Geburtstag einer Freundin und dementsprechend schon richtig rillé. Irgendwann klingelte mein Handy, und mein guter Freund Max (Mönster, A&R bei Universal URBAN; Anm. d. Verf.) war dran und wollte wissen, ob ich nicht im Studio vorbeikommen will. Ich meinte: »Du weißt doch, wie langsam ich schreibe – da passiert safe erst mal gar nichts!« Dann bin ich trotzdem losgefahren. Vor allem habe ich in einer Stunde nicht nur einen Part, sondern auch noch eine Bridge und eine Hook geschrieben – und jetzt habe ich einfach einen Song mit Sido. Das war nicht so, dass ich da vorher Tag und Nacht drüber nachgedacht hätte und das unbedingt hätte passieren müssen, aber jetzt bin ich irrsinnig stolz drauf. 

Kool Savas – Renexekution feat. Eko Fresh (prod. Melbeatz) (2003)

Den müssen wir nicht hören, den kenn ich auswendig. (rappt mit) »Als du gesagt hast, dass du jetzt zu Improversum gehörst, habe ich das erste Mal von Improversum gehört.« Das ist einfach ein Classic! Aber wenn ich das richtig in Erinnerung habe, basiert der Song ja auf einem Gerücht.

Der von Eko am Anfang erwähnte Azad-Diss »Gegen den Gnom« von MC Rene existiert wirklich, aber »Schieb ab Joe« gegen Savas und Eko hat es nie gegeben. Das waren fake news aus dem MZEE-Forum. 

Das finde ich so heftig, weil der Song MC Rene ja wirklich ein Stück weit zerstört hat. Der hatte seine Hochzeit in den Neunzigern und ein paar wichtige Alben wie »Renevolution« gemacht. Dann noch »1, 2, 3« mit DJ Tomekk und sein Job als Moderator bei »Mixery«. Aber nach dem Song war klar: Der ist durch. (hört zu) Unabhängig davon muss ich sagen, dass ich diese Phase von Savas und Eko einfach geil fand. Das ist so locker gerappt, wie im Vorbeigehen. Es gab ständig neue exklusive Songs wie »Dunne«, »Deutschlands 1« oder den Remix von »D.u.T.« … Die »Jetzt kommen wir auf die Sachen«-EP von Eko habe ich rauf und runter gehört und eine Zeit lang nur Punchlines wie er geschrieben. Ich fand auch dieses »Optik Mixtape Vol. 1« so geil: Das war der Flavour von den amerikanischen Sachen, aber trotzdem irgendwie eigen. Der Beat von »X und quer« war einfach zu wild! Ich konnte kaum fassen, dass Separate, mit dem ich zu der Zeit ja viel zu tun hatte, mit Optik angebandelt hat. Als Savas und Eko dann mal in Wiesbaden aufgetreten sind und Separate Vorgruppe machen sollte, hat er mich gefragt, ob ich nicht sein Backup sein will. Natürlich wollte ich – wir waren ja damals eine Crew (Kinder des Zorns; Anm. d. Verf.) – und habe vor Aufregung drei Tage vorher nicht richtig gepennt. Wir waren dann an dem Tag schon früh an der Location, haben alle getroffen und auch recht lange mit Eko gechillt, weil er dort seinen Feature-Part für den Song »Gegen den Rest der Welt« mit Separate geschrieben und aufgenommen hat. Ich saß einfach nur still daneben und habe mir das fassungslos angeguckt. (lacht)

Eko Fresh – Die Abrechnung (prod. DJ Rocky) (2004)

Kein Hate, aber ich fand »Die Abrechnung« immer besser. »Das Urteil« war als Opus zwar extrem beeindruckend, aber das hier war einfach richtiger Battlerap: Diese Punchlines und so krude Insider über irgendwelche Leute, die in Gläser scheißen, oder Sätze wie »Jack Orsen weiß, wovon ich rede!« – als ich das damals gehört habe, dachte ich immer nur »Jack Orsen weiß das vielleicht, aber ich weiß es nicht! Was ist denn da vorgefallen?!« (lacht) Man hört wirklich jeder Zeile an, wie stinksauer Eko war und wie er mit dem Rücken zur Wand stand. Einen guten Battle-Track macht für mich aus, wenn ich dem Typen jedes Wort glaube. Kann sein, dass nicht alles stimmt, aber ich will diese Dringlichkeit spüren – und die hört man hier ganz deutlich. Ich finde, dieser Beef ist immer sehr einseitig erzählt worden in den Annalen des Deutschrap: Savas hat Eko zerstört, fertig. Aber das ist meiner Meinung nach falsch. Nicht, weil ich mich auf eine Seite schlagen will oder hinter allem stehe, was Eko sagt – aber »Die Abrechnung« war einfach dringlicher.

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