Dexter treibt seine Rapkarriere voran und veröffentlicht am 27. November sein neues Album »Yung Boomer«. Als rappenden Arzt kann man den Stuttgarter mittlerweile nicht mehr bezeichnen, denn seinen regulären Job hat Dexi vorerst an den Nagel gehängt. Sein beruflicher Fokus liegt jetzt in Vollzeit auf Instrumental-Produktionen, Mix- und Mastering-Jobs und dem eigenen Rapalbum. Wie sich diese Veränderung in finanzieller Hinsicht auf sein Leben auswirkt und warum er jetzt alles selbst in die Hand nimmt und auf Label sowie Management verzichtet, haben wir mit Dexter in unserem Talk über Geld »C.R.E.A.M« besprochen. Im zweiten Teil des Interviews geht es um die Chancen, die ein Leben als Vollzeitmusiker mit sich bringt, Dexters Respekt vor jungen und alten Vertretern der Szene und die positive Einstellung, die sich trotz negativer Erlebnisse auf seinem Album widerfindet. Ihr könnt das Interview hier lesen.
Dein Tagesablauf hat sich stark verändert, weil du deinen Beruf als Arzt aufgegeben hast. Ich nehme mal an, dass es davor noch viel mehr Organisationsaufwand erfordert hat, deine Arbeit als Rapper und Produzent zu schaffen.
Ja, es war schon stressiger. Ich habe mir das nicht so richtig eingestehen können, die Leute haben eh schon immer gefragt, wie ich es schaffe, Job, Familie und Musik unter einen Hut zu bringen. Ich habe mir diese Frage gar nicht gestellt, weil es ja irgendwie lief. Mittlerweile muss ich zugeben, dass ich mir nicht eingestanden habe, dass es mich krass gestresst hat, auch unterbewusst. Ich habe zwar vieles hingekriegt, aber man musste viel organisieren und teilweise komplett auf Freizeit verzichten, damit man das hinkriegt. Musik ist natürlich auch ein bisschen Freizeit, aber einfach mal gar nichts zu machen, war nicht drin. Ich merke jetzt, wo ich nur noch Musik mache, dass ich viel entspannter werde. Von meinem Naturell her bin ich ein entspannter Mensch, aber irgendwann war ich viel gereizt und auch gesundheitlich angeschlagen. Dann habe ich mich gefragt, wie lange ich noch so weitermachen will. Bei der Familie kannst du natürlich nicht kürzer treten, Musik geht auch nicht, sonst wirst du depressiv. Deswegen musste ich mich vom Job, zumindest erstmal, trennen. Wobei ich meine Facharzt-Prüfung ja in der Tasche habe. Wenn ich will, kann ich wieder einsteigen.
Damit hast du immerhin die Option offen, wieder in den »normalen« Job zurückzugehen.
Von daher ist das eine Luxus-Position. Ich thematisiere das auf dem Album ja ein bisschen so, als ob ich Vollidiot mit 36 Jahren meinen sicheren Job gekündigt habe, um nur noch Rap zu machen. Aber es läuft wirtschaftlich gut, weil ich eben auch die Mix- und Mastering-Jobs mache, Produktionen für andere, Instrumental-Sachen, die eigenen Rap-Sachen, ab und zu kommt Gema-Geld oder man hat mal einen Auftritt. Es ist nicht so, dass ich in einem Bereich total groß geworden bin, es sind eher viele Baustellen, die einem erlauben, davon ganz gut leben zu können. Wenn ich nur ein Rapper wäre, müsste man, glaube ich, mindestens Fatoni-Level haben, vom Publikum her, um davon gescheit leben zu können. Oder du bist halt LoFi-Produzent und machst 5000 Euro im Monat mit Playlist-Platzierungen.
Damit hast du trotzdem eine ganz andere Art von Einkommen, im Gegensatz zu einem festen Gehalt am Ende des Monats.
Ich habe festgestellt, dass ich mir das mit Wohnung und Familie finanziell erlauben und ein bisschen runterkommen kann. Wobei ich am Anfang schon gemerkt habe, dass dieses monatliche Facharzt-Gehalt wegfällt. Das ist schon ein Batzen Geld, der dann nicht da ist. Dann hast du auch mal zwei Monate, wo gar kein Geld reinkommt, danach wieder eine Phase, in der die Rechnungen bezahlt werden und Gema-Geld kommt. Dann merkt man, dass doch alles cool ist. Aber in diesen zwei Monaten denkt man nur: „Fuck, ich habe überhaupt kein Geld.« Und Kindergarten, Miete etc. kostet natürlich alles regelmäßig Geld. Ich musste mich am Anfang erstmal an diese andere Art von Arbeit in der Selbstständigkeit gewöhnen. Mittlerweile bin ich es gewohnt, es läuft gut und es macht mir Spaß, mich selber um alles zu kümmern.
Selber machen heißt dann auch mehr als nur die musikalischen Sachen im Blick zu behalten, oder?
Als ich noch im Krankenhaus gearbeitet habe, hatte ich ein Management, das quasi alles für mich gemacht hat, gerade so Dinge wie Steuern. Dadurch musste ich mich tatsächlich nur um die Musik kümmern. Hätte ich die Business-Seite des Jobs damals auch noch machen müssen, hätte das auf keinen Fall geklappt. Jetzt mache ich alles selber, habe kein Label mehr, kein Management mehr und insgesamt einen ganz anderen Arbeitsalltag. Aber es ist cool, das alles selber zu betreuen, selber zu entscheiden, welches Budget wohin geht, was man genau machen will, ohne einen Mittelmann zu haben. Mein Netzwerk ist mittlerweile so groß, dass ich genug Kreative kenne, mit denen ich arbeiten kann. Dann will ich auch selber mit denen verhandeln oder man macht das auf einem kleinen Dienstweg. Nach dem Motto: »Du machst mir ein Video, ich gebe dir Musik für ein Projekt von dir.« Das ist viel mehr meine Art, zu arbeiten. So, dass jeder auf seine Kosten kommt und am Ende des Jahres etwas damit verdient.
Macht diese Art von DIY mehr Spaß?
Ich merke schon, dass mir diese Seite mehr Spaß macht. In diesen mittlerweile mehr als zehn Jahren im Geschäft hat man ja auch viel gelernt. Zum Beispiel Steuer-Sachen, von denen man am Anfang gar keine Ahnung hatte. Umso mehr Leute dabei sind, umso mehr kassieren eben auch ab. Das heißt nicht, dass Label und Management zu Unrecht abkassiert haben. Ich merke jetzt, wie aufwändig diese Arbeit ist, alleine schon vom Zeitaufwand her. Die Leute sagen oft, dass ein Manager dich abzockt und das Label ungerechtfertigt einen hohen Anteil kassiert. Aber wenn man die andere Seite mal gemacht hat, merkt man, dass es eben tatsächlich 50 Prozent der Arbeit sind. Klar, es gibt auch Manager, die ihre Artists abzocken, aber das war bei mir nicht der Fall. Ich bin im Guten mit meinem Management und dem Label auseinandergegangen. Ich habe ihnen erklärt, dass ich bei der selbstständigen Arbeit eben das ganze Geld brauche, um leben zu können. Natürlich war mein Manager enttäuscht, aber er hat es auch verstanden und wir sind cool auseinandergegangen. Das ist mir wichtig. Wir sind weiterhin in Kontakt und er wird in Zukunft auch Dinge wie mein Tourmanagement oder andere Sachen machen, für die ich selber keine Zeit habe und die ich ihm dann pauschal abgebe.