Hirntot Records: »Die haben den entsprechenden Gewaltdarstellungsparagraphen erweitert – unsertwegen!« // Interview

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Warum rappt ihr überhaupt über Mord und Totschlag? Ist das ein Ventil?
Schwartz: Sex und Gewalt sind archaische Schlüsselreize. Das wird dir jeder Kulturwissenschaftler bestätigen. Damit arbeitet auch der Boulevard: RTL, die Bild-Zeitung, alle. Der berühmte Psychiater Carl Gustav Jung hat mal gesagt, jeder Mensch trage einen Schatten in sich, eine dunkle Seite. Und wenn man diese Seite in seinen Texten mal rauslässt und damit zivilisierte Pfade verlässt, finde ich das spannend.
Blokkmonsta: Hinzu kommt: Durch unsere Musik eröffnen wir den Leuten eine Welt, die von ihrer eigenen oft meilenweit entfernt ist. Da tun sich Möglichkeiten auf. Abgründe allerdings auch. Das ist dasselbe Prinzip, nach dem Leute ins Kino gehen: sich mal kurz in eine Welt begeben, die mit der eigenen Lebensrealität nichts zu tun hat. Der Unterschied ist bloß: Auf unserem Film gibt es kein Happy End.
Rako: Aber ein Film bleibt es trotzdem. Keiner von uns läuft rum, zerstückelt Menschen oder ballert wild um sich. Wir machen Entertainment. Wir schaffen Audio-Action- und Horrorfilme.

Welche Tonträger von euch wurden als erstes indiziert?
Blokkmonsta: Das waren die »1. Mai EP: Steinschlag« und »Schlachthof«. Und das »Hirntot«-Album natürlich – vor allem wegen des Songs »Fick die Polizei«.
Nils Davis: Dürfen die Titel überhaupt abgedruckt werden?
Blokkmonsta: Klar. Wir machen ja keine Promotion dafür. Die Alben sind eh bereits beschlagnahmt, man kann die nirgendwo mehr kaufen. Wir reden ja lediglich über geschichtliche Fakten.
Rako: Aber da sieht man mal, womit man sich alles auseinandersetzen muss: Darf ich den Titel nennen? Darf ich das Cover zeigen? Darf ich darüber sprechen? Dein Kopf wird wirklich auf jeder Ebene gefickt, und da sollst du dich dann auch noch künstlerisch entfalten und frei deine Meinung äußern können.
Blokkmonsta: Ich gehe deshalb auch stets mit der Angst ins Bett, dass die Bullen mal wieder schwerbewaffnet in meinem Schlafzimmer stehen.

War die Polizei 2007 »nur« bei dir, Blokkmonsta?
Blokkmonsta: Nein, bei Schwartz auch.
Schwartz: Zu der Zeit war ich noch bei meinen Eltern gemeldet. Auch bei denen hat die Polizei damals vor der Tür gestanden.

Wie lief das damals ab?
Blokkmonsta: Bei der ersten Razzia haben mich die Polizisten aus dem Taxi gerissen. Ich war auf dem Weg zu einem Shooting mit Smoky, mit dem wir das Album »Zu hart für den Markt« gemacht haben; dafür hatte ich auch die Replika einer MAC-11 [eine US-amerikanische Maschinenpistole; Anm. d. Verf.] im Rucksack. Während der Fahrt zu Smoky hat der Taxifahrer permanent in den Rückspiegel geguckt, als ob der eingeweiht gewesen wäre. Und als er angehalten hat, kam bereits eine Faust durch die Fensterscheibe. Dann haben sie mich aus der Tür rausgezogen und mir den Rucksack abgenommen. Alle Passanten, die da rumliefen, haben sich als Zivilbullen entpuppt und kamen sofort angerannt. Smoky hat das von Weitem beobachtet, wollte noch umdrehen, aber da hatten sie ihn auch schon geschnappt. Dann haben sie mich auf den Boden gedrückt, mir Handschellen angelegt und einen Sack über den Kopf gezogen. Im Anschluss habe ich von allen Seiten Tritte kassiert: in den Körper und ins Gesicht. Die haben mich regelrecht kaputtgeschlagen. Dann sind die mit mir erst zum Studio, wo sie alles zerstört haben; so, wie man es aus Filmen kennt: Die haben die Schränke umgeworfen, Mülleimer ausgekippt, unser Merchandise in die Toilette geworfen. Das sah aus wie ein Schlachtfeld.

War es bei dir auch so krass, Schwartz?
Schwartz: Nein. Damals habe ich noch studiert, in Düsseldorf gewohnt und hatte an besagtem Tag frei. Ich habe im Bademantel gechillt und »Spongebob« geguckt. (grinst) Plötzlich klingelte es an der Tür: »Machen Sie auf! Hier ist die Polizei!« Ich dachte erst, dass das die Wichser von der GEZ sind. Als ich dann die Tür einen Spalt weit aufgemacht habe, hat einer der Polizisten direkt einen Fuß in der Tür gedrückt und mir seinen Dienstausweis vor die Nase gehalten. Okay, also wirklich Polizei. Und die dann: »Gehen Sie rein! Hände hoch! Stellen Sie sich in eine Ecke!« Als ich dann gefragt habe, was das Ganze soll, haben die mir erzählt, dass es um den Song »Fick die BpjM« geht. Ich hätte im Traum nicht damit gerechnet, dass die wegen so was bei mir vorbeikommen. Dann hat mein Handy geklingelt und meine Mama war dran, bei der parallel ebenfalls Polizisten gewesen sind, und die meinte: »Was hast du denn nur gemacht, mein Junge?« (lacht) Und ich nur: »Sorry, erkläre ich dir später.« Bei mir waren die aber relativ zivil.
Blokkmonsta: In meinem Fall hat sich der damalige Staatsanwalt Thomas Schulz-Spiron persönlich angegriffen gefühlt, weil sein Sohn ein riesengroßer Hirntot-Fan war – das hat der Staatsanwalt mal in einem Interview erzählt. Sein Sohn hatte als Hintergrundfoto auf seinem Rechner ein Bild von mir und hat wohl immer »Fick die Polizei« angemacht, wenn sein Vater nach Hause kam, weil er sauer auf ihn war. Der Staatsanwalt wurde dann auch gefragt, wie sein Sohn an die CD gekommen sei, weil die zum Zeitpunkt des Interviews bereits aus dem Verkehr gezogen war. Dabei kam raus, dass der Sohn sich die illegal runtergeladen hat – was sein Vater, der Staatsanwalt, offenbar toleriert hat! Der hat eine private Kampagne daraus gemacht. Der hat uns in der ersten Pause des Verfahrens direkt angequatscht und gesagt: »Das war erst der Anfang. Ich werde mir jetzt jedes einzelne Album vornehmen, das Sie rausgebracht haben. Ich bringe Sie hinter Gitter!«

Der hatte es wohl wirklich auf dich ­abgesehen.
Blokkmonsta: Was viele nicht wissen: Dadurch, dass wir als HipHopper zum ersten Mal als Volksverhetzer und wegen Gewaltdarstellung vor Gericht standen, wurde ein Präzedenzfall geschaffen. Alles, was danach kam, wurde aufgebaut auf unserem Fall. Die haben den entsprechenden Gewaltdarstellungsparagraphen 131 des deutschen Gesetzbuchs erweitert – unseretwegen! Und ich sag’s, wie’s ist: Ich hatte damals Angst. Ich meine: Die haben mir einen Sack über den Kopf gezogen und auf mich eingetreten, während ich wehrlos am Boden lag! Diese Erfahrung wünsche ich niemandem. Du bist vollkommen hilflos. Diese Leute haben meinen Glauben an den Rechtsstaat und die Demokratie zerstört.

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