Haiyti – ATM // Review

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(Vertigo)

Haiyti ist ein Energiebündel. Gerade sieben Monate nach Veröffentlichung ihres Debüt­albums »Montenego Zero« rumpelt die grazile Trap-Avantgardistin im Spätsommer 2018 mit einer neuen musikalischen Sturzgeburt zurück ins Scheinwerferlicht. Dabei landet sie wie selbstverständlich den nächsten Geniestreich. Auf »After Tuesday Morning« setzt Haiyti den thematischen Fokus ihrer Kunst unmissverständlicher denn je auf die kritische Reflexion ihres offenkundigen Einzelgänger­daseins in einer bizarren und kontrast­reichen Lebenswelt. Im pausenlos rotierenden Hamsterrad ihrer Gegenwart liegen zwischen »Walk Of Fame« und Gosse, Glamour und Drama, Hustle und Herzschmerz, Realität und Fiktion oftmals nur wenige Augenblicke. Geradezu spielerisch transferiert das selbsternannte »Badgirl« verworrene Gedankenzyklen in ein stilsicheres Gesamtkunstwerk, zelebriert Disharmonien und Kitsch in dadaistischer Ästhetik und wirft selbstbewusst mit immer neuen Anglizismen um sich. Obwohl die Hansestädterin, anders als auf »Montenegro Zero«, diesmal wieder einige Feautre-Parts aus dem näheren Umfeld hinzugezogen hat, distanziert sie sich auffällig intensiv vom Rest der Szene. Musikalisch gelingt ihr Dank der Produktionen von Asadjohn, Bobby San, Sam4 und SBM ein galanter Spagat zwischen dem poppigen Game-Boy-Sound ihrer im Januar erschienenen Platte und dem von hämmernden Drums, energischen 808-Strecken und vorsätzlich abstrusen Synthie-Nuancen durchzogenem Klangbild vorhergehender Tapes. Mit »ATM« lässt Haiyti die eigene Isolation in einer aus jeglicher Reihe fallenden Nische zielbewusst voranschreiten. Sie bleibt ein schwer zu durchschauendes Mysterium, und allein deshalb unmöglich kopierbar. Ob sie den rapiden Rhythmus ihres Outputs in den nächsten Monaten und Jahren aufrecht­erhalten kann, bleibt indes abzuwarten.

Text: Alexander Barbian

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