Gzuz – Wolke 7 // Review

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(Vertigo / Universal)

Wertung: Vier Kronen

Drei Fragen, 13 Antworten, eine Gegenfrage: »Warum ­hältst du nicht einfach die Fresse?« Eure Erwartungen in Sachen Weiter­entwicklung, eure moralischen Ansprüche, an denen lässt sich Gzuz weiterhin nicht messen. Über »Wolke 7« soll nicht gesprochen werden, es soll sich verkaufen – und das treibt den Hamburger auf seinem zweiten Soloalbum zu einem nihilistischen Höhepunkt. Gab es auf bisherigen Releases immer Platz für charmanten Wortwitz, der die umliegenden, düsteren Szenarien auflockerte, klingt nun sogar der ikonische, im Opener gesampelte »NDR aktuell«-Ausschnitt nach Straßenschlacht. Punchlines bestehen nicht mehr aus klassischen Pointen, sondern aus bitteren Erkenntnissen der Sorte: »Menschen suchen nach mehr/Doch mir ist das Leben dafür zu kurz.« Gefühle liegen in der Vergangenheit, die Zukunft existiert nur als diffuse Bedrohung, bleibt also noch die materialistische Gegenwart, die Gzuz und LX in »Drück drück« paradigmatisch zusammenfassen: Waffen, Drogen, Frauen, Autos, egal – Haupt­sache, es eignet sich irgendwie zur (Selbst-)Zerstörung. Die sonst im Genre gerne dargebotene doppelzüngige Kapitalismuskritik bleibt uns dabei erspart, das System wird einfach permanent als marodes, seelefressendes Monster gezeichnet. Gerade neben Bonez, der auf dem milde-karibischen »Was erlebt« durchaus zufrieden mit seinem #BesteLeben wirkt, verströmt der eigentliche Protagonist unüberhörbare Desillusionierung. Dass »Wolke 7« dabei keine klassisch-depressive Erzählung eines Typen ist, der es von ganz unten nach ganz oben geschafft hat, zählt zu den großen Stärken der Platte. Ins Schlingern gerät sie lediglich, wenn das Konzept gelockert wird. Liebe zu den Jungs und der Tochter in allen Ehren, doch in der destruktiven Atmosphäre wirken diese Bekundungen nicht nur deplatziert, sie zwingen das Publikum auch zum Stellen der Frage nach den moralischen Maßstäben. Das musikalische Äquivalent dazu bilden leichtfüßige Ansätze wie die leiernde Ufo-Hook in »Über Nacht« oder der KitschKrieg-Beat auf dem Closer »Nur mit den Echten«. Klar, Experimente sonst immer gerne, doch Gzuz funktioniert eben am besten, wenn er mit finsterer Miene, grollender Stimme, freiem Körper und Müslischale durch WSHH-Exclusives stapft. Meme hin, Meme her.

Text: Sebastian Behrlich

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