Gunna – Wunna // Review

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(YSL Records/ 300 Entertainment)

Wertung: Drei Kronen

Es hätte das Album der Stunde werden können – und sollen. Die Reputation des gebürtigen Sergio Kitchens spricht Bände. Seit 2018 hat er eine neue Hitformel gepachtet, die ihn zum Impulsgeber der letzten Jahre avancierte. Kleine Melodien, die sich durch minimale Variationen und endlose Wiederholungen hypnotisch ins Gehirn brennen. Dazu eine neue Ära atmosphärischer Beats, vorzeitig gekrönt von der Wiedereinführung der Gitarre. Klar, dass Gunnas Spotlight und Zugpferd-Position nun in ein Projekt gegossen gehört – »Wunna« – ein Magnum Opus mit Ansage. Schon die Leadsingles machten klar: Der Sound schwingt leichter und sommerlicher als die psychedelisch-hypnotischen »Drip Harder« und »Drip or Drown 2«, die zwei Meisterwerke in seinem Katalog. Titelsong »Wunna« ist großes Kino. Die abgespeckte Vocalperformance bringt uns das verloren geglaubte Paradies in die Quarantäne, was in Strophe zwei passiert und wie der Verse und Refrain schließlich eins werden – ein Traum. Tja, und das Album? Direkt bei Track zwei fragt man sich, was die Scheiße soll. Das skelettierte »Gimmick« reißt völlig unnötig aus, bevor man überhaupt richtig drin ist. Irgendwo im Hintergrund lassen sich Streicher erahnen. Was will Gunna plötzlich mit Streichern!? Düstere Vorahnung setzt ein und bestätigt sich im Laufe der Tracklist: »Wunna« ist ein durchwachsener Haufen von Songs, der zwischen uninspirierten bis katastrophalen, aber auch brilliaten Momenten hin- und herschwingt. Da ist »Top Floor« mit Travis Scott zum Beispiel, dessen leiernde Vocals orientierungslos durch den Beat wabern und nur die Gewissheit bringen, dass Scott offenbar keinen Plan hat, wie Gunna-Songs funktionieren. Auch King Thugger drückt beim Einstieg seines Parts auf dem eigentlich großartigen »Dollaz On My Head« so hart auf die Bremse, dass man sich fragt, ob er beim Einschlafen-Podcast anheuern will. »Rockstar Bikers & Chains« ist dann final der Cringe-Gipfel einer Generation von Rappern, die inhaltsleer mit Lederjacke und Luftgitarre posen. Zeitweise erinnert Gunnas Gefasel von heißen Öfen und schweren Ketten hier an feuchte Augen von Kindergartenkindern, wenn Onkel Armin mal wieder auf seinem Mopped vorbeidüst. Aber siehe da, das Roddy Rich-Feature im hinteren Drittel zieht den Karren aus dem Dreck! Kill me, ich wollte diesen profillosen Young-Thug-Abklatsch niemals mögen, aber sein Verse ist Grammy-Material. Dazwischen glitzern auch weitere Gems: »MOTW«, »Met Gala« – ein wunderschöner »Sold Out Dates«-Remix – und »Skybox« führen bittersüß vor Augen, wo die Stärken des Erfinder des Drip und seinen Boys an den FL-Keys liegen. Nämlich in einem Sog bestechender Melodien, denen man weder entfliehen kann, noch will, gepaart mit Instrumentals, die Gunnas bisher eher düsteren Codein-Vibe gegen vier Wochen Goodlife in Sonnenfluten auf Finca-Terrassen tauschen. Facen wir die Facts: Wir wollten ein knackiges Album mit homogenem Vibe, denn dafür lieben wir Gunna. Was haben wir bekommen? 18 Songs, von denen gut und gerne ein Drittel in den Müll kann, und eine Handvoll Geistesblitze, denen im restlichen Durchschnitt keine Luft zum Atmen kriegt.

Text: Till Böttcher

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