Grim104 – Das Grauen, Das Grauen // Review

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(Buback Tonträger)

Ungefähr sechs Jahre ist es her, dass Grim104 mit seiner Solo-EP dafür sorgte, dass Deutschraphörer die Trostlosigkeit des deutschen Hinterlandes in Friesland und Brandenburg mehr als eindrücklich vorgeführt bekamen. Schon damals spielten morbide Elemente in der textlichen Ausgestaltung eine wichtige Rolle und finden nun ihre Fortführung in der neuen EP »Das Grauen, Das Grauen«. Die ist rund um den selbsternannten »Graf Grim« konzipiert, der sich vor der geiernden Menge in sein Schloss zurückzieht, in dem er ein einsames Dasein führt. Wäre bei dieser Storyline bereits genug Stoff vorhanden, um sie Horrorcore-Manier auf der EP auszuschlachten, so liegt die große Stärke des Releases dennoch in der Darstellung der nie enden wollenden Widerstände und bitteren Einzelschicksale des Alltags. Aus ihnen bastelt Grim104 ein fesselndes Bild von alltäglichem Horror, das besonders deswegen erschreckt, weil es exakt auf Situationen zielt, denen sich kaum jemand entziehen kann. Die Spannweite reicht von Angst vor dem persönlichen Gespräch beim Arzt nach der Blutuntersuchung über die gescheiterten Lebensentwürfe in der Großstadt bis zur einsetzenden Handlungsunfähig durch Alzheimer im hohen Alter. Eine Spannweite, die bereits im Kindesalter beginnt und die sich bis zum Tod zieht. Die Texte bieten kein Entkommen aus den Situationen, sie wechseln nur die Facetten. Grims persönliche Hölle verläuft dabei durch seinen aktuellen Wohnsitz Berlin, wo er jeden Tag aufs Neue mit den Problemen der Gesellschaft konfrontiert wird. Diese Probleme zeichnet er in einer bildhaft-lyrischen Sprache nach, die ein Eintauchen in den persönlichen Erfahrungshorizont ermöglichen oder, wie in »Unter der Stadt«, ein von der Realität inspiriertes Horrorszenario ergeben. Damit bewahrt Grim sich die alten Stärken, fokussiert sich statt der ländlichen Gegend auf die Hauptstadt und passt den Soundtrack mithilfe von Kenji451, Silkersoft und Blvth dementsprechend an. Mehr Bässe und Anleihen aus Techno und House unterlegen Grims Texte zeitgemäß und fügen sich zu einer bemerkenswerten EP zusammen, die bedrückender kaum sein könnte.

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