Genetikk: »Unsere Hörer bleiben in diesem Film gefangen.«

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Welche anderen Künstler, nicht nur Rapper, gibt es, die aus eurer Sicht ebenfalls diese ganzheitlichen Ansprüche erfüllen?
Karuzo: Bruce Lee muss in seiner Art zu arbeiten ein krasser Fanatiker gewesen sein. Er hat einen eigenen Kampfstil erfunden und sich völlig dem hingegeben, was er liebt. Ich glaube, dass alle Künstler, die so arbeiten und sich selbst für ihre Kunst opfern, diese Ansprüche erfüllen.
Sikk: Claudio Silvestrin, Tadao Ando [zwei moderne Architekten; Anm. d. Verf.] und Kodo Sawaki [ein japanischer Zen-Meister; Anm. d. Verf.] würde ich auch noch nennen. Das entscheidende Wort ist für mich ­»Hingabe«.
Rokey: Alle Künstler, die Menschen berühren, werden dem gerecht. Man muss ja nicht den gleichen Weg gehen wie andere, sondern kompromisslos seinen eigenen. Wenn du wirklich true bist, gibt es kein richtig oder falsch, kein gut oder schlecht.
Sikk: Ich finde, dass Kunst nichts ist, was man bewerten sollte.
Karuzo: Wenn man es schafft, Leute zu inspirieren, dann hat man etwas richtig gemacht.

Sowohl in eurem Artwork, als auch in euren neuen Videos taucht immer wieder das Material Gold auf. Sei es in Form von Grillz, Ketten oder einer Münze mit der Genetikk-Maske drauf. Warum Gold? Und welche Rolle spielt es für »Achter Tag«?
Rokey: Es geht um das Göttliche als Inspiration, die dich trifft. Bei uns steht es für viel mehr als für schnöden, sinnlosen Reichtum.
Karuzo: Heute ist Gold nichts wirklich Seltenes mehr, in alten Kulturen war es das allerdings. Allein, weil es so glänzte, wurde es als etwas Übernatürliches angesehen.
Sikk: Wir finden Gold cool, wissen aber auch, dass es am Ende irgendwie auch nichts wert ist. Es bringt dir nichts, es mit ins Grab zu nehmen.
Rokey: Der Albumtitel »Achter Tag« spielt auf die Schöpfungsgeschichte an. Der achte Tag kommt, nachdem Gott die Erde geschaffen hat – die Unendlichkeit. Das Gold in unserer Optik ist also mehr als bloßer Schmuck.

Wann kam während der Arbeit am Album der konzeptuelle Überbau ins Spiel?
Karuzo: Das alles hängt hinten dran und entwickelt sich im Laufe des Prozesses. Diese Ideen häufen sich über einen langen Zeitraum an, wie Wolken, die sich zusammenziehen. Aus denen zucken in den zwei Jahren, die wir mit der Arbeit an einem Album verbringen, ab und zu Blitze heraus, und das sind dann entweder Songs, das Cover oder andere Ideen. Wir sind ohnehin immer Genetikk, selbst wenn wir nur zusammen rumhängen. Wir können gar nicht anders.

Sowohl durch eure durchdachte Selbstinszenierung, als auch durch euren bedachten Umgang mit der Presse und den Sozialen Medien unterscheidet ihr euch stark von den meisten anderen Rappern. Wie wichtig ist euch trotzdem eure Außendarstellung in der Öffentlichkeit?
Sikk: Wir haben deutschem Rap ein neues Gesicht gegeben, indem wir kein Gesicht haben. Deswegen geht es bei uns nur um die Kunst, das ist größer und wichtiger als dieses ganze Marketing-Ding und unsere Social-Media-Erreichbarkeit.
Karuzo: Das Werk steht an erster Stelle, und es zu präsentieren, ist uns extrem wichtig. Natürlich ist das nicht zu verwechseln mit ständiger Social-Media-Erreichbarkeit. Das mag anderen wichtig sein, uns ist es viel wichtiger, eben nicht immer verfügbar zu sein.
Sikk: Wir machen Musik, wir haben ein Artwork, wir zeigen uns in Videos und live – that’s it.

Interessiert ihr euch also nie für das Privatleben eines Künstlers?
Karuzo: Niemals.
Sikk: Ich würde auch ein solches Interview mit uns niemals lesen.

Wie entscheidet ihr denn, wem ihr Interviews gebt, und welche Anfragen ihr ablehnt?
Karuzo: Eigentlich sind Interviews für uns komplett unwichtig. Natürlich gibt es Sachen, die wir gerne mal sagen wollen, dafür nutzen wir aber die Musik, die Videos und unser Artwork. Vor allem aber wollen wir nicht immer das Gleiche erzählen, weil die Medien uns ständig das Gleiche fragen. Ich verstehe das Bedürfnis danach, aber wir wollen dem nicht nachgeben.
Sikk: Wir wollen auch einfach nicht auf jeder Bildfläche herumhüpfen, die man uns bietet. Eigentlich möchte ich mich gar nicht erklären.
Stört es euch also, dass ich euch gerade Hintergrundinfos entlocke und versuche, euch dazu zu bringen, euch selbst zu erklären?
Sikk: Es stört uns nicht wirklich, aber eigentlich wäre es uns am liebsten, wenn wir uns nicht erklären müssten. Eigentlich möchten wir, dass man sich »Achter Tag« anhört und daraus seine eigenen Schlüsse zieht.
Karuzo: Wenn man sich dazu breitschlagen lässt, ein Interview zu machen, dann sollte man, so finde ich, dafür auch etwas geben. Ansonsten hätte das hier ja auch für dich keinen Sinn. Dennoch bewundern wir zum Beispiel Rammstein dafür, dass sie genau dieses Spiel so gut beherrschen.

Habt ihr mal darüber nachgedacht, auch eure Interviews zur Kunstform zu machen, euch maskiert vor mich zu setzen und in dieser Situation eine erdachte Figur zu spielen?
Sikk: Ab jetzt machen wir’s so. (grinst) ◘

Text: Sascha Ehlert
Foto: Hell / Art Direction: Rokey

Dieses Interview erschien als Titelstory in JUICE #166 (hier versandkostenfrei nachbestellen)
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