Fatoni: »Ich bin im HipHop drin, auch wenn ich immer mit einem Bein raus bin.« // Interview

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Bei Fatoni läuft alles ein bisschen anders, aber es läuft: Gefeiert von Feuilleton bis Blog ging es mit »Yo, Picasso« in die Charts, mit Fettes Brot in die großen Hallen der ­Republik und mit Juse Ju nach Asien. Bevor sich bei all dem unweigerlich ­entstehenden ­Leistungsdruck Verkrampfungen einstellen, bringt sich der Münchner mit ein paar ­gewohnt hochwertigen Lockerungsübungen in den richtigen Modus.

War die Motivation hinter dem »Im Modus«-Mixtape, dir ein bisschen Freiheit zu erspielen?
Der Erfolg der Platte und die ganzen Superlative in der Kritik haben schon ein bisschen Druck gemacht, aber ich dachte mir: »Egal, ich mach jetzt einfach mal.« Ich finde, Mixtape trifft das Ergebnis ziemlich gut, weil sich auf »Im Modus« viele Sachen befinden, die kein rundes Ding ergeben. Es fühlt sich nicht wie das nächste große Album an. Demnächst kommt übrigens auch noch ein Kollabo-Album mit Mine, zu dem ich aber noch gar nicht so viel sagen kann und will.

Wie lief denn dieses Mal die Zusammenarbeit mit den Produzenten ab, gerade im Fall der sehr konzeptuellen Songs mit Grossstadtgeflüster und Äh, Dings?
Bei »Suicide Tuesday« verlief die Zusammenarbeit mit Grossstadtgeflüster relativ eng. Mit Äh, Dings war es lustig, der hat mir den Beat von »Zum Entspannen« geschickt, auch schon mit dem Namen. Dann hab ich den Song dazu in einer Stunde geschrieben, aufgenommen, ihm zurückgeschickt und gesagt, dass ich daraus tatsächlich einen Entspannungssong gemacht hab. Er schrieb dann nur zurück: »Ah, das find ich super, dann mach ich noch ein paar Entspannungsgeräusche rein.« Und schickt ihn mir zurück mit Hundebellen, Sirenen und Klingeln, und ich dachte: »Oh Gott, der Witz wird immer schlimmer.«

Die Reaktionen auf »Gravitationswellen« und »Modus« waren ziemlich gespalten. Viele haben den Trap-Ansatz als Ironie verstanden. Wie war das denn von dir gemeint?
Ich weiß, dass das bei vielen Menschen anders ist, aber ich denk darüber nicht viel nach. Das ist bei vielen gerade Thema und auch so ein Generationswechselding, aber ich schreibe einfach Texte und rappe auf Beats. Deren Geschwindigkeit ist für mich nicht so maßgeblich. Natürlich ist Trap auch ein eigenes Genre; es gibt Leute, die nur das machen, wozu ich sicher nicht gehöre. Aber mir macht es unheimlich Spaß, auf diese Beats zu rappen, weil ich da eine größere Freiheit spüre.

Nervt dich diese dauerhafte Ironie-­Unterstellung?
Ich versuche, solche Sachen nicht an mich ranzulassen. Viele meiner Songs haben so eine Ebene, aber es gibt auch Gegen­beispiele, etwa »Schlafentzug«.

Hast du manchmal auch das Bedürfnis, direkte politische Statements zu bringen?
Manche können das, ich finde das oft aber unspannend, pathetisch und peinlich, obwohl wir eigentlich in einer Zeit leben, die danach verlangt. Es fällt mir aber generell schwer, Dinge ernst zu nehmen – auch mich selbst. Es ist doch schon schwierig, überhaupt ein Rapper zu sein. Sich ernsthaft auf die Bühne zu stellen und zu sagen: »Ich bin ein deutscher Rapper«. Das finde ich schon peinlich, und wenn man dann auch noch Parolen bringt, wird es ganz schwierig. Letzten Endes erreichst du damit ja doch immer vor allem die eigene Basis, und denen sagst du dann, dass ihre Meinung richtig ist.

Gerade mit der WM-Line »Die Welt zu Gast bei Feinden« aus ­»Gravitationswellen« gehst du ja auch aus deiner Komfortzone raus. Diese Sicht wird nicht jeder teilen.
Für mich ist das ne ganz klare Nummer: Ich finde Patriotismus albern. Wenn du eine Fahne schwenkst oder dir eine Flagge ins Gesicht malst, dann ist das ein Symbol, das nichts mit Fußball zu tun hat. Da finde ich die Äußerungen von K.I.Z krass mutig: Zu denen kommen 10.000 Leute in Berlin, und dann werden locker 8.000 gedisst.

Auf dem aktuellen Mixtape disst du auch ordentlich, mehr als auf »Yo, Picasso«. Wie schafft man es auf deinen Radar?
Am schlimmsten finde ich, wenn irgendwas herzlos und konzipiert wirkt. Ich sprech ja auch in »Narkolepsie« darüber, dass sich große Rapper in Interviews damit rühmen, dass sie ein Rezept für Hits haben. Nein, das ist kein Rezept, du hast dich einfach gefragt, wer der ekelhafteste Kitschsänger ist, den jede Omi liebt, und was nochmal die Vokabeln sind, mit denen man einen Scheißsong schreibt. Es gibt gerade so ne Deutschpopblase, in der alles gleich klingt. Schlimm ist auch, wenn einer ein arroganter Hurensohn und gleichzeitig ein wacker Volllelek ist.

Im Song »Echt« bringst du ein cleveres Statement zur Verwendung des Wortes »behindert«. Hast du das als notwendiges Kehren vor der eigenen Haustür ­empfunden?
Auf jeden Fall. Ich bin auch so einer, der recht reflektiert ist und das Wort trotzdem benutzt. In »Vorurteile« sagen wir andauernd »Spast«, und durch diesen Song bin ich der Diskussion schon sehr lange ausgesetzt. Das Problem ist: Rational weiß ich, dass es keine Argumentation gibt, die das Wort rechtfertigt. Ich benutze es trotzdem, weil ich mich entschieden habe, dass es irgendwie cool ist. Es ist eine Zwickmühle.

Es ist auch schwierig, auf Political ­Correctness zu setzen …
… und coole Rapmusik zu machen, die auch eine coole Sprache verwendet! Ich und mein Umfeld würden aber zum Beispiel nie das Wort »schwul« als Synonym für »scheiße« benutzen.

Lässt sich an dieser teilweisen Einschränkung ein Prozess ablesen, der Stimmen wie dich braucht, um gewissen Begriffen gegenüber zu sensibilisieren?
Es gibt definitiv eine größere Sensibilisierung demgegenüber als vor zwanzig Jahren. Rapper wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie es sagen, und die, die es vor zwanzig Jahren gesagt haben, sind heute Popstars und sagen es nicht mehr, weil sie es sich nicht leisten können. Ich bin aber doch immer wieder überrascht, was auch im wahnsinnig erfolgreichen Mainstream-Rap für hängengebliebene Sachen gesagt werden, wo es dann doch offensichtlich keine Sensibilisierung gibt.

Wie war es eigentlich, für das Goethe-Institut nach Asien zu fliegen?
Ich persönlich hab die letzten zehn Jahre immer wieder Kollegen gesehen, die das gemacht haben, und wollte das auch immer. Es hatte sehr viele coole Seiten, auch wenn die Konzerte schon eher durchwachsen waren. Es ist eben anders als ein Konzert in Berlin im SO36, aber es ist auch was Geiles, Lustiges und Spannendes.

Geben dir solche Geschichten auch das Gefühl, angekommen zu sein?
Das ist die nächste ekelhafte Phrase, aber: auf jeden Fall. Ich hab jetzt einen gewissen Status und hab auch eine Weile gebraucht, um das zu realisieren. Ich bin aber sehr froh, dass ich noch Rapper-Rapper genug bin. Ich bin auf jeden Fall im HipHop drin, auch wenn ich immer mit einem Bein raus bin. Ich denk auch nicht: »Oh nein, irgendwelche Basecap-tragenden Trap-Fans sollen nicht meine Musik hören«, das ist mir einfach egal. Ich will nur, dass Leute gerne meine Musik hören. ◘

Text: Sebastian Berlich
Foto: V.Raeter 

Dieses Interview erschien in JUICE #179 (hier versandkostenfrei bestellen).

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