(Keine Liebe / Groove Attack)
Wenn es nicht gerade um Bietigheim-Bissingen geht, lässt sich Deutschrap eine Obsession mit dem Großstadt-Struggle nicht absprechen. Wie erfrischend also, wenn jemand aus einer schwäbischen Kleinstadt Teil von Prinz Pis Keine-Liebe-Camp wird und aus einer Welt erzählen kann, in der kein guter HipHop-Club lange überlebt und man von den Cops schon für 0,1 Gramm Gras gefickt wird. Leider ist aber auch Errdeka seit seiner Jugend ein collagiertes Remix-Produkt geworden und »Wunderland« der einzige Moment auf seinem neuen Album, der dieses Merkmal aufgreift. Stilistische Scheuklappen konnte man ihm nie vorwerfen: Von den Anfängen mit der Augsburger Crew Eyeslow entwickelte er sich über ein introspektives Debütalbum »Paradies« zum selbstbewussten »Rapunderog« und produziert nebenbei Techno-Tracks als Raphael Schön. »Solo« will nun einen Stil entwickeln, der die Essenz dieser Wanderung ist, ohne zu stagnieren. Der Opener schlägt in die Kerbe des späten Prinz Pi, stellt große philosophische Fragen wie »Brauch ich wirklich Glück und Liebe, wenn ich richtig gut verdiene?« Man fühlt sich sehr übergriffig affiziert, wenn am Ende der zweiten Strophe der dramatische Sub-Bass einsetzt und die Stimme ihr Bestes gibt, um voller Pathos zu zetern: »Lasst uns alles ausprobieren, wir sind frei und haben noch Zeit/Und dann gehen wir voller Grinsen in die Dunkelheit hinein!« So platte Generation-Y-Lyrik würde vermutlich selbst auf einem Poetry Slam in Aichach-Friedberg einen der hinteren Plätze belegen. »Ave Maria« ist dann in seiner Kombination von Samples, dickem EDM-Bass und aggressivem Rap ein bemerkenswertes Experiment. Dass Errdeka alle Beats selbst skizziert hat, bevor sie vom Team weiter ausgearbeitet wurden, sollte Hoffnung machen, dass trotz des breiten Spektrums ein schlüssiger Sound entstehen kann. Das klappt leider selten und zeugt von einem Künstler, der sehr biegsam rappen kann, beim Versuch der Weiterentwicklung aber nur auf unausgegorene Stilexperimente kommt.