Elmo: »Der Islam gehört nicht zu Deutschrap, nur weil viele Rapper einen muslimischen Hintergrund haben.« // Interview

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Elmo
 
HipHop hat ein neues Imageproblem. Nachdem die populären Medien die Subkultur in der Vergangenheit für die Verrohung der Jugend und steigende Kriminalität verantwortlich gemacht haben, ist nun gewalttätiger Islamismus an der Reihe. Zeitungen wie die Bild, die Frankfurter Allgemeine und Die Zeit ließen es sich nicht nehmen, den Werdegang eines Deso Dogg vom Gangsta-Rapper zum islamistischen Kämpfer zu beschreiben und dabei eine direkte Verbindung zwischen Rap und religiösem Fanatismus herzustellen. In Bezug auf einen der Attentäter von Paris reichte schon der Hinweis aus, dass dieser sich zehn Jahre vor seiner furchtbaren Tat mal im Rappen versucht hatte. Daraus spricht eher das Bedürfnis nach einfachen Erklärungen als wirkliches Verständnis einer Subkultur, die zur Zeit einflussreicher als jede andere ist – und somit Millionen von Menschen prägt und beeinflusst. Natürlich sind diese Einflüsse teilweise problematisch. Eine so grobe Vereinfachung hilft aber niemandem weiter. Grund genug, mal genauer hinzuschauen und sich mit der Verbindung zwischen Islam und Rap auseinanderzusetzen. Wir tun das mit einem Gespräch mit Elmo, der anlässlich der Anschläge von Paris sein Acapella »Je Suis Elmo« veröffentlichte, in dem er Meinungsfreiheit und Gewaltverzicht thematisiert.
 
Könnte man in Abwandlung des berühmten Zitates von Christian Wulff sagen: »Der Islam gehört zu Deutschrap?«
In Deutschland gibt es viele Rapper mit muslimischem Hintergrund, allerdings kenne ich keinen, der überwiegend den Islam predigt oder darüber rappt. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall: Migrantische Rapper mit muslimischem Hintergrund fahren oft die krasse Gangsterschiene und sagen Sachen, die überhaupt nicht typisch für den Islam sind. Man kann also nicht sagen, dass der Islam zu Deutschrap gehört, nur weil viele Rapper einen muslimischen Hintergrund haben.
 

Viele Rapper bekennen sich aber recht offensiv zum Islam, auch aus der Gangsta-Rap-Sparte. Was hat dieses Bekenntnis mit Image zu tun?
Eventuell machen die das, weil sie wissen, dass die Hörerschaft den gleichen Hintergrund hat, um dadurch Hörer an sich zu binden. Ich finde auf jeden Fall, dass jedem Moslem frei stehen sollte, seinen Glauben öffentlich zu bekennen – wann und wie er will. Das sollte nichts Schlimmes sein, denn ursprünglich hat der Islam ja nichts mit dem IS zu tun. Nur weil die Medien das zur Zeit so aufbauschen, sollte das Bekenntnis zum Islam noch nichts Verdächtiges sein.
 
Gangsta-Rapper sagen auf Nachfrage oft, dass ihre musikalischen Inhalte und ein frommer Islam eigentlich unvereinbar sind. Was sendet das für eine Nachricht an Jugendliche, die in diesen Rappern vielleicht ihre Vorbilder sehen?
Wenn man sagt, dass Musik Kunst ist und ein Rapper etwas Anderes in seiner Kunst präsentiert als das, was er in seinen vier Wänden glaubt oder lebt, dann kann das im Bestfall zeigen: Man kann Moslem sein und sich trotzdem als Künstler frei austoben. Eigentlich sollte das ein Bild davon vermitteln, dass der Islam auch frei sein und Kunst machen kann. Das kann aber natürlich auch ein falsches Bild vermitteln. Wenn muslimische Rapper über Gangsterkram reden, kann das auch so rüberkommen, als seien solche Inhalte Teil der Religion. An sich hat das aber mit dem Islam nichts zu tun.
 
Wie bewertest du es, wenn Leute ihre Religion als einen Grundpfeiler ihres Images benutzen?
Wenn es wirklich so eingesetzt werden würde – das kann man ja schwer beweisen –, dann finde ich das nicht cool. Eigentlich sollte doch die Musik ausreichen und Religion nur bedingt was damit zu tun haben.
 
In mehreren Zeitungsartikeln wurde behauptet, dass Gangsta-Rap und militanter Islamismus in einer Verbindung stehen, weil es Überschneidungen in den Wertvorstellungen gibt: Ehre und starke Männlichkeit seien demnach etwa für beide wichtig. Wie stehst du dazu?
Das muss ein Zufall sein. Wenn man die Religion jetzt mal komplett ausblendet, dann würde es ja immer noch zu Rap und vor allem Gangsta-Rap passen, von Ehre und Männlichkeit zu sprechen. Das sind typische Werte aus Gangsterfilmen, so Männerwerte. Die würde es auch ohne Religion geben. Diese Einstellung »Ich bin das Alphatier«, das ist irgendwie auch Natur – wenn man das mal rein biologisch betrachtet, sind wir nichts weiter als Tiere, die ihre Macht demonstrieren wollen. Was das mit Religion zu tun hat? Das ist Zufall. Da gibt es vielleicht einen Punkt, an dem sich das überschneidet, und das nehmen dann die Medien und führen es als Beweis dafür an, dass Gangsta-Rap und Islamismus miteinander zu tun haben.
 
Massiv rappt in »Hausverbot in Tel Aviv«, dass er sich lyrisch einen Bombengürtel umschnallt und damit in Tel Aviv »Hallo« sagt. Solche Zeilen werden in der Community ziemlich unkritisch aufgenommen. Warum?
Den Song kenne ich gar nicht, aber das ist wirklich uncool. Das ist ein perfektes Beispiel für jemanden, der diesen Slang benutzt und ganz genau weiß, dass das gut ankommt. Der denkt sich: »Ich benutze Religion – und sogar noch radikalisierte Religion – damit Jugendliche, die nicht verstehen, wie schlimm der Hintergrund von solchen Zeilen eigentlich ist, das cool finden«. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Palästinenser die Lage und die Geschichte seines Landes noch objektiv und rational bewerten kann. Wenn man persönlich betroffen ist und womöglich noch Familie in den Krisengebieten hat, ist es nicht verwunderlich, wenn man emotional wird in seinen Aussagen. Wir sind nur Menschen. Trotzdem sollte man den Aspekt bedenken, dass man Jugendliche mit solchen Aussagen stark, und vor allem negativ, beeinflussen kann.
 
Wenn Rapper in Deutschland zur Solidarität mit Palästina aufrufen oder ihre Fans zum muslimischen Zuckerfest grüßen, dann ist das in der Regel ein guter PR-Schachzug. Aber wenn Rapper sich an jüdische Hörer wenden oder – wie Fler – gegen das Vergessen des Holocaust twittern, folgt oft ein krasser Shitstorm. Woran liegt das?
Ich finde es gut, dass Fler so etwas öffentlich schreibt. Auch wenn es natürlich Teil eines provokanten PR-Moves sein kann, weil er weiß, dass er bei vielen Migranten damit aneckt. Trotzdem ist es wichtig, dass so etwas wie der Holocaust verurteilt wird – gerade von Menschen, die eine gewisse Hörerschaft erreichen. Ich will keinem vorwerfen, dass er nur aus PR-Zwecken seine Solidarität mit Palästina ausspricht – ich kann das absolut nachvollziehen, dass man Solidarität mit diesem Land empfindet. Wenn man sich ein bisschen auskennt, weiß man, dass die Menschen dort unterdrückt werden, und deshalb finde ich es absolut legitim, sich solidarisch zu zeigen. Wenn das aus PR-Gründen gemacht wird, ist es immer noch besser, als wenn überhaupt nichts gesagt wird. Auf der anderen Seite muss es aber auch in Ordnung sein, gegen das Vergessen des Holocaust Stellung zu beziehen. Alles andere ist ja Quatsch.
 
Nun ist das aber in der Realität nicht so ausgeglichen. Wieso ist das Ansprechen jüdischer Hörer uncool, während die ­Solidarität mit Palästina als cool gilt?
Das wird in der deutschen Rap-Szene vor allem daran liegen, dass es mehr Hörer mit muslimischem Hintergrund gibt als mit jüdischem. Es ist ein Teil der Psychologie einer Masse: Menschen in großen Gruppen werden unvorsichtig, die denken weniger nach. »Wir sind eine riesige Gruppe, wir sind alle gleich, wir sind stark« – da traut man sich viel mehr. Ein Individuum benimmt sich auf jeden Fall menschlicher und intelligenter als eine Masse. Es wird einheitlich gedacht. Einseitig. Es entsteht eine Community.
 
Glaubst du, diese Vereinheitlichung von Meinungen – wie in unserem Beispiel – hat etwas mit Religion zu tun?
Nicht wirklich. Vielleicht wird sie als Instrument dafür benutzt – und wie so oft wird Religion eben auch ausgenutzt.
 
Aber warum ist es überhaupt cool, sich zu einer Religion zu bekennen? Stell dir mal vor, da würde sich ein Rapper als Katholik hinstellen und darüber reden, wie fleißig er in die Kirche geht. Das wäre uncool, oder? Warum ist der Islam offensichtlich für einige Menschen cool?
Ich kann mich nicht damit identifizieren, deshalb ist das schwer zu beantworten. Ich sage es jetzt mal ganz platt: Kanake sein ist cool und die meisten Kanaken sind Moslems. Wenn es keine Kanaken gäbe, die Gangsta-Rap machen und hören und gleichzeitig mit dem Islam zusammenhängen, wäre vielleicht alles anders gekommen. Wenn christliche Rapper das Genre dominieren würden, wäre es vielleicht cool, Christ zu sein.
 
Nach den Anschlägen von Paris gab es eine Reihe von Statements muslimischer Rapper in Deutschland im Internet. Da wurde vor allem kritisiert, dass der Islam als gesamte Religion in den Kontext von Terror und Gewalt gesetzt wurde. Was hältst du von dieser Reaktion?
Das ist zu einfach. Natürlich kann man verstehen, dass die sagen: »Was soll das, meine Eltern sind auch Moslems und haben gar nichts damit zu tun.« Aber man muss auch die Öffentlichkeit verstehen und kann nicht einfach sagen: »Diese Anschläge – das ist nicht der Islam.« Vielleicht ist er es wirklich nicht, aber es wird trotzdem in seinem Namen gemacht. Für friedliche Moslems ist das total schade, aber zurzeit ist es eben so, und da müssen die durch. Das ist sehr schwierig: Einerseits will man sich nicht rechtfertigen und sollte andererseits auch keine Ignoranz zeigen.
 

 
Du hast zu den Anschlägen von Paris dein Acapella »Je Suis Elmo« herausgebracht. Darin setzt du dich für die Meinungsfreiheit ein, für gegenseitigen Respekt und Gewaltverzicht. Wieso hast du diesen Text geschrieben, was hat ihn in deinen Augen nötig gemacht?
So hart das jetzt klingt, aber es ging mir nicht direkt um die Opfer von Paris. Es sterben jeden Tag so viele Leute, die schreckliche Geschichte in Nigeria zur gleichen Zeit hat zum Beispiel keine Solidarität erfahren. Das ist hierzulande überhaupt nicht präsent. Mir ging es eher darum, dass Satire und Kunst alles darf. Es geht nicht in meinen Kopf hinein, dass ein Mensch aus Rücksicht auf andere und ihre Religion nicht sagen darf, was er will. Wenn ich darüber nachdenke, ist die Meinungsfreiheit eines der wichtigsten Güter und einer der wichtigsten Grundwerte. Wir können so froh sein, dass es die gibt und wir die haben – das darf man sich auf keinen Fall von irgendeiner Religion verbieten lassen. ◘
 
Text: Vincent Lindig
 
Dieses Interview ist erschienen in JUICE #166 (hier versandkostenfrei bestellen)
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