DJ Tomekk vs. The Beats: »HipHop war wirklich mein Leben, es gab keinen Alternativplan« // Feature

-

DJ Tomekk feat. feat. GZA, Curse, Prodigal Sunn & Stieber Twins
Ich lebe für Hip Hop (Teil 2: Juice Crew Saga) (2001)


Ah, das ist der Remix von DJ Rocky aus Berlin, der letztlich auf meinem Album landete. Dahinter steckt folgende Story: Ich bin ständig auf der Suche nach Samples und hab ein paar Kumpels, die Funk-Library-Platten sammeln. Einer von denen gab mir damals die Platte »Sonho Negro« von Sinto, eine kubanische Funk-LP aus den Siebzigern. Daraus sampelte ich eine klassische Salsa-Phrase und bastelte einen Beat auf der SP1200. Als das Ding in den Charts nach oben kletterte und durch die Decke ging, meldete sich ein Typ aus München, der meinte, er sei der Urheber dieser Platte. Der hat wohl in den Siebzigern mal auf Kuba gelebt und lizenzierte diese Produktion. Als der Typ uns ne‘ einstweilige Unterlassungserklärung schickte, dass wir alle CDs einstampfen müssen, setzten wir uns mit ihm an einen Tisch und einigten uns auf eine Entschädigung in Höhe von 80.000 Mark. Der Track war gerade auf einer Bravo-Hits-CD gelandet – die wieder einzusammeln und einzustampfen ist die Hölle, das kostet Millionen. Eine Zeitlang durfte die Originalversion nicht verkauft werden, deswegen entstand überhaupt der Remix. Aber »Ich lebe für Hip Hop« war überhaupt eine Überraschung für mich: Die vorige Single »1,2,3« war sehr erfolgreich und ich wusste echt nicht, was da jetzt noch kommen soll. Der einzige Ausweg schien mir ein Manifest für HipHop. Aber dass sich der Erfolg wiederholt, damit rechnete niemand. Mit klassischen HipHop-Beats und richtigen MCs stieg man damals selten in die Charts ein.

Du hast damals mit sehr eingängigen Refrains gearbeitet und US-Rappern deutsche Catchphrases geschrieben. Das hat sicher seinen Anteil am Erfolg gehabt, oder?
Der Künstler ist nur ein Kanal. Wenn solche Sachen wie die Hooks dieser Singles geschrieben werden, kommen mir immer irgendwelche Ideen. Ich weiß nicht, wie das bei anderen ist, aber Momente, in denen mir Sprüche wie »Ich lebe für Hip Hop« einfallen, sind wie Eingebungen. Ich bin ein Kanal für etwas Größeres, das durch mich spricht. Künstler sind in unserer Gesellschaft total exponiert und werden als Genies gehandelt. Den Fokus so auf die Leute und das Fleisch zu legen, finde ich gefährlich. Dann landet man halt auch bei Michael Jackson. Das ist mittlerweile so pervertiert, dass ich mich schon gar nicht mehr so recht traue, auszusprechen, was ich eigentlich mache.

Wie wörtlich hast du den Slogan »Ich lebe für Hip Hop« damals gemeint?
HipHop war wirklich mein Leben, es gab keinen Alternativplan. Ich habe im Grunde alles auf eine Karte gesetzt. Ich traf unterbewusst eine Entscheidung, und alles andere in meinem Leben ordnete sich dem unter. Die Clubs und die Agentur, die ich in Berlin gründete, waren dann nur Facetten dieses Lebenswegs. Die Entscheidung, auf HipHop zu setzen, war damals noch nicht selbstverständlich. Auch als DJ war man damals noch nicht so angesehen. Viele Leute fragten sich, was man da eigentlich macht: Man kommt als Erster, geht als Letzter und kriegt 200 Mark für die ganze Nacht – da muss man doch blöde sein! Mir war das aber egal, ich war bereit, jede Scheiße zu machen. Mit dem Hype, den DJs heute haben, will ich eigentlich nichts zu tun haben. Da bin ich gerade lieber zu Hause und spiele jeden Tag Bass. Ich will eigentlich nur meine Mucke machen und mich mit Leuten verbinden.

Was spielst du gerade auf dem Bass?
Naja, jeden Morgen irgendwelche beschissenen Tonleitern halt. Ah, und »Pink Panther« spiele ich gerade. (summt begeistert die Bassline) Als erstes Instrument habe ich Klavier gelernt und eigentlich nur Klassik gespielt. Ich war neulich bei Frauenarzt im Studio und ich so: Ah okay, D-Moll, dann geht’s jetzt zum G. Die so: Was, du kannst Noten lesen? HipHop war ja die erste Kultur, in der man nicht lernen musste, Noten zu lesen. Mich interessieren aber die musikalischen Zusammenhänge. Die Ideologie des Teenager-Lebens, die mich früher antrieb, ist ja vergänglich. Aber das Schöne an der Kunst – an Songs und Bildern – ist doch zeitlos. Bei mir auf der Schule gab es damals den einzigen Kunst-Leistungskurs überhaupt in meiner Gegend, den habe ich mit ins Leben gerufen. Ich erinnere mich, dass ich Picasso damals krass gehatet habe. Aber neulich stand ich dann mal vor nem Bild von dem und habe erst gemerkt, was das mit mir macht. Da geht eine unfassbare Energie von aus.

Apropos Bilder: Welches Budget hatten damals deine Videos? Mir fliegen da sehr aufwändige Aufnahmen durch den Kopf.
Die Budgets waren schon krass, aber die Produktion war damals auch noch super teuer. Wir haben mit einer 35 mm-Kamera gedreht und hatten am Ende zwanzig Filmrollen. Allein das Abtasten des Materials und das Überspielen ins Digitale hat bestimmt 10.000 Mark gekostet. Heute filmst du ja ganz anders, mit kleinen Kameras, die gar nichts mehr kosten. Wenn du früher Aufnahmen von oben machen wolltest, musstest du nen Hubschrauber mieten. Heute nimmst du ne Drohne, die drei-fuffzig bei Saturn kostet. Der Kostenvoranschlag für »Rhymes Galore« lag in etwa bei 80.000 Mark, wenn ich mich recht erinnere. Dadurch, dass Afrob nicht kam, kostete das noch mal 40.000 mehr. Von dieser Summe war aber ein Drittel nur für die Abtastung der Filmrollen eingeplant. Auch die Postproduktion war damals noch super aufwändig. Bei »Kimnotyze« haben wir die Hubschrauber übrigens ins Video malen lassen. Kommt aber gut. (grinst)

Drake
Emotionless (2018)

Ah, der Drake-Song mit dem Mariah-Carey-Sample. Wer hat das produziert?

40 & No I.D.
Interessant. Ist scheiße produziert, das klingt doch nicht gut. Aber ich glaube, das ist Absicht. Die Drums klingen für mich nicht so, wie man Drums eigentlich mischt. Das ist eine 10-Minuten-Produktion, würde ich sagen. Gut für die. Ich mag ja auch Mariah Carey sehr gern, ich war im Dezember erst bei ihrer Show in Berlin. Und ja, mit Drake und Tyga habe ich jetzt ne neue Single: »Text You Back« heißt das Ding. Ich spiele den im Club schon seit längerem, und der funktioniert echt gut. Ich hab denen den Beat geschickt, und die fanden den so geil, dass sie gleich nen ganzen Song gemacht haben, obwohl nur ne Hook geplant war. Ich hab bestimmt 400 Songs rumliegen. Davon bringe ich jetzt nach und nach mal was raus.

Dieses Feature erschien in JUICE 192. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Onlineshop bestellen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein