DJ Tomekk vs. The Beats: »HipHop war wirklich mein Leben, es gab keinen Alternativplan« // Feature

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DJ Tomekk ist gut drauf. Es ist ein Uhr Mittag, und er schaltet zum ersten Mal an diesem Donnerstag sein Telefon an. Am Morgen will er vom ganzen Heckmeck nichts mitbekommen. Er meditiert lieber, spielt Bass oder macht Beats. Jetzt sitzt er in seinem Stammlokal, bestellt ein Schnitzel und erzählt vom gestrigen Abend. Er habe nach langer Zeit mal wieder seinen SP1200-Sampler herausgekramt, um das Update seines Hits »Ich lebe für HipHop« zu produzieren. Mit seinem »Manifest für die Kultur«, wie er es nennt, platzierte Tomekk zu Beginn der Zweitausender Deutschrap in den Charts. Stolz darauf war er immer. Die Anerkennung dafür blieb oft aus. Vielleicht ist 2019 das Jahr, in dem Tomekk sich als Hit-Kurator verewigt. Es steht schließlich ein Track mit Tyga und Drake an. Der richtige Zeitpunkt also, um eine illustre Karriere Revue passieren zu lassen.

Kurtis Blow
If I Ruled The World (1985)

Ich mache ja nicht oft den DJ für vernünftige MCs, aber ab und an trete ich mit Kurtis Blow auf, und »If I Ruled The World« ist der erste Song in unserem Live-Set. Ich habe Kurtis Anfang der Neunziger kennengelernt, als ich bei KissFM die Radioshow »Boogie Down Berlin« moderierte. Er kam vor seinem Konzert vorbei, ich habe ihn interviewt und parallel dazu gecuttet. Als ich dann erwähnte, dass ich gerne öfter auflegen würde, meinte er: »Ja, super, komm doch heute Abend zu meiner Show und spiel dort!« Mein Set an dem Abend fand er super, und weil sein DJ gerade nicht so recht am Start war, wollte er mich spontan mit in die Staaten nehmen. Am nächsten Tag ging ich nicht mehr zur Schule und war mit Kurtis Blow auf US-Tour. Ich war 18 Jahre alt und teilte mir plötzlich einen Backstage mit LL Cool J. Auf der Bühne waren Run DMC, Kurtis Blow und LL. Seitdem sind wir in Kontakt und spielen immer mal wieder zusammen eine Show. Welche Stellung Kurtis bei anderen MCs hat, finde ich immer wieder interessant. Der ist ja nicht nur mein Mentor, sondern auch der von Rappern wie Nas und 50 Cent. Nas hat »If I Ruled The World« auch gecovert und erzählt immer wieder, dass er bei Kurtis gelernt habe zu rappen. Ich habe auch mal erlebt, wie sich 50 in Gegenwart von Kurtis Blow benimmt: wie ein kleines Kind. Die Wahrnehmung der breiten Masse in den USA ist dann aber doch manchmal eine andere: Wir haben mal eine Show in Virginia gespielt, und plötzlich kam ein ­Mädel zu mir, die ein Autogramm wollte. Ich dachte: Cool, die kennt mich! Aber als ihre Freundin sie aufklärte, dass ich gar nicht Kurtis Blow sei, war die voll sauer. (lacht)

Souls Of Mischief
93 ’Til Infinity (1993)

Bester Song ever. Das ist für mich HipHop. Ich habe heute noch Tränen in den Augen, wenn ich »93 ’Til Infinity« höre. Mit diesem Song fing eine ganz neue Ära an: neuer Sound, neue Inhalte und vor allem eine neue Attitüde. Ich fand die Lebenseinstellung super, die hier transportiert wird: Wir sind nicht gefährlich, sondern fresh und freundlich – wir sind einfach cool! The Pharcyde waren auf ihrem Debütalbum schon ähnlich unterwegs, aber »93 ’Til Infinity« transportierte das für mich noch mal ganz anders. In den Neunzigern habe ich den Song bei jeder einzelnen Party in Berlin gespielt. Da waren sämtliche bekannten Gesichter der Stadt, und zu »93 ’Til Infinity« rasteten wirklich alle komplett aus: Savas, Fuat und der ganze Haufen. Ich erinnere mich auch, wie wir mal bei Boba Fettt zu Hause abhingen und alle die Rhymes aus »93 ’Til Infinity« zitierten. Man hat sich ja auch damals schon eng an US-Rappern orientiert. In meiner Show bei KissFM lief übrigens noch ein anderer Tune von Souls Of Mischief rauf und runter: »Cab Fare«, der aber wegen des Samples von Bob James nie offiziell rauskam. Ich war damals in Europa der Einzige, der den auf Platte hatte. Nicht mal Tim Westwood bekam eine.

Mary J. Blige
Real Love (1992)


Geile Scheiße! (beißt ins Schnitzel) Auch den Song habe ich immer im Club gespielt. Ich war ja als DJ so erfolgreich, weil ich nicht nur HipHop, sondern auch R’n’B auflegte. New York inspirierte mich damals total, da waren Rap und R’n’B die Sounds der Stunde. Aus jedem Auto kam irgendein Song, bei dem Puffy seine Finger im Spiel hatte. Aber in Berlin wurde ich für diesen Crossover hart kritisiert – obwohl der Club immer voll war. Wir haben damals das Strike betrieben, den ersten richtig gut laufenden Black-Music-Club in Berlin, wo teilweise über tausend Leute kamen – aus allen Gesellschaftsschichten, nicht nur HipHopper. Den HipHoppern ging das gegen den Strich – keine Ahnung wieso, vielleicht aus Neid. Ich war halt der Einzige, bei dem die Clubs voll waren. Es gab etliche DJs, die sich voll cool fanden, aber wenn die auflegten, kam keiner. Und klar, HipHop bot Teenagern sehr viel Identifikation – vielleicht nahmen das einige sehr ernst und waren deshalb etwas engstirnig. Mir scheint auch, dass man in Deutschland vor allem Musik mit dem Kopf hört: Je klarer hier eine Ideologie verfolgt wird, desto besser funktioniert das. Die Musikwelt, die ich mir als Jugendlicher erschloss, bestand aus HipHop, R’n’B und Reggae. Das ist für mich bis heute totale Körpermusik. Ich habe Musik immer mit dem Körper gehört – vor allem mit dem Herzen.

Tony Touch
The Piece Maker feat. Gang Starr (2000)

Was für ein GEILER Beat! Mit Tony habe ich mal nen Song gemacht, seitdem sind wir immer mal wieder in Kontakt. Vor vier Wochen war ich zuletzt in New York, und der Typ veranstaltet noch immer jeden Dienstag seine Toca Tuesday Party. Da kommen heute noch alle wichtigen HipHopper zusammen und connecten. Tony ist einer der coolsten Typen überhaupt. Der war ja nicht nur DJ, sondern hat auch produziert und hatte ein paar richtig geile Verses! Ich habe mir übrigens auch vorgenommen, wieder mehr zu rappen. Früher habe ich das ja viel öfter gemacht, meinen ersten Plattenvertrag unterschrieb ich 1991 schließlich als MC. Da rappte ich noch auf Englisch.

Was hat dich zuletzt nach New York verschlagen?
Wenn ich mal raus muss und woanders arbeiten will, fliege ich gerne rüber. Ich habe da auch ein paar Leute, mit denen ich Musik mache, und bei denen ich auch immer mal unterkommen kann. Bei Kurtis Blows Mutter habe ich auch mal längere Zeit auf dem Sofa gepennt. New York ist für mich heute: Inspiration tanken, Leute treffen, Musik machen und Daten. Aber New York ist teuer. Schon beim Essen geht mir das richtig auf’n Zeiger. Ne olle Zweizimmerwohnung kostet auch 2.000 Dollar, und die ist dann nicht mal in Manhattan.

Seite 2: »’Ich lebe für Hip Hop‘ war überhaupt eine Überraschung für mich. Mit klassischen HipHop-Beats und richtigen MCs stieg man damals selten in die Charts ein.«

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