»Als Róisín ­Murphy ins Studio kam, waren wir innerhalb von drei Minuten komplett voll.« // Die Crookers im Interview

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Zwei Jungs aus der Lombardei verpassen dem Song eines noch ­unbekannten Rappers aus Cleveland ein tanzbares Outfit und sorgen mit dem Ergebnis dafür, dass der Song fortan die Balzrituale der Jugend von Greifswald bis nach Arkansas begleitet. Und das nicht nur für ein paar Monate, sondern für zwei aufeinanderfolgende Sommer. Mehr Hit geht nicht: Kid Cudis “Day N Nite” war im Crookers-Remix auf mehr Compilations als alle Schlumpftitel zusammen und bekam mehr Rewinds als das Pamela-Tape zu VHS-Zeiten. Heute die Blogs, morgen die Platinstudios. Einschlafen in Shanghai, aufwachen in Rio. Andrea Fratangelo und Francesco Barbaglia leben das Leben der DJ-Superstars und versammeln auf ihrem Album “Tons Of Friends” einen Auszug der Feierbekanntschaften aus ihren iPhone-Kontaktlisten: Dancehall-Riddims, Ibiza-Handtaschenhouse und, ja, auch HipHop geben sich hier die Klinke in die Hand.

Wie ist das erste Feedback auf das Album?
DJ Bot: Es fühlt sich gut an. Bei den Gigs scheint es auch so, als würde es den Kids gefallen. Es ist anders als sonst, da wir zum ersten Mal mit ­eigenem Material touren. Das bringt noch mal frischen Wind in die ganze Angelegenheit. (entdeckt beim Durchblättern Birdy Nam Nam in der JUICE) Diese Jungs sind verrückt! Wir haben schon oft mit ihnen gespielt. ­Wegen ihnen habe ich wieder mit dem ­Scratchen angefangen.
DJ Phra: Als wir in Europa auf Tour waren, habe ich die ganze Zeit versucht, beim Malen dabei zu sein. Sie waren nicht in unserem Bus untergebracht und haben in jeder Stadt verschiedene Spots aufgesucht und gemalt. Ich war früher selbst Writer und wollte gerne dabei sein, kam aber immer zu spät. Irgendwann nahm ich es persönlich, da sie immer schon fertig waren, wenn wir gerade erst ­eingetroffen sind. (lacht)

Manche waren vom Album etwas überrascht, da es nicht ­unbedingt in die Richtung eurer populären ­Remixe geht.
DJ Bot: Wir haben eben versucht, Songs zu schreiben und kein reines Club-Album zu machen. Natürlich geht alles in die Club-Richtung, aber wir wollten diesmal all unsere Einflüsse in den Songs verarbeiten. Wir haben einen HipHop-Background und sind DJs, deswegen basiert vieles auf Loops und guten Drumsounds. Wir haben ja schon vor den Remixen produziert, das wissen nur wenige. Auf unserem ersten Mixtape von 2006 hat Andrea noch mit ein paar anderen Freunden auf Italienisch gerappt. Wir hatten 24 Songs, davon waren 20 straighte HipHop-Tracks und der Rest war House Music.

Wie seid ihr denn zum HipHop ­gekommen?
DJ Bot: Ich hatte mit elf Jahren schon Plattenspieler zu Hause und ungefähr zwei Jahre später fing ich mit Turntablism an. Mit drei Freunden haben wir eine Band gegründet, und ich habe angefangen zu produzieren und zu samplen. Damals hab ich nur HipHop gehört, besonders Madlib in der Phase, als er sich von Lootpack absonderte und für Rapper wie LMNO produzierte. Zu der Zeit gab es noch viele gute Mixtapes. Es lohnt sich leider nicht, über italienischen HipHop zu reden. In Italien hat HipHop und Subkultur einen sehr kleinen Stellenwert. Italienische Popmusik ist das, was die Leute hören wollen. Natürlich gibt es Italo Disco und gute House-Produzenten, aber in dieser ­Hinsicht haben wir immer nach Chicago, ­Detroit und New York geschaut.

Ihr hattet ohnehin zuerst im ­Ausland Erfolg, richtig?
DJ Bot: Ja, wie bei fast allen ­Europäern. Niemand ist Prophet im eigenen Land. Irgendwie finden es viele Kids cool, Künstler aus anderen Ländern anzuhimmeln. Der Reiz des ­Exotischen. (lacht)
DJ Phra: Es ist so dämlich. Erst als die Booker gesehen haben, dass wir große Shows im Ausland spielen, haben sie aufgehört, uns zu ignorieren. Du legst in Clubs wie der »Fabric« in London auf, und zu Hause in Italien klingelt das Telefon einfach nicht.
DJ Bot: Wir haben sogar versucht, selbst kleine Partys zu organisieren. Oft waren nur zehn Menschen dort. (lacht). Das waren dann unsere Freunde, die uns dabei zugeschaut haben, wie wir Bugz in The Attic, House und HipHop mischen. Das hat in Italien niemanden interessiert. Erst jetzt fängt es langsam an.

Ihr lebt einen Party-Lifestyle und habt zwei Songs mit Róisín ­Murphy auf dem Album. Sie soll ja sehr trinkfest sein.
DJ Bot: Das kann ich bestätigen! Allerdings waren wir selbst sehr ­betrunken. Unglaublich betrunken, um ehrlich zu sein. Wir waren ­wahnsinnig nervös und schüchtern, da wir große Fans von ihr sind. Als sie ins Studio kam, waren wir innerhalb von drei Minuten komplett voll. Wir haben die beiden Songs in London in zwei ­Tagen aufgenommen, das hat sehr viel Spaß gemacht.

In verschiedenen Studios ­aufnehmen und dafür in der Welt herumfliegen – das erinnert schon an die Rock’n’Roll-Zeit in den Achtzigern und Neunzigern.
DJ Bot: Ja, es ist der gleiche Lifestyle – aber mit einem Laptop. (lacht) Das ist schon großartig, muss ich zugeben. Wir mussten in den großen Studios nur den Laptop anschließen und konnten diese Killerboxen nutzen. Ein Traum. Wir haben alles am Laptop vorproduziert. Aber in den Studios sind ja auch lauter Experten vor Ort. Bei Leuten wie Wil.I.Am kann man schon einiges lernen.

Er soll ja auch durchaus gerne mal was kopieren…
DJ Bot: Und wie. Der klaut ohne Ende, aber irgendwie ist das okay, da sich auch viele bei ihm bedienen. Im Grunde will doch jeder dasselbe, nämlich gute Musik machen. Wir haben uns ja auch beeinflussen lassen, das macht letztlich jeder. Wir haben im Vorfeld auch einiges über ihn gehört und anfangs wirklich versucht, Teile der Soundspuren geheim zu halten. (lacht) Wenn man ganz ehrlich ist, dann ist Will.I.Am einer der größten Produzenten der aktuellen Popmusik. Der hat’s schon drauf. Wenn er an unserem Sound interessiert ist, dann bedeutet es auch etwas. Der Song mit ihm ist auch alles andere als poppig geworden. Letztlich haben wir genau so viel von ihm gelernt wie er von uns. Wenn man das so sagen darf.

Welche Tricks hat er euch ­beigebracht?
DJ Phra: Wie man 500 Dinge auf einmal machen kann. Er ist ein richtiger Multitasking-Typ. Während wir den Track für unser Album im Rich House Studio aufgenommen haben, hat er an drei weiteren Songs in den Nachbarräumen gearbeitet. Dann hat er noch sechs Interviews gegeben, eine Party organisiert und sich mit Modedesignern getroffen.

Wie kann man sich die ­Atmosphäre in den großen Studios vorstellen?
DJ Phra: Das ist eine andere Welt, es ist entspannt. Die Engineers, die dort arbeiten, sind in der Regel cool. Manchmal kamen wir uns ­allerdings etwas blöd vor, wenn dort diese riesigen Maschinen und teuren ­Instrumente herumstehen und wir mit unserem Laptop ankommen und den Leuten eigentlich nichts zu tun ­geben. Da wäre ja Platz für ein ganzes ­Orchester. Aber am Ende hört man es ­trotzdem am Sound. (lacht)

Auf dem Album ist ja noch mal »Embrace The Martian« mit Kid Cudi drauf.
DJ Phra: Das war ein Tausch für den »Day N Nite«-Remix. Den haben wir ja umsonst gemacht, und als Gegenzug hat er einen Song mit uns aufgenommen.
DJ Bot: Rückblickend war das schon sehr komisch. Wir haben ihm ja über MySpace geschrieben und ihn um Zusendung der einzelnen Parts gebeten, da uns der Song so gut gefallen hat. In der Zeit gab es nicht viele MCs, die uns getaugt haben. Er hat uns an A-Trak weitergeleitet, und der hat uns anschließend die einzelnen Spuren geschickt. Als wir ihm den Remix dann ins Postfach gelegt haben, hat er sich bedankt und fand ihn super. Er sagte aber auch, dass er den Song nicht regulär releasen könne, sondern ihn nur an ein paar Blogs schicken wolle. Dann wurde es auf einmal der größte Song des Jahres.

Könnt ihr euch an den ersten Blog erinnern, der den Remix gepostet hat?
DJ Phra: Das war »The Fader«. Am Ende war der Song in England auf Platz 2 der Single-Charts. Dabei mochten wir den Tune eigentlich nicht besonders. Die Produktion war für uns schon ein bisschen played out. In den Clubs hat er auch eher langsam angefangen zu funktionieren, da die Crowd von den Vocals ­irritiert wurde. Trotzdem sind plötzlich alle durchgedreht. Ich persönlich kann den Track schon seit Ewigkeiten nicht mehr hören und würde ihn am liebsten gar nicht mehr spielen. Cudi wird es ähnlich gehen.

Der Song hat ja auch den Weg in die Horizontale gefunden.
DJ Bot: (lacht) Ja, auf YouJizz gibt es sechs oder sieben Videos, die den Remix featuren. Das sind diese College-Filme, wo die rummachen, und im Hintergrund ist eine Party. In einem Film legt ein Typ auf und direkt nach unserem Song läuft Eiffel 65 – ich habe mich totgelacht. Erst wir, und dann ein weiteres Beispiel ­großartiger Dance-Musik aus Italien. Den Link habe ich an all meine Freunde ­geschickt.
DJ Phra: Dass unsere Tracks in ­Pornos als Hintergrundmusik dienen, ist wirklich großartig. Wer kann das schon von sich sagen?

Ärgert ihr euch, dass ihr trotz des Erfolgs kein Geld für den Remix bekommen habt?
DJ Bot: Natürlich liege ich manchmal im Bett und denke darüber danach, dass ich ein viel dickeres Bankkonto haben könnte. Aber damit darf man nicht zu viel Zeit verbringen, da es einen verrückt macht. Gleichzeitig weiß man auch nicht, ob der Remix überhaupt so erfolgreich geworden wäre, wenn man ihn auf anderem Wege veröffentlicht hätte. Wir haben dadurch ja auch einen Haufen ­weiterer Remix-Angebote bekommen und sind ständig unterwegs. Es geht uns gut, wir reisen um die Welt und bringen jetzt ein Album raus, mit dem wir sehr zufrieden sind. Mit einem richtig ­dicken Konto wäre das natürlich auch alles super, aber man weiß es halt nie. (lacht)

Wie war die Zusammenarbeit mit Switch und Diplo?
DJ Bot: Wir kennen uns ja schon länger, deswegen lief das sehr gut. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel unterschiedliche Musik Diplo auf seinen Rechnern und in seinem ­Plattenschrank hat. Der Typ ist irre. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, zeigte er mir »Mexican Emo Tribal«. Er hatte ein Video in Mexiko aufgenommen, von so einem Mädel, das in Trance zu Tribal Music mit ganz komischen Emo-Synthie-­Flächen ­gesungen hat. Richtig krank. Er meinte, dass sei der nächste heiße Scheiß. Ich würde es jetzt halt noch nicht ­verstehen, da ich nicht so ein ­grandioses Musikverständnis habe. (lacht)

Welcher Song funktioniert immer, egal auf welchem Kontinent?
DJ Bot: »Knobbers«. Komischerweise funktioniert alles, was wir vor ungefähr zwei Jahren aufgenommen haben. Die Leute fragen uns immer noch nach den gleichen Remixen und den gleichen Sets, aber nach zwei Jahren auf Tour nervt uns der Sound. Deswegen haben wir jetzt auch viele Remix-Anfragen abgelehnt. Der einzige Kontinent, wo man nie weiß, wie die Leute reagieren, ist Asien. Manchmal ticken sie komplett aus, als seien sie vom Teufel besessen. Wenn du Pech hast, stehen sie hingegen nur rum oder hüpfen wie Teletubbies auf und ab, ohne eine Miene zu verziehen. Unsere beste Party in Japan war in einem richtig kleinen Club für 160 Leute, wo wir mit Basement Jaxx gespielt haben. Wir ­konnten dort Reggae, Dub und OldSchool-Roots in unsere Sets mixen – und die Kids sind komplett ausgetickt! Das hat Spaß gemacht.

Habt ihr schon Pläne für neue Produktionen?
DJ Bot: Wir haben noch zwei Remixe in der Pipeline, an denen wir schon länger arbeiten. Das muss ­allerdings noch geheim bleiben. Dann ist unser Plan, ganze Alben für andere Künstler zu produzieren, am ­besten ein gut aussehendes Mädchen, das noch keiner kennt. Eine richtig ­unschuldige, unbedarfte junge Dame, die das Musikbusiness mit anderen Augen sieht, als wir es tun. Dieses ­Mädchen bauen wir dann langsam zum ­größten Star aller Zeiten auf.
DJ Phra: Yup, so stelle ich mir das auch ungefähr vor.

Welche Aufnahme-Session ist euch neben Róisín noch in ­Erinnerung geblieben?
DJ Bot: »Tee-Pee Theme« mit Drop The Lime. Er war nur im Studio, um umsonst Whiskey und Gin abzugreifen. Dann fing er an zu singen und hat diesen absurden Track über Sex im Zelt aufgenommen – eine sehr strange Situation. Aber an sich war jede Session lustig. In den Downtown Studios in New York waren wir zehn Tage und haben in der Anfangszeit nur iTunes- und YouTube-Battles mit den Mitarbeitern veranstaltet, bis sechs Uhr morgens. Einmal kam auch Mos Def vorbei, da er im Nachbarraum aufnahm. Wir haben uns gar nicht getraut, ihn zu fragen, ob er mit uns arbeiten möchte. Plötzlich meinte er, dass er gerne einen Verse auf den »Day N Nite«-Beat droppen würde – aber das ging natürlich nicht. Das müsste ein ganz neuer Track sein und nicht so ein alter, totge­spielter Beat, das wäre einfach nicht richtig. Ich habe ihn auch vollkommen falsch eingeschätzt. Ich dachte, er sei ein todernster Mann. Dabei ist er der reinste Showman und reißt einen Witz nach dem anderen.

Welche Produzenten feiert ihr ­aktuell musikalisch?
DJ Bot: Burial, Flying Lotus, ­Samiyam, Gaslamp Killer, alles aus der Brainfeeder-Ecke. Low Limit aus Kalifornien, der macht Musik, die in die Dubstep-Richtung geht. Weiterhin alles, was Madlib rausbringt. Oder Four Tet – sein Remix von ­Madvillains »Accordion« ist unglaublich. Und seit kurzem höre ich wieder viele alte Sachen von EPMD. Weißt du, wir waren schon immer auf dem Dilla- und Madlib-Film. In unserem BBC-Mix ­haben wir auch »Runnin’« von The Pharcyde gespielt. Ich habe erst kürzlich mit einem Freund in Italien darüber gesprochen, dass Electro auch eine Persönlichkeit wie Dilla oder Madlib bräuchte, die das alles noch mal aufmischt. Madlib müsste auf die Idee kommen, Four-to-the-floor-Songs zu produzieren und ein Beat-Tape mit zweiminütigen Skizzen machen. Ich bin mir sicher, dass das noch mal alles verändern würde. Wir haben unseren Sound gefunden und konnten ihn zeitweise nicht mehr ­hören, weil uns jeder kopiert hat.

Was haltet ihr von David Guetta?
DJ Phra: Gar nichts. Ich versuche nicht über ihn nachzudenken, das ist verschwendete Energie. Eigentlich ist es mir auch egal, aber er nervt halt wirklich. (lacht) Ich kann seine Musik nicht hören. Er nimmt die populärsten Elemente aus jeder Musikrichtung, fügt sie irgendwie zusammen – und es funktioniert. Ich glaube, dass ich in keinem Land war, in dem seine Musik nicht im Fernsehen lief.


Text: Ndilyo Nimindé

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