The Documentary 2
(Cash Machine)
Eminem hat es vor zwei Jahren probiert. Jetzt verfolgt The Game dieselbe Strategie: In der Gegenwart strahlt das Rampenlicht auf andere, da dreht er die Zeiger in eine Zeit zurück, als es für ein Album ganz und gar ihm gehörte und setzt die Zahl Zwei hinter sein Klassiker-Debütalbum, der Nostalgiefaktor soll den Hörer verführen. Die gute alte Zeit kann schließlich auch heute sein. Doch den eigenen Klassiker fortsetzen zu wollen, lädt nicht nur im Optimalfall verloren gegangene Hörer wieder ein, sondern auch ordentlich Erwartungshaltung auf die Schultern des Werks. So kann »The Documentary 2« gar nicht für sich stehen, muss sich zwangsweise vergleichen lassen. Um diesen Vergleich zu bestehen, hätte The Game Dinge aus dem Hut zaubern müssen, von denen nicht zu sagen ist, was diese hätten sein können. Vor zehn Jahren waren es: Dre-Beats, die so gut waren, dass sie die Worte »Watch out for Detox!« auf dem Song »Higher« direkt wie eine Verheißung wirken ließen; ein Just Blaze, der für das Album Produktionen parat hatte, mit denen er Fort Knox eigenhändig hätte abfackeln können; und schließlich diesen schmerzlich vermissten Westcoast-Vibe. Heute hat die Westcoast ihren neuen Messias, Dre sein Comeback für sich selbst aufgehoben und Just Blaze sich in sein Fort zurückgezogen. The Game versucht das mit Old School-ismen zu kompensieren. Er samplet Badu und Gang Starr und lässt sich einen Song gar bescratchen. Doch anstatt konsequent die Vintage-Karte zu spielen, packt er alles drauf, was in den vergangenen Jahren Rang und Namen im Rap-Spiel hatte. Und Fergie. Das wäre alles gar nicht schlimm, hätte das Album einen anderen Titel. Durch das dichte Klangbild der ersten Hälfte wächst die Bereitschaft, sich diesem Trip Down Memory Lane einfach hinzugeben. Nur leider kann das Album auf Dauer die Spannung nicht halten. So bleibt am Ende die Einsicht, dass man den Faden zum Erstlingswerk nicht einfach so wieder aufnehmen kann.
Text: Philipp Kunze
The Documentary 2.5
(Cash Machine)
Die Westcoast ist nicht mehr das, was sie mal war. Dr. Dre hat mit »Compton« den Chefsessel geräumt. Dabei könnte man denken, die kalifornische Delegation hätte ihm einen möglichst einfachen Rücktritt bereiten wollen. Schon früh im Kalenderjahr 2015 ebnete Kendrick den Weg für die vielleicht besten zwölf HipHop-Monate der Westcoast seit den Neunzigern. »To Pimp A Butterfly« geriet eine Jahreszeit später schon fast wieder in Vergessenheit, als Ice Cube und der Doc sich mit »Straight Outta Compton« ein Denkmal setzten. Einer von Dres vielen musikalischen Ziehsöhnen hat es – anders als Snoop, Em, 50 und Kendrick – nicht in den Abspann des Filmes geschafft: The Game. Nachdem die Karriere mit dem Kindheitshelden auf der anderen Seite der Booth losging, trennten sich die Wege von Game und Dre für lange Zeit. Ein ganzes Jahrzehnt nach dem mehrfach mit Platin ausgezeichneten »The Documentary« hört sich Game so an, als hätte er vergessen, dass er mit einer Handvoll Soloalben viel Geld verdient hat: hungrig, präzise und zeitgemäß. Unter einer hohen Quantität leidet die Qualität, so der uralte Illmatic’sche Albumansatz. Game ist anderer Meinung und wirft mit 36 Anspielstationen ein Doppelalbum von schier monumentalem Umfang auf den Markt. Wie bei guten Spielfilmen läuft die Platte erst zur zweiten Hälfte so richtig heiß. Denn hier profitiert Game nicht nur von seinem Standing in der Szene, das ihm von Lil Wayne über DJ Quik bis Schoolboy Q jedes Wunschfeature zu ermöglichen scheint. Mehr noch, Game schafft es, alle Charaktere in eine stimmige Westküsten-Story zu integrieren, die zusammengehalten wird von GTA-reifen Skits und unterschiedlichsten Produktionen, die alle nach Compton-Anekdoten schreien. Game kann seinen Klassiker zwar nicht toppen, aber liefert sein bestes Album seit Jahren ab. Nach K-Dots Masterpiece, einem Hollywood-Blockbuster und diesem Doppelalbum bleibt festzuhalten: All Compton everything.
Text: Aria Nejati