Lil Wayne – The Carter V // Battle Of The Ear

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(Universal)

PRO

Wertung: Fünf KronenDer Carter ist euer Vater. Autotune? Hat er 2008 in die Top-Ten getragen. Face-Tats und Dreadlocks? Trägt er seit 15 Jahren. Lean und Trap-Beats? Die Legacy des Tunechi besteht aus fast nichts anderem – und wer jetzt immer noch nicht verstanden hat, um wen es sich bei Lil Wayne handelt, dem seien die persönlichen Worte des Weezy in die Chatleiste gelegt: »Wiki me, bish.« Sein »Tha Carter V« beendet endlich das planlose Umherirren des »greatest rapper alive« zwischen Label-Gerangel und »I Am Not A Human Being«- Bruchlandungen – mit einer Brillanz, die man Dwayne zuletzt beim Karrierezenit um »Tha Carter III« attestiert hätte. Auf seinem zwölften Album muss sich Weezy nicht mehr Game-Dominanz-Fantasien hingeben, sondern stellt fest, dass er ein Mensch ist – aber einer mit Fans. Bemerkt haben wird er das beispielsweise, als der ekstatische Synthie-Downer »Don’t Cry« (mit XXXtentacion) das Mischpult erklomm, um zu einer der stilsichersten posthumen Kollabos der HipHop-Geschichte aufzusteigen, Kendrick auf »Mona Lisa« ihm nur fast auf Augenhöhe in Storyteller-Qualitäten begegnen konnte oder als Travis $cott auf »Let It Fly« alle Vögel hochfliegen ließ. Eine Sensation? Nicht nur irgendwie! Natürlich spielt man auch mit Nostalgie, wenn auf »Uproar« Kollege Swizz Beatz eine lupenreine Court-Hymne aus der Drummachine lädt, Snoop den alten »Xxplosive«-Loop beswaggert oder Ashanti auf dem Mannie-Fresh-Cruiser »Start This Shit Off Right« den DJ wissen lässt, dass sie noch nicht nach Hause will. Allesamt klitschnasse Club- Banger, die den Spirit der mittleren Nullerjahre heraufbeschwören. Doch »Tha Carter V« ist eine Selbstbesinnung – Wayne klingt geläutert (»I put my pride to the side, off safety«), aber eben auch gestärkt, wenn er abstrusen Sex-Talk wie »You never know when your close ones is a pussy, ‚til your nose run« oder alberne Wortspiele à la »I smoke color purple, I’m up in here feelin‘ like Celie/Nappy-ass dreads, what’s that you say?/ Watch your mouth, Milli Vanilli« in der rund 90-minütigen Playlist aufeinanderstapelt. Ein Album in Spielfilmlänge. Niemals zu lang.

Text: Fionn Birr

CONTRA

Wertung: Drei KronenBling-Rap, Autotune-Gelalle, Gesichtstattoos, bunte Dreads, Rockstar-Image – »if it wasn’t for Wayne, it wouldnt be«. Es ist eine biblisch lange Liste an Attributen im heutigen Mainstream-HipHop, die wir wohl oder übel Dwayne Carter Jr. zu verdanken haben. Er ist ein Ausnahmetalent, ein Querdenker, ein Trendsetter, kurzum jemand, der eine Ära nicht nur musikalisch, sondern auch ästhetisch definiert hat. Und wenn alles aus und vorbei ist, ist Lil Wayne vielleicht sogar auf dem Mount Rushmore des Rap zu finden. »Tha Carter V«, das heiß antizipierte Comeback seiner Flagschiff-Albumserie, jahrelang durch Birdman, Martin Shkreli und andere Superschurken unter Verschluss gehalten, ist vielleicht das Projekt, bei dem Wayne diesen Status am deutlichsten bekleidet. Musikalisch ist es jedoch vielmehr eine Ode an diese glorreiche Vergangenheit, als ein künstlerischer Neustart nach Cash Money. Ein etwas abgestandenes Projekt, das seine Messlatte nicht nur wegen Wayne, sondern durch eine verkorkste Tracklist deutlich unterbietet. Uninspirierte Texte, ausgelutschte Hooks und Fließband-Beats verschmelzen gegen Mitte des Albums zu Sequenzen von Füller-Songs, die nicht auf einem solchen Projekt hätten landen dürfen. Geht man rigoros mit dem Rotstift an die Tracklist, könnte man gut und gerne die Hälfte streichen. Was dann übrig bleibt, ist jedoch ziemlich groß und hätte mit Sicherheit durch die über die Jahre angestauten Singles (»D’usee«, »Believe Me«, »Vizine« …) noch einmal deutlich aufgewertet werden können. Wayne schüttelt seine Flows und Punchlines mit gelegentlichen Anflügen alter Brillanz so lässig und unberechenbar wie eh und je aus dem Ärmel. Richtig triumphal wird »Tha Carter V« aber erst dann, wenn der Beat (»Uproar«), das Feature (»Mona Lisa«) oder beides (»Dark Side Of The Moon«) mitziehen. Und auch wenn es Wayne gewohnt schwer fällt, thematisch auf einer Linie zu bleiben, sind hier nicht nur dank der emotionalen Skits seiner Mutter echte Gänsehautmomente (»Let It All Work Out«) zu finden, die tiefer als gewohnt hinter das lebende Monument blicken lassen.

Text: Maximilian Hensch

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