Alles Gucci !? – History Of Streetwear 2010-2019 // Feature

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Einen Michael Schindler beispielsweise. »All-Black-Everything wie ein Satanist«, rappte Shindy 2012 auf »Panamera Flow« mit Damals-Kumpel Bushido und verkörperte neben der Straßenlegende und dem Hals- und Hand-Tattoo-Träger den stylischen Privatclub-Betreter aus Baden-Württemberg. Während damals schon Ex-Kumpel Kay One weiterhin sonnenbebrillt zwischen roter Moncler Jacke und V-Neck-Shirt unter dem Sakko am Jurytisch von »Deutschland sucht den Superstar« chillte und die Malle-Vibes catchte, war Shindy bedacht auf die korrekte Mischung zwischen Neuköllner Straßenattitüde und Ku’damm-Charme. Der 2016er »Dreams«-Shindy war mit seiner Bomberjacke-Hoodie-Ripped-Jeans-Yeezy-Präsenz Vorbild für alle Abi-Klassen des damaligen Jahrgangs. Natürlich konnte sich von denen kaum einer die ausgesuchten Designer-Pieces leisten. Aber findige Instagram-Accounts und YouTube-Formate boten ein entspanntes Alternativportfolio an, um sich auch durch H&M und Konsorten den richtigen Shindy-Look einzuverleiben. Und eigentlich hat sich bis dato auch nicht viel daran geändert. Zumindest nicht bei Shindy.

Während sich Michael aus Deutschland also treu blieb, brodelte in den letzten Jahren vor allen Dingen in den USA noch mal ein ganz neues Süppchen. Künstler wie Travis Scott, die Migos, Lil Yachty, Trippie Redd, Post Malone, Rae Sremmurd und 21 Savage mischten die Szene auf und verpassten ihr wahlweise eine Rock’n’Roll-Attitüde mit Gitarre (Post Malone), eine Rock’n’Roll-Attitüde mit Designer-Faible (Migos, Rae Sremmurd) oder bunte Haare und Face-Tats (eigentlich alle). Mit Travis Scott ist außerdem eine Art Superheld der hochgehandelten Aktiengesellschaften »Sneaker« und »HipHop« herangewachsen, so dass zwischen Nike-Deal, Netflix-Doku und Songschnipseln aber auch so wirklich alles abgefeiert wird, was der 28-Jährige abliefert. Dass die Bestenlisten der Sneakerheads dieses Jahr nicht an einem der vielen Cactus-Jack-Releases vorbei kommen werden, war bereits bei Sichtung der ersten Mobiltelefonfotos sicher. So etwas kennt auch A$AP Rocky, der 2013 auf »Fashion Killa« einmal mehr in Szene zu setzen wusste, wie wichtig ihm die richtigen Anziehsachen sind. In den letzten Jahren gefühlt mehr auf Fashionshows denn auf Bühnen zu sehen, stilisierte sich der New Yorker als weiteres Aushängeschild einer modisch wissenden Rap-Klientel, die nicht blind die Trends der Stunde kopieren oder sich von gelernten Stylisten einkleiden lassen, sondern die selbst entscheidet, welches It-Piece welcher It-Brand aus den altehrwürdigen Pariser Backsteingebäuden hinaus auf die Straßen nach Harlem und auf die mit Smartphones ausgestattete Gemeinde der gierigen Welt gebracht werden will.

»Ich brauch nicht viel im Leben/ Außer das Supreme- Emblem« Cro

Analog zum damaligen Hype um A$AP Rocky, brachte Cro 2012 mit »Easy« einer breiten, vornehmlich weiblichen Masse die Brands Supreme, Carhartt Beanies im Sommer und weiße Air Force 1s näher; der Österreicher Yung Hurn setzte seinem dadaistischen Künstlerdasein mit einem krakelig gezeichneten Nike Swoosh auf dem Rücken ein tätowiertes Denkmal und Rin half 2017 einer ganzen Generation Moshpit erprobter splash!-Gänger dabei, niemals zu vergessen, wann denn der nächste Supreme-Drop erfolgen würde. Mit ihm ergründete sich hierzulande ein weiteres Jugendidol in Sachen Mode. Doch während sein Heimatortkollege Shindy eher den teuren Luxusmarken frönte, hält es Rin seit jeher im Streetwear-Kosmos unten. Namedropping wurde erneut zu einer gefeierten Stilistik erhoben und Gosha Rubchinskiy war mindestens eine Saison lang ein Held. Dass Rin die Albumbox zu »Nimmerland« als Nike-Schuhkarton designen lässt und gleichzeitig einen durchaus beachtlichen Deal mit dem ikonischen Brand Carhartt eintütet, ist nur ein logischer Schluss mit beeindruckendem Ausrufezeichen.

HipHop war Streetwear, HipHop ist Streetwear. Eine Liaison, in der von den USA bis Großbritannien über Frankreich bis Deutschland jeder unserer Lieblingsrapper mit Modetrends liebäugelt, teils gar begründet und über Klamotten, ungewollt wie gewollt, Attitüde und Inhalt transportiert. Wenn sich also ein Eminem mit fast 50 Jahren noch genauso kleidet wie zu besten »Slim Shady«-Zeiten, Drake zwischen Jordan-Deal und Rollkragenpullover für baumwolligen Gesprächsstoff sorgt, ein Haftbefehl Bushidos Straßenoptik auf Frankfurter Bahnhofsviertelslang übersetzt und an seine Zieh-MC’s vererbt, Casper weiterhin mit HC-Punk-Shirts kuschelt und ein Prinz Pi heute zwar dem Ferrari-Fantum verfallen zu sein scheint, seine legendäre »Sneakerking«-Reihe dabei aber nicht negiert, zeigt das, wie wichtig Mode in der stilistischen Ausdefinierung einer Künstlerpersona ist. Für 2020 und den Beginn einer neuen Dekade ist damit nicht weniger zu erwarten, als dass sich eigentlich nichts ändern wird. Vielleicht der gerade angesagte Turnschuh oder die jüngst hochgelobte Marke. Doch ihre Wichtigkeit wird Mode für HipHop beibehalten. Denn selbst wenn man sagen würde, dass einem Mode ja eigentlich egal sei: Egal ist sie dadurch noch lange nicht.

Text: Amadeus Thüner
Illustration: Henriette Rietz

Dieses Feature erschien zuerst in JUICE 195.

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