A Tribe Called Quest: Kings From Queens // Feature

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Mit dem unerwarteten Release ihres neuen Albums »We Got It From Here … Thank You 4 Your Service« haben A Tribe Called Quest vor kurzem die emotionalste und gleichzeitig politischste Platte ihrer Karriere rausgehauen. Im Zuge ihrer Veröffentlichung Ende ­November luden Q-Tip und Jarobi sowie die beiden ATCQ-Ehrenmitglieder Busta Rhymes und Consequence zu einem Release-Event in New York – einen Tag, nachdem Trump als neuer US-Präsident announcet wurde. JUICE-Autor Phillip Mlynar war für uns vor Ort.

»It’s time to go left and not right.«

Es ist grau. Es ist der Tag nach der US-Präsidentschaftswahl 2016. Donald Trump ist tatsächlich gerade zum mächtigsten Mann des Landes erkoren worden. Und A Tribe Called Quest? Veranstalten eine Listening Party anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Studioalbums, mit dessen Erscheinen wohl noch weniger gerechnet hätten als mit dem Wahlsieg von Trump. Was für ein Timing.

Ort des Geschehens: Das MoMA PS1 in Queens, eine der größten Institutionen für zeitgenössische Kunst in den USA. Draußen fällt der vom Wind aufgepeitschte Nieselregen auf die Straße, während drinnen, in einem behelfsmäßig aufgestellten Zelt, die beiden ATCQ-Gründungsmitglieder Q-Tip und Jarobi White Hof halten, um den geladenen Gästen Fragen zur neuen Platte zu beantworten. Geladene Gäste heißt: Schnatternde Musik­industriemenschen, die ein wenig verloren an ihren Freigetränken nippen; Cocktails, die themenbezogene Namen tragen wie »Bonita Applebum« (mit Ingwer und Apfelsaft) oder »Electric Relaxation«, ein Gemisch aus Absinth und Magenbitter auf Würfel­zucker. Gegen diese Kulisse muss das neue ATCQ-Album ankämpfen, ein Werk mit dem kryptisch-sperrigen Titel »We Got It From Here … Thank You 4 Your Service«. Parallel dazu werden Tribe-bezogene Grafiken an die Wand geworfen.

Die Stimmung vor Ort ist ein wenig ­skurril: Keine locker fröhliche Feieratmosphäre anlässlich der Rückkehr einer der beliebtesten Rapgruppen der Golden Era, stattdessen wirkt alles ein bisschen bedrückend, unbehaglich, emotional. Und das hat zwei Gründe: Zum einen ist Anfang des Jahres Tribe-MC Phife Dawg mit gerade einmal 45 an den Folgen seiner Diabeteserkrankung verstorben. Und die von ihm hinterlassene ­Lücke ist spürbar, auch wenn er auf dem neuen Album noch zu hören ist – sein Abschieds­geschenk an die Fans. Zum anderen wird das Event überschattet vom Ausgang der Wahl, der den meisten New Yorkern einen tiefen Schock versetzt hat. Und das neue Album, das der verbliebene Tribe heute zur Schau stellt, wirft die vorherrschende Stimmung perfekt zurück: Einerseits ist es ein unverhohlener Tribut an Phife, andererseits setzt es sich trotzig, nachdenklich und polemisch mit der derzeitigen Lage der Nation auseinander.

 
Als ein Moderator das Erscheinen der Hauptakteure des Abends ankündigt, betritt Q-Tip die Bühne, gekleidet in knielange Shorts, eine schwarze Caban-Jacke und mit einer Wollmütze in Schwarz, Rot und Grün – den ikonischen Farben, die sich durch die Cover-Designs der ersten vier Tribe-Alben ziehen –, gefolgt von Jarobi, Busta Rhymes und Consequence. Dann führt Tip die anwesende Hörerschaft durchs Album. Es ist noch früh am Abend, als er den Lautstärkeregler runterdreht, kurz bevor die ersten Lyrics von Phife einsetzen, und erzählt, dass diese den Ton und die Richtung für den Rest des Albums vorgegeben hätten. Im Takt der Musik wackelt Tip hektisch mit dem Fuß, während er phasenweise mitrappt. Dabei lässt er lange Pausen zwischen einzelnen Lines, beschränkt sich oft auf das Rezitieren von Schlüsselworten, die er übernuanciert wiedergibt.

Den folgenden Phife-Part aus dem Song »Whateva Will Be« rappt er vollständig mit: »Now am I supposed to be dead or doing life in prison?/Just another dummy caught up in the system/Unruly hooligan who belongs in Spofford/Versus getting that degree at Stanford or Harvard/Threatened by my work ethic, the way I speak, yo/Should I be mentally weak verse being Malik?« Am Ende des Parts fängt er wild an zu gestikulieren und ruft: »Und dann hat er hier eine Pause gemacht: Als er diesen Verse gedroppt hat, war klar: Okay, das ist es! Jetzt müssen wir anderen ebenfalls abliefern. Mit diesem Part hat er das Feuer wieder entfacht.« An diesem Punkt, und unter dem Gelächter des anwesenden Publikums, beginnt Tip, Bustas Reaktion zu imitieren, als dieser die Strophe von Phife zum ersten Mal gehört hat: »Yo, this nigga! I have no fuckin’ idea this nigga had this shit like this! Are you fuckin’ with me right now? Come on, answer me? What the fuck is going on with this nigga?!«

Busta Rhymes, der neben Tip auf der Bühne steht, sieht ein wenig aufgebläht aus. Seine Statur darf durchaus als warnendes Beispiel für die (übermäßige) Einnahme von Stereo­iden verstanden werden – vor allem für Männer seines Alters. Auch Busta spielt eine Schlüsselrolle auf der Platte, so als würde er die lyrische Last durch den Verlust von Phife auf seinem breiten Kreuz schultern wollen. Eine Frage des Moderators nimmt Busta zum Anlass, um von dem Moment zu erzählen, als er von der Idee zur Platte erfahren hat: »Als Tip erste Andeutungen für ein Tribe-Album gemacht hat, dachte ich, er würde mich verarschen. Ich habe es maximal für eine spontane Schnapsidee gehalten, die ihm im Zuge des Jubiläums durch den Kopf geschossen ist. Aber als sich herauskristallisiert hat, dass er es ernst meint, war mir klar: Ich bin dabei!«

Das Jubiläum, das er meint, war der 25. Geburtstag von Tribes Debütalbum »People’s Instinctive Travels And The Paths Of Rhythm«. Im Zuge dessen absolvierte die Band Ende 2015 einen Reunion-Auftritt in der »Tonight Show« von Jimmy Fallon. Tip sagt, er sei damals tief bewegt von dem Band-Moment auf Bühne gewesen, und dass er das Gefühl gehabt habe, die Zeit sei reif, wieder zusammenzukommen. Und nach ersten Gesprächen mit Phife, Ali Shaheed Muhammad und Jarobi, stellte er erleichtert fest: A Tribe Called Quest waren zurück.

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