Mac Miller: Will You Stay? // Nachruf

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Er war einer der versiertesten Musiker, die HipHop in den letzten anderthalb Dekaden hervorgebracht hat. Mac Miller starb am 7. September 2018 in seinem Zuhause in L.A., als Todesursache wird eine Überdosis vermutet. Fans und Musiker nahmen in den letzten Wochen Abschied von einem, der viel zu früh erwachsen werden musste und bis zu seinem tragischen Tod seinen Platz in der Welt suchte.

Ich kann mich noch ziemlich genau an den Moment erinnern, als ich Mac Millers Musik das erste Mal gehört habe: Es war 2010, ich verbrachte meine Sommerferien bei meiner Tante in Kanada. Mein Cousin versorgte mich während der sechs Wochen mit allem, was musikalisch derzeit in Übersee angesagt war. Mit dabei: ein junger weißer Dude, der Rucksack und Snapback trug und auf federleichtem Bummtschak über Tiefkühlpizza und Kiffen rappte. Das war auf der einen Seite natürlich total harmlos und irgendwie auch ziemlich cheesy, auf der anderen Seite war Mac Miller als lässiger Highschool-Rapper für mich als weißes Mittelstandskind eine Identifikationsfigur. Nicht so verkrampft wie Eminem, mehr HipHop als Macklemore. Draußen im Park abhängen und mit den Homies eine gute Zeit verbringen – die Themen seiner Songs entsprachen ziemlich genau meiner Lebensrealität als Teenager in der Adoleszenz. Der Dude hatte mich.

Als er sein Mixtape »K.I.D.S.« veröffentlichte, war Malcolm McCormick 17 Jahre alt. Mit zwei viralen Youtube-Hits über Junkfood und Nike-Treter katapultierte sich der Junge auf die Bildfläche. Die für Rap bis dato weitgehend irrelevante Südwest-Metropole Pittsburgh hatte einen neuen HipHop-Helden, auf den sich sowohl privilegierte Kids aus den Suburbs einigen konnten als auch echte HipHop-Fans, die Souveränität und Wortwitz des Jünglings mit der Steelers-Cap schätzten.

EASY MAC WITH THE CHEESY RAPS

Die Formel ging auch bei seinem Debütalbum voll auf: 145.000 Einheiten von »Blue Slide Park« gingen 2011 in der ersten Verkaufswoche über die Ladentheke – die erste Nummer eins eines Nicht-Major-Künstlers in den Billboardcharts seit 15 Jahren. So sehr seine Fans an Macs Lippen hingen, so vernichtend waren die Meinungen der Musikkritiker: Sein Sound wurde abfällig als »frat rap« gelabelt, harmlose Larifari-Mucke über Weed und College-Partys. Pitchfork wischte das Album mit der historisch schlechten Wertung von einem Punkt vom Tisch. Eine saftige Tenor-Ohrfeige für den jungen Künstler, der als zweiter Asher Roth in der Versenkung zu verschwinden drohte.

Es war die enorme Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und kreativem Selbstanspruch, die Mac in der Folge in ein Loch fallen ließen. In Interviews hatte er immer durchsickern lassen, dass er sich als Künstler sehe, den zwar Big L und Outkast musikalisch sozialisierten, aber eben auch Dylan und Radiohead. Als Kleinkind hatte er bereits Klavier, Gitarre und Bass gelernt, wollte immer nur Musik machen. Nur wollte das jetzt niemand wissen, Malcolm war längst als »corny white dude« abgeheftet.

WHO THE FUCK IS MAC MILLER?

2012 wurde so trotz über siebzig gespielten Shows und 6,5 Millionen verdienten Dollar zum dunkelsten Kapitel seiner Karriere. Die Frat-Rap-Assoziationen und der öffentliche Druck und ließen ihn eine handfeste Drogensucht entwickeln. Statt Weed waren es nun vor allem Codein und Promethazin, mit denen Mac seine immer lauter werdenden inneren Dämonen stumm stellte. Erstmals öffentlich adressierte er das auf seinem Mixtape »Macadelic«, das er mit drei seiner besten Freunde in L.A. aufnahm. Was folgte, war eine künstlerische Metamorphose. »Macadelic«, »Delusional Thomas«, »Faces« und nicht zuletzt sein zweites Album »Watching Movies With The Sound Off« von 2013 – die Musik wurde abgedrehter und sehr viel mehr nach innen gekehrt.

Was war mit dem Dude passiert? Er war mittlerweile am ganzen Körper tätowiert und verschanzte sich mit Künstlern wie Flying Lotus, Clams Casino und Earl Sweatshirt im Studio, um drogeninduzierte Soundexperimente zu wagen. Die konsumierten Substanzen schienen seiner Musik wieder Leben einzuhauchen, während sie ihm mehr und mehr die Kraft nahmen. In einer »Phase der Isolation« sei »WMWTSO« entstanden, erzählte er uns damals für unsere Titelstory. Plötzlich war da eine ergreifende Tiefe, die den lustigen Highschool-Rap der ersten Zehnerjahre vergessen ließ. Mac Miller reifte, musste es vermutlich. »Ich bin quasi im Zeitraffer erwachsen geworden, und gleichzeitig hat mir die halbe Welt dabei zugesehen«, sagte er damals. Mac hatte sich entfernt vom Trubel der großen Bühnen und lud fortan alles und jeden in sein Studiohaus in L.A. ein, um sich mit Musik selbst zu therapieren. Funk, Jazz, Psychedelic – alles sollte nun Platz haben. Seinen Kampf mit der Drogensucht, die er zwischenzeitlich für beendet erklärte, konnte man nun aus einer Vielzahl seiner Texte herauslesen, er ging brutal offen damit um. Sein Sound blieb dabei immer organisch, wurde von Projekt zu Projekt aber eklektischer.

WILL YOU STAY?

2016 kam sein viertes Studioalbum »The Divine Feminine« heraus und Mac Miller schien über den Berg. Seine Liaison mit Popstar Ariana Grande tönte als roter Faden durch das ganze Album, das vor allem von einer Sache handelte: Liebe. Musiker wie Kaytranada, Thundercat und Anderson .Paak machten die Platte zu einer einzigen warmen Lovestory, die vermuten ließ, dass sich Mac Miller gefunden hatte. »She put me back when I was out of order«, rappt Mac Miller wiederum auf seinem aktuellen Album über seine Beziehung zu Grande, die im Frühling dieses Jahres endete. »Swimming« ist ein Trennungsalbum, jedoch durchzogen von Hoffnung und Zeit. Mac Miller singt, lässt seiner Stimme Raum und dreht seine Trauer in wundervolle Momente.

Ich hätte Mac Miller Mitte September 2018 zum Interview in Berlin treffen sollen, um mir unter anderem die Frage beantworten zu lassen: »Who the fuck is Mac Miller?« Denn obwohl wir sein Leben transparent und detailgetreu miterleben durften, zeigte der 7. September, dass wir die Antwort nicht wissen. Was uns bleibt, ist Macs Musik und seine Videos – Momentaufnahmen eines grundpositiven Menschens, dem es verwehrt blieb, über all die Jahre endgültig seine innere Ruhe zu finden. Ich hoffe, er hat sie nun gefunden.

Text: Juri Andresen
Foto: WARNER

Dieses Feature erschien in JUICE #189. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Online-Shop bestellen.

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