Kids See Ghosts (Kanye West & Kid Cudi) – Kids See Ghosts // Review

-

(G.O.O.D. Music)

Wertung: Viereinhalb Kronen
Bereits in den ersten zwei Jahren der musikalischen Liaison von Kanye West und Kid Cudi, steuerte Letzterer wesentliche Teile zu Wests Magnum Opus »808s & Heartbreak« bei, und Yeezy half Cudi im Gegenzug als Executive Producer, sein stilprägendes Debüt »Man On The Moon« zu verwirklichen. Beide Alben sollten das emotionale Spektrum von HipHop mit einer einfachen Botschaft für immer verändern: Schwäche zeigen ist okay. Mit »Kids See Ghosts« an diese Legacy anzuknüpfen, scheint schier unmöglich. Auch wenn die LP mit dem zweiten Teil von Kanyes »Ghost Town« und ihren sieben Titeln offensichtliche Bezüge zu der Veröffentlichungsflut dieser Ye-Season enthält, ist es die wohl erste Produktion, bei der sich die Kreativ-Sparringspartner auf Augenhöhe begegnen. Nicht umsonst schufen sie mit Gründung der Supergroup Kids See Ghosts ein Synonym, das die künstlerische Vision beider Ikonen fasst – und verwirklicht. Die das Werk des Duos bestimmende kompromisslose Ehrlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den 23 Minuten kurzen Langspieler. Auf »Ye« hat dieser Stream-Of-Consciousness-Style zu einem fotografisch genauen Abbild von Wests Innenleben geführt: wild schillernd und abgründig. Aber eben auch fragmentiert und unfertig. »Kids See Ghost« hingegen ist erwachsener, reflektierter – ein vollständiges Album. Grund dafür ist Cudis Bodenständigkeit, die den Wahnsinn Kanyes erdet und ihm an den richtigen Stellen freien Lauf lässt. Wenn Kanye im Opener »Feel The Love« die Snare-Schläge mit wilden Schreien doppelt, bindet Cudis reduzierter, eingängiger Refrain dieses Chaos in ein sinnvolles Ganzes ein. Genau zwischen diesen Polen, grenzenloser Experimentierfreudigkeit und meisterhaftem Handwerk, bündelt »KSG« die Stärken seiner geistigen Väter. Mit seinen psychedeli­schen Einschlägen klingt das Projekt wie ein Gewitter über den Bergen Wyomings: Voll von tosendem Donner, unerwarteten Blitzeinschlägen und prasselndem Regen – und am Ende brechen doch die erlösenden Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Zumindest für den Moment eines Albums gelingt dem Duo ein schaurig schöner Tanz mit ihren sonst verhassten Geistern. Doch es bleibt ein Tanz am Abgrund. Zehn Jahre lang haben Kid Cudi und Kanye West für sich und andere musikalisch neue Wege planiert. Auf »KSG« füllen die Pioniere die so gewonnenen Flächen voll aus.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein